Frauengesundheit

Ständig kalte Füße?

Winterszeit ist Eiszeit für die Füße. Dicke Socken, Lammfelleinlagen und Wärmflaschen stehen jetzt vor allem bei Frauen wieder hoch im Kurs. Nicht immer liegt es an Väterchen Frost, wenn die Füße nicht und nicht warm werden wollen. Auch Krankheiten können die Ursache sein.

Von Mag. Helga Schimmer

Damals im Biologieunterricht haben wir’s gelernt: Der Mensch ist ein gleichwarmes Lebewesen, das seine Körpertemperatur konstant hält. Egal ob es draußen plus 30 oder minus 20 Grad hat, die wichtigen Organe benötigen gleichbleibende 37 Grad. „Um die Funktion von Gehirn, Herz, Lunge & Co auch bei Kälte zu garantieren, wird im Gegenzug die Wärmeversorgung von Händen und Füßen gedrosselt“, erklärt Dr. Joachim Huber, Facharzt für Innere Medizin in Wien, das Verteilungsproblem. Man denke an Polarforscher und Hochgebirgsbezwinger: Zum Überleben im extremen Frost werden durchaus erfrorene Zehen in Kauf genommen.
Allerdings klagen auch viele Menschen, die sich nie im arktischen Klima aufhalten, über beständig kalte Füße. Zumeist sind es Frauen. Während Männern das Problem größtenteils fremd ist, können ihre Angetrauten in den Wintermonaten oft nur mit dicken Socken oder einer Wärmflasche unter der Bettdecke einschlafen. Huber erläutert die Ursache: „Generell wird lediglich ein Fünftel der erzeugten Muskelenergie in Arbeit investiert, vier Fünftel werden in Form von Wärme im Körper verteilt. Da der weibliche Organismus wesentlich weniger Muskelanteil besitzt als der männliche – nur 23 gegenüber 40 Prozent –, erzeugen Frauen von vornherein viel weniger Wärme.“ Dazu kommt noch ein höherer Wärmeverlust, denn bei gleicher Körpergröße – sprich Oberfläche – bringt eine Frau weniger Masse auf die Waage als ein Mann und kühlt deshalb schneller aus. Als Gegenmaßnahme hilft Zusammenrollen und Einkuscheln. Auch dadurch wird die Körperoberfläche kleiner und wir verlieren weniger Wärme.
Zum Leidwesen von „Eisfuß“-Betroffenen, deren Zehen bei klirrender Kälte gar auf kühlschranktaugliche acht Grad Celsius abkühlen können, kommt noch ein Problem mit dem Wärmetransport: Um den Körperkern warmzuhalten, verengen sich automatisch die Blutgefäße in den Gliedmaßen. Folglich kommen in den Füßen kaum noch Blut und somit Körperwärme an. Dickes Einpacken und Zwiebel-Look auch an den Extremitäten bleiben den vom Frost Gebeutelten also nicht erspart.

Eisfüße durch gesundheitliche Probleme

Hinter kalten Füßen als Dauerzustand können sich jedoch auch krankhafte Ursachen verbergen. „Neben Vitamin-D-, Magnesium- oder Kaliummangel sind Durchblutungsstörungen häufig“, sagt Internist Huber. „Beispielsweise kann ein zu niedriger Blutdruck zeitweise die Versorgung von Beinen und Füßen behindern.“ Chronische Gefäßschäden durch Arteriosklerose bewirken ebenfalls eine mangelnde Blutzirkulation. Hier sind Raucher stark gefährdet, und auch Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (kurz pAVK) zu entwickeln, die insbesondere Unterschenkel und Füße betrifft. „Des Weiteren können Herzerkrankungen, Schilddrüsenprobleme und Fettleibigkeit zu einer mangelnden Blutversorgung und dem damit verbundenen Kältegefühl in den Füßen führen“, weiß Huber.
Eine Sonderform von Gefäßstörung ist das Raynaud-Syndrom, das durch anfallsartiges Erblassen von Fingern und Zehen sowie Krämpfe und Schmerzen gekennzeichnet ist. Manchmal sind auch Ohren und Nase betroffen. Das Leiden tritt bei Frauen etwa fünfmal häufiger als bei Männern auf – in jungen Jahren meist ohne erkennbare Grunderkrankung, im fortgeschrittenen Alter als Begleiterscheinung etwa von Multipler Sklerose, Karpaltunnelsyndrom oder einer Chemotherapie. Direkte Auslöser für die Beschwerden sind oft Kälte, Nässe, Stress und seelische Belastungen. Es folgt eine Fehlregulation des sympathischen Nervensystems, die eine Verkrampfung der feinen Arterien in den betroffenen Bereichen bewirkt, wodurch der Blutfluss stark eingeschränkt wird. Sehr wichtig für Patienten mit Raynaud-Syndrom ist ein guter Schutz vor Kälte und Nässe, aber auch die Vermeidung von allem, was die Gefäße schädigen kann, insbesondere das Rauchen und das Arbeiten mit vibrierenden Geräten.

Fehlmeldungen der Nerven

Zu Störungen in der Temperaturwahrnehmung oder in der Durchblutungsregulation kann es ferner durch die sogenannte periphere Polyneuropathie kommen. Huber: „Dabei handelt es sich um eine Nervenkrankheit mit vielfältigen Ursachen, die vor allem Nerven in Armen und Beinen betrifft und die Weiterleitung eines Reizes vom oder zum Gehirn beeinträchtigt.“
Auch das Restless Legs-Syndrom (RLS) ist ein neurologisches Leiden, das mit einem schmerzhaften Ziehen und Kribbeln sowie einem unangenehmen Kälteempfinden in den Beinen einhergeht. Die Beschwerden treten häufig nach dem Zubettgehen auf und können das Einschlafen erheblich erschweren. Immerhin jeder zehnte Erwachsene in Europa ist davon betroffen, zwei Drittel davon sind Frauen. Unbehandelt führt RLS oft zu ausgeprägten Schlafstörungen mit schweren gesundheitlichen Folgen. „Schlechteres Schlafen reduziert die Abwehrkräfte, schwächt das Immunsystem und führt zu einer höheren Anfälligkeit für Infektionskrankheiten“, sagt Joachim Huber. Der Internist rät deshalb immer dann zum Arztbesuch, wenn das Krankheitsgefühl überwiegt und die üblichen Hausmittel gegen kalte Füße nicht helfen.

Bei Angst und Stress

Obwohl es keine seriösen wissenschaftlichen Daten über psychosomatische Ursachen von kalten Füßen gibt, hat die Psyche über das vegetative Nervensystem und verschiedene Hormone Einfluss auf viele Körpervorgänge. Bei starker seelischer Anspannung können sich die Gefäße verengen, wodurch die Durchblutung in den Extremitäten vermindert wird. Am deutlichsten zeigt sich dieses Phänomen bei einer Angstattacke: Neben Herzrasen, Atemnot und Schwindelgefühl können auch kalte, feuchte Hände und Füße als charakteristisches Symptom auftreten. Die geläufige Redewendung „kalte Füße bekommen“ legt davon Zeugnis ab.
Auch wer ständig auf Hochtouren läuft, bringt sein inneres Gleichgewicht durcheinander. Bei jedem Stressreiz sendet der Sympathikus, also jener Teil des vegetativen Nervensystems, der automatisch die Organe steuert, seine Impulse an die Nebenniere. Diese Hormondrüse schüttet nun Adrenalin und Noradrenalin ins Blut aus. Werden die Stoffe nicht durch Bewegung abgebaut, können sie Schwellungen und Entzündungen an den Gefäßwänden hervorrufen, die die Durchblutung behindern. Kalte Füße sind dann – verglichen mit der stark erhöhten Gefahr eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls – eine harmlose Folgeerscheinung.

Kopf kühl, Füße warm

Als Gegenmaßnahme empfiehlt Huber, volksnah ausgedrückt: „Statt abends rauchen und saufen lieber laufen!“ Regelmäßige Bewegung und Sport kurbeln Muskeltätigkeit, Kreislauf und Durchblutung an und sorgen somit auch für wohlige Wärme. Wer sich ohnehin an diesen Ratschlag zur Vorbeugung hält und trotzdem unter Dauerfrost an den Füßen leidet, könnte es beispielsweise mit Wechselduschen am Morgen versuchen, die den Kreislauf in Schwung und die Durchblutung auf Trab bringen. Auch regelmäßige Fußgymnastik wirkt sich förderlich aus. Meiden Sie außerdem enge Schuhe, die keinen Platz für einen wärmenden Luftpolster rund um die Füße lassen, und bevorzugen Sie Socken aus Naturmaterialien. Synthetisches Gewebe fördert nämlich Schweißfüße, die rasch frieren können. Ferner kann sich ein Fußbad mit ansteigender Temperatur bewähren: Die Füße werden bis über die Knöchel in 37 Grad warmes Wasser gestellt, das durch Zugießen immer weiter erhitzt wird. Als durchblutungsfördernder Zusatz empfehlen sich einige Tropfen ätherische Öle, etwa von Rosmarin, Latschenkiefer, Fichte, Tanne, Pfeffer oder Ingwer. Anschließend werden die Füße abgetrocknet und warm angezogen. Vorsicht: Bei Krampfadern darf man dieses Hilfsmittel nicht anwenden. Fragen Sie im Zweifelsfall Ihren Arzt.
Für den Mediziner steht stets die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Ziel ist es, eine sich entwickelnde Gefäßstörung, eine bestehende Zuckerkrankheit oder eine allfällige Nikotinsucht in den Griff zu bekommen. Denn wie der alte Spruch so treffend sagt: „Den Kopf halt kühl, die Füße warm – das macht den besten Doktor arm.“

Foto: iStock, Vertigo3d

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