Das Lymphsystem ist ein Alleskönner für die Gesundheit. Die Lymphzirkulation zu stärken heißt, die Gesundheit aller Zellen zu optimieren.
Von: Jacqueline Kacetl
Es arbeitet beständig im Hintergrund und ist ein wichtiger Faktor für unsere Gesundheit und Vitalität: das Lymphsystem. Den Körper durchzieht ein Netz aus Lymphgefäßen, die viel kleiner als die Blutgefäße sind. Sie transportieren täglich bis zu vier Liter Flüssigkeit, die sogenannte Lymphe, aus dem Gewebe ab. Die Lymphflüssigkeit enthält Immunzellen, Proteine oder Nährstoffe. Neben schützenden Substanzen zirkulieren in der Lymphe auch Bakterien, Viren, beschädigte Zellen oder Giftstoffe. Diese bedrohlichen Substanzen und Zellen werden in den Lymphknoten zerstört und neutralisiert. Lymphknoten befinden sich in verschiedenen Bereichen des Körpers wie am Hals, in den Achselhöhlen, in der Leiste, im Bauch und in den Kniekehlen. Die Lymphflüssigkeit, die in diesen kleinen Gewebeknoten gefiltert und gereinigt wird, gelangt in den Blutkreislauf zurück. Als wichtiger Bestandteil des Immunsystems schützt die Lymphe den Körper auch vor Krebszellen. Damit das Abwehrsystem schlagkräftig bleibt und die Immunzellen leicht an den Einsatzort kommen, sollte die Lymphe so gut fließen wie möglich.
Schutz vor Herzerkrankungen
Ein guter Lymphfluss wirkt sich auch auf die Herzgesundheit aus. Der Rolle der Lymphgefäße hinsichtlich der Gefäßerkrankung Arteriosklerose, die gefährliche Folgen wie Herzinfarkt, Herzstillstand und andere Herzerkrankungen nach sich ziehen kann, rückt immer mehr in das Interesse der Forschung. Unter der umgangssprachlich als Gefäßverkalkung bezeichneten Arteriosklerose versteht man krankhafte Veränderungen der Arterienwand. Aufgrund von Verletzungen und Ablagerungen wie Kalzium oder oxidiertem Cholesterin verdickt, verengt und verhärtet sich die Gefäßwand. Die Folgen sind Durchblutungsstörungen oder Blutgerinnsel, die einen Schlaganfall oder Herzinfarkt auslösen können. Indem die Lymphe Zelltrümmer und schädliche Substanzen abtransportiert, leistet ein gut funktionierendes Lymphsystem einen wichtigen Beitrag, um die Arterienwände intakt zu halten. Eine gut fließende Lymphe kann die Bildung von schädlichem Cholesterin in den Arterien verhindern und bekämpft zudem Entzündungsprozesse. Insbesondere Bewegung (siehe Infokasten Seite 8) kann den Lymphfluss enorm steigern und so den Abtransport von Cholesterin und anderen Blutbestandteilen erhöhen.
Risiken für das Lymphsystem
Gefahren können für den Lymphfluss von kleinen Hautverletzungen, etwa durch schlecht gereinigte und desinfizierte Wunden, aber auch von Insektenstichen ausgehen. Breiten sich Erreger von einer Wundinfektion auf das Lymphsystem aus, kann sich eine Lymphgefäßentzündung (Lymphangitis) entwickeln. Typische Symptome sind rote Streifen an Armen und Beinen, Kopfschmerzen, Fieber und geschwollene Lymphknoten. Meist ist eine Lymphgefäßentzündung medikamentös gut behandelbar. Geschwollene Lymphknoten seien in der Regel kein Grund zur Besorgnis, erklärt Dr. Richard Crevenna, Facharzt für Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation und Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin an der Medizinischen Universität Wien: „Vorübergehende Lymphknotenschwellungen sind zumeist harmlos und ein Zeichen, dass sich unser Immunsystem mit harmlosen Infektionen wie einer Virusinfektion der Atemwege auseinandersetzt.“ In der Regel klingen die Schwellungen wieder ab. Halten diese aber über einige Wochen ohne ersichtlichen Grund an und kommen weitere Merkmale (siehe Interview Seite 10) hinzu, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Vergrößerungen eines oder mehrerer Lymphknoten können unter Umständen auch auf Krebserkrankungen hinweisen.
Gestörter Lymphfluss
Neben der Immunabwehr transportiert die Lymphe Nahrungsfette vom Darm zu den Körperzellen und reguliert den Wasserhaushalt. Kann die Lymphe nicht mehr genügend Flüssigkeit abtransportieren, staut sie sich im Gewebe. Es kommt zu einer Schwellung, die als Lymphödem bezeichnet wird. Flüssigkeitsansammlungen können sich an einer oder mehreren Stellen bilden, wobei Arme und Beine am häufigsten betroffen sind. „Die Schwellungen können ein- oder beidseitig auftreten“, so Crevenna. „Drückt man auf das Gewebe, ist die Schwellung anfangs eindellbar. In einem späteren Stadium ist das nicht mehr möglich.“ Das primäre Lymphödem ist genetisch bedingt und relativ selten. Häufiger sind sekundäre Lymphödeme, die durch Insektenstiche, Verletzungen, Bestrahlungen oder Operationen verursacht werden können. In vielen Fällen entwickeln sich Lymphödeme infolge einer Krebsbehandlung, bei der Lymphknoten chirurgisch entfernt wurden. Für die Behandlung des Lymphödems gilt die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie als effektive Methode. Sie beruht auf verschiedenen Strategien, um den Lymphfluss anzuregen und Schwellungen zu reduzieren. Dazu zählen die manuelle Lymphdrainage, eine individuell angepasste Hautpflege, der Einsatz von Bandagen oder Kompressionswäsche sowie eine gezielte Bewegungstherapie und Maßnahmen zur Selbstbehandlung.
Lymphe anregen
Während die Werte für Blutdruck, Herzfrequenz oder Cholesterin leicht gemessen werden können, sei das Lymphsystem noch wenig erforscht, stellt der US-amerikanische Herz-Thorax-Chirurg Dr. Gerald Lemole in seinem Buch „Die Lymphe – der Schlüssel zu Ihrer Gesundheit“ fest. Bildgebende Verfahren könnten Durchflussstörungen im arteriellen System veranschaulichen, es gebe aber immer noch keine effiziente Methode, um eine Verstopfung des Lymphsystems festzustellen und zu erkennen, wie gut die Lymphe fließt.
Und auch wenn die Lymphe vor allem hinsichtlich der Ausbreitung von Krebszellen über die Lymphgefäße noch viele Fragen aufwirft, steht fest: Ein intaktes Lymphsystem hat vielfältige positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Mit gesunder Ernährung, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, regelmäßiger Bewegung und tiefer Atmung haben wir es selbst in der Hand, unseren Lymphfluss in Schwung zu bringen.
So unterstützen Sie Ihre Lymphe
- Ernährung
Eine positive Wirkung auf den Lymphfluss und die Herzgesundheit hat die mediterrane Ernährung bzw. Mittelmeerküche. Ihre Schwerpunkte liegen auf Obst (z. B. Melonen, Weintrauben, Beeren, Äpfel, Ananas) und Gemüse (z. B. Brokkoli, Karfiol, Grünkohl, Kohlsprossen, Kürbis, Paprika) sowie (ein- bis zweimal pro Woche) Fisch und Meeresfrüchten. Zudem empfohlen: Vollkornprodukte, Olivenöl, Avocado, Nüsse, Kräuter, Gewürze und Knoblauch. Fleisch, Eier, Käse, Joghurt und Süßigkeiten sollten nur in Maßen verzehrt werden. Eine ausreichende Trinkmenge von etwa zwei Litern (Wasser oder ungezuckerter Tee) pro Tag ist ebenfalls wohltuend für den Lymphfluss.
- Sport und Bewegung
Muskelkontraktionen regen die Bewegung der Lymphe an. Aktivitäten wie schnelles Gehen, Joggen, Radfahren, Tennis, Tanzen, Crosstrainer, Laufband, Schwimmen, Treppensteigen, Trampolinspringen oder Pilates regen den Lymphfluss an. Eine besondere Wirkung wird dem klassischen Yoga zugesprochen. Durch die verschiedenen Körperpositionen werden die Auf- und Abwärtsbewegungen der Lymphflüssigkeit unterstützt.
- Atmung
Die wichtigsten Lymphbahnen des Körpers befinden sich im Brustkorb. Das Lymphsystem verfügt nicht wie der Blutkreislauf über einen Motor wie das Herz, das das Blut durch den Körper pumpt. Eine wichtige Druckpumpe ist die Atmung. Bei jedem tiefen Atemzug wird die Lymphflüssigkeit weiterbewegt. Wichtig für den guten Lymphfluss sind Atem- und Yogaübungen, Entspannungstechniken und Meditation, mit denen eine tiefe Zwerchfellatmung praktiziert wird.
Fotos: istock XH4D