Die internationale Elite der Brustkrebsforschung hat sich erneut in Wien getroffen: Die 19. St. Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC) bringt Fachleute aus aller Welt zusammen, um aktuelle Entwicklungen und Therapieansätze zu diskutieren.
Von Michaela Neubauer
„Mittlerweile ist die Medizin so weit, dass über 80 Prozent
der Brustkrebs-
patientinnen geheilt werden können.“
Österreich spielt seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der internationalen Brustkrebsforschung. „Man glaubt ja oft, in Amerika oder Deutschland ist alles besser“, sagt Brustkrebsspezialist Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant. „Aber obwohl wir ein kleines Land sind, gehören wir seit rund 30 Jahren zu den führenden Nationen in der Forschung – nicht zuletzt aufgrund einer außergewöhnlichen interdisziplinären Zusammenarbeit. Die einzelnen Standorte und Fachrichtungen konkurrieren nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich.“ Auch die Patientinnen tragen einen wichtigen Teil dazu bei, dass neue Therapieansätze erfolgreich erprobt werden können, betont Gnant: „In Österreich nehmen mehr als 30.000 Frauen aktiv an klinischen Studien teil, weil sie wissen, dass sie damit in der ersten Reihe des medizinischen Fortschritts stehen.“
Wien als Zentrum der internationalen Forschung
Ein Highlight der globalen Vernetzung ist die St. Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC), die sich mit den neuesten Erkenntnissen zur Brustkrebsbehandlung befasst. Seit zehn Jahren findet sie – initiiert von Dr. Gnant – in Wien statt. Alle zwei Jahre kommen mehr als 4.000 Expertinnen und Experten aus über 100 Ländern zusammen, um über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskutieren. „Wir haben hier die höchste Dichte an Spitzenkräften außerhalb der USA“, so der Gastgeber stolz. „Wenn man dabei ist, dann gehört man zur Weltspitze.“ Entscheidungen, die auf dieser Konferenz getroffen werden, beeinflussen oft direkt die weltweiten Behandlungsstandards. Neben den wissenschaftlichen Vorträgen bietet die Konferenz auch Raum für neue Kooperationen und Netzwerke. Viele internationale Forschungsprojekte entstehen durch Kontakte, die hier geknüpft werden. „Wir haben heuer erstmals eine Faculty mit 50 Prozent Frauenanteil – das zeigt, dass sich auch hier etwas bewegt“, so Gnant.
Personalisierte Therapie und Deeskalation
Ein zentrales Thema der Konferenz ist die fortschreitende Personalisierung der Krebstherapie. „Mittlerweile ist die Medizin so weit, dass über 80 Prozent der Brustkrebspatientinnen geheilt werden können“, erläutert der Experte. Moderne Diagnoseverfahren ermöglichen es immer genauer zu bestimmen, welche Patientinnen von intensiven Behandlungen profitieren und bei wem eine weniger aggressive Therapie ausreichend ist. Stichwort ist die Deeskalation der Therapie: „Wir können heute bestimmte Operationen und Bestrahlungen reduzieren, ohne die Heilungschancen zu verschlechtern“, sagt Gnant. „Früher mussten Patientinnen oft sechs Wochen lang täglich zur Strahlentherapie, heute sind es zwei bis zweieinhalb Wochen. Und wir prüfen bereits, ob die Behandlung auf fünf Tage reduziert werden könnte.“ Das sei ein enormer Fortschritt, insbesondere für Patientinnen in ländlichen Regionen, die lange Anfahrtswege haben.
Vorsorge und Früherkennung
Trotz aller medizinischen Fortschritte bleibt die Früherkennung von Brustkrebs der wichtigste Faktor. „Brustkrebs kann man oft nicht verhindern, aber wenn man ihn früh entdeckt, kann fast jede Frau geheilt werden“, macht Gnant Mut. Obwohl es in Österreich ein gut etabliertes Mammographie-Screening-Programm gibt, nehmen noch immer nicht alle Frauen die Möglichkeit zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung wahr. „Besonders in sozial schwächeren Schichten und bei Frauen mit Migrationshintergrund sehen wir Nachholbedarf“, erklärt Gnant. Um dem entgegenzuwirken, werden gezielte Kampagnen entwickelt, etwa in Zusammenarbeit mit Vereinen und Patientinnenorganisationen. „Es ist wichtig, dass Frauen verstehen, dass Früherkennung Leben rettet und dass moderne Therapien weniger belastend sind als früher.“
2027 wird die SGBCC das nächste Mal in Wien stattfinden und einen weiteren Beitrag dazu leisten, Innovationen der Brustkrebsforschung in die klinische Praxis zu bringen. „Ich hoffe, dass wir weiterhin daran arbeiten, die bestmögliche Therapie für jede Patientin zu finden – sei es durch intensivere Behandlung, wenn nötig, oder durch das Weglassen unnötiger Maßnahmen, wenn möglich. Wissenschaft und Vernetzung sind der Schlüssel dazu“, so Gnant abschließend.
FOTOS: Gerald Sturm/Pixwork Photography, istockphoto/ Alina Kvaratskhelia