Plötzliche und starke Hodenschmerzen bei jungen Patienten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, sind stets ein medizinischer Notfall. In etwa 20% der Fälle handelt es sich um eine Hodentorsion (Hodendrehung), die unbehandelt schwerwiegende Folgen haben kann. Es ist daher entscheidend, dass betroffene Patienten sofort zu einem Kinderchirurgen oder Kinderurologen gebracht werden.
Bei einer Hodentorsion ist schnelles Handeln erforderlich – eine Operation innerhalb weniger Stunden kann den Hoden und damit die Zeugungsfähigkeit oft retten.
Hodentorsion – Hodendrehung mit schwerwiegenden Folgen
Bei einer Hodentorsion dreht sich der Hoden mit dem Nebenhoden um den Samenstrang, was zu einer Beeinträchtigung der Blutversorgung führt. Durch diese Drehung kommt es zu plötzlichen, intensiven Schmerzen. Wenn die Blutversorgung nicht innerhalb von sechs bis acht Stunden wiederhergestellt wird, droht das Absterben des Hodengewebes. Dies kann nicht nur die Fruchtbarkeit des betroffenen Jungen dauerhaft beeinträchtigen, sondern auch zu ästhetischen Veränderungen des Genitals führen.
Die Hoden, die sich im sogenannten Skrotum (Hodensack) befinden, sind für die Produktion von männlichen Geschlechtshormonen wie Testosteron und später für die Samenzellenbildung verantwortlich. Wenn diese Funktion aufgrund einer unzureichenden Blutversorgung gestört wird, kann dies schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Symptome einer Hodentorsion
Zu den typischen Anzeichen einer Hodentorsion gehören plötzliche, starke Hodenschmerzen, oft begleitet von einer Schwellung und Rötung eines Hodens. Diese Schmerzen treten auf, wenn die Blutversorgung des Hodens durch die Drehung vermindert wird. In manchen Fällen kann auch der gesamte Hodensack betroffen sein. Besonders alarmierend ist, dass die spermienbildenden Zellen im Hoden nach etwa sechs bis acht Stunden ohne Blutversorgung absterben. Die hormonproduzierenden Leydig-Zellen folgen nach etwa zwölf Stunden. In diesem Fall droht der vollständige Verlust des betroffenen Hodens.
Altersgruppen mit erhöhtem Risiko
Eine Hodentorsion kann prinzipiell in jedem Alter auftreten. Besonders gefährdet sind jedoch Kinder mit einem verspäteten Hodenabstieg – bei ihnen liegt das Risiko bis zu zehnmal höher. Die meisten Fälle von Hodentorsion treten jedoch bei Jungen zwischen 12 und 18 Jahren auf, insbesondere während der Pubertät. Leider äußern sich betroffene Jungen aufgrund von Schamgefühlen häufig nicht rechtzeitig über ihre Beschwerden, was eine rechtzeitige Behandlung erschweren kann. Je länger die Drehung des Hodens unbemerkt bleibt, desto größer ist das Risiko für dauerhafte Schäden.
Das akute Skrotum
Der Begriff „akutes Skrotum“ wird als Überbegriff für akute Beschwerden im Bereich des Hodensacks verwendet, bis die genaue Ursache diagnostiziert ist. Neben der Hodentorsion können auch andere Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen, wie etwa eine Torsion von Anhangsgebilden des Hodens oder eine Hodenentzündung. Die genaue Diagnose erfolgt in der Regel durch eine gründliche klinische Untersuchung, ergänzt durch Ultraschall und die sogenannte Farbdoppler-Untersuchung, um die Durchblutung der Hoden zu überprüfen.
Wenn trotz aller Untersuchungen Zweifel an der Durchblutung des Hodens bestehen, sollte eine Notfalloperation durchgeführt werden, um den Hoden zu retten.
Notfalloperation bei Hodentorsion – die Orchidopexie
Die chirurgische Behandlung einer Hodentorsion besteht darin, den verdrehten Hoden in seine normale Position zurückzudrehen, um die Blutversorgung wiederherzustellen. Dies geschieht in der Regel unter Vollnarkose. Der Hoden wird anschließend mit zwei bis drei Nähten im Hodensack fixiert, um ein erneutes Drehen zu verhindern. Dieser Eingriff wird als Orchidopexie bezeichnet.
Aktuellen Leitlinien zufolge sollte diese Fixierung nicht nur am betroffenen Hoden, sondern auch am unbetroffenen Hoden durchgeführt werden, da auch dieser einem erhöhten Risiko für eine spätere Torsion ausgesetzt sein kann. Sollte der Hoden jedoch bereits irreparabel geschädigt sein, muss er entfernt werden.
Prothetische Versorgung bei Hodenverlust
Wenn es zum Verlust eines Hodens kommt, wird oft ein künstliches Implantat eingesetzt, sobald das Körperwachstum abgeschlossen ist. Dieses Hodenimplantat aus Kunststoff sieht einem natürlichen Hoden ähnlich und vermittelt ein normales ästhetisches Erscheinungsbild. Dies kann nicht nur aus körperlichen, sondern auch aus psychologischen Gründen wichtig sein.
Fazit
Plötzliche Hodenschmerzen bei jungen Patienten sind immer ein Notfall. Besonders eine Hodentorsion muss schnell diagnostiziert und behandelt werden, um dauerhafte Schäden zu vermeiden. Die frühzeitige chirurgische Behandlung bietet die besten Chancen, die Funktion des Hodens zu erhalten und langfristige Folgen zu verhindern. Eltern sollten daher bei Beschwerden ihres Kindes umgehend medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
Literatur:
William Gossman; Michael P. Boniface; Michael Mohseni. Acute Scrotum Pain. StatPearls [Internet]. Last Update: February 25, 2020.
Tiwana MS, Leslie SW. Anatomy, Abdomen and Pelvis, Testicle. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020.
Quelle: Statement von Kinderchirurg Professor Dr. med. Christian Lorenz, zur Leitlinie Akutes Skrotum der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH).
Fotos: istock PonyWang