Verdauung, Magen & Darm

Natur auf dem Teller

Welche Blüten essbar sind und warum bestimmte wilde Kräuter einfach besser schmecken.

von Mag.a Helga Schimmer

Stiefmütterchen im Salat, Sauerampfer in der Suppe – der Bärlauch hat Konkurrenz bekommen. Die Kreationen der Gourmetköche und Lebensmittelproduzenten sind so bunt wie noch nie. „Back to the roots“ boomt, doch so manche Wildpflanze, die traditionell gegessen wurde, ist nach moderner Forschung bedenklich für unsere Gesundheit. Demgegenüber steht eine Vielzahl von Kräutern mit äußerst vorteilhafter Wirkung: Die „Österreichische Liste essbarer Wildpflanzen und Blüten“ fasst sie zusammen. Hier eine kleine Auswahl davon.

Duft-Veilchen (Viola odorata)

Die zarten violetten Blüten  des Duft-Veilchens, auch März-Veil­chen oder Veigerl genannt, duften und schmecken sehr aromatisch. Ihre wichtigsten Inhaltsstoffe sind – neben den beruhigend wirkenden ätherische Ölen – Vitamin C, Alkalo­ide und Stoffe mit schleimlösender Wirkung, weiß die niederösterreichische Ernäh­rungs­wissenschafterin Mag. Nicole Seiler. „Die Blüten lassen sich in Tee, Essig, Sirup, Schnaps, Desserts oder kandiert auf Süßspeisen verwenden“, sagt die Expertin.

Rose (Rosa spp.)

Als Königin der Blumen wird die Rose weltweit nicht nur zur Dekoration und in der Kosmetik, sondern gerne auch in der Küche eingesetzt. Beliebt sind würzige Tee- und Kräutersalzmischungen, welchen die Rosenblüten eine süßlich-sanfte Note verleihen. Rosensirup und Rosengelee gelten als besondere Delikatessen. „Die in den Blüten enthaltenen ätherischen Öle, Gerbstoffe und Saponine helfen bei Stress, Traurigkeit, Immunschwäche und auch Fieber“, fasst Seiler die positiven Effekte der seit Jahrtausenden genutzten Heilpflanze zusammen.

Gänseblümchen (Bellis perennis)

Gänseliesl, Maßliebchen, Tausendschön – wie auch immer man den kleinen Korbblütler im Volksmund nennt: Seine weißen, mitunter zart­rosa Blüten schmecken nussig bis scharf, machen sich optisch gut in Eiswürfeln, Limonaden oder Bowlen und sind auch eine dekorative Beigabe in Salaten, Suppen sowie Teemischungen. „Von ihrer Wirkung her sind Gänseblümchen-Blüten sehr vielseitig“, erklärt Nicole Seiler. „Sie lösen unter anderem zähen Schleim, reinigen das Blut und stillen Krämpfe.“ Somit helfen sie etwa bei Erkältungskrankheiten, Asthma und Nieren-Blasenleiden.

Schafgarbe (Achillea millefolium)

Um die appetitanregenden, verdauungsfördernden und entkrampfenden Inhaltsstoffe der Schafgarbe wusste man bereits in der Antike. So ist von ihren zartfedrigen Blättern und kleinen weißen Blüten nicht nur bei Blähungen, sondern auch bei Menstruationsbeschwerden und wetterbedingten Kopfschmerzen Linderung zu erwarten. Nicole Seiler empfiehlt etwa einen Aufstrich mit gehackten Blüten und rät zur Vorsicht bei Verwendung in der Schwangerschaft. Außerdem kann die Schafgarbe Hautausschläge hervorrufen.

Schwarzer Holunder (Sambucus nigra)

Als Klassiker aus Omas Küche sind Holler-Blüten auch heute eine willkommene Bereicherung des Speiseplans. „Die großen Dolden mit ihren sehr zarten weißen Blüten erscheinen im Mai und Juni. Man kann sie beispielsweise zu Saft oder Sirup einkochen oder in Tropfteig aus­backen“, so die Ernährungswissenschafterin, die die „Flotte Lotte Kochwerkstatt“ in Baden (NÖ) leitet. In der Hausapotheke hilft Holunderblütentee wegen seines Gehalts an ätherischen Ölen, Schleimstoffen und Vitamin C unter anderem bei Erkältungen, Fieber und Grippe.

Vogelmiere (Stellaria media)

Als für Gartenbesitzer oft lästiges Rasenunkraut wuchern die langen grünen Triebe mit ihren sehr zierlichen weißen Blütensternen dicht über dem Boden. Geschmacklich erinnert die auch als „Hühnerdarm“ bekannte Pflanze an zarten jungen Mais. Die Vogelmiere lässt sich beispielsweise aufs Butterbrot oder in Smoothies und Salate geben. Laut der Expertin wirkt sie gewebestärkend und reizmildernd, hält die Blutgefäße geschmeidig und stabil, hemmt aber auch Entzündungen und das Pilzwachstum.

Brennnessel (Urtica dioica)

Fast jeder hat schon unliebsame Bekanntschaft mit der Brennnessel gemacht. Ursache für die brennenden Schmerzen und den juckenden Ausschlag ist die Ameisensäure, die sich in den Köpfchen der Brennhaare auf Blättern und Blattstielen befindet. „Man pflückt die Pflanze am besten mit Handschuhen, beim Erhitzen werden die Brennhaare dann zerstört“, sagt Seiler. Als Klassiker der entschlackenden, entwässernden Heilpflanzen wird das Kraut bei Blasenleiden, Hautkrankheiten und Blutarmut eingesetzt. Vitamin C, Eisen und Kieselsäure sind nur ein kleiner Auszug aus seinem reichhaltigen Wirkstoffspektrum.

Wegerich (Plantago spp.)

Ob Spitz-, Breit- oder Mittlerer Wegerich – wie gut, dass die verschiedenen Spielarten der „Wegwurz“ praktisch immer am Weg wachsen, denn bei müden Füßen wirken Schuheinlagen aus Wegerichblättern als Wohltat. „Wir tragen die Samen mit unseren Schuhen weiter und verbreiten sie so“, weiß Nicole Seiler. Die Liste der entzündungshemmenden, abwehr-steigernden und gewebefestigenden Inhaltsstoffe ist lang. Zudem stärkt zum Beispiel Spitzweg die Lunge und erleichtert das Abhusten von Schleim.

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INTERVIEW
Wildkräuter und essbare Blüten – gesund oder ein Risiko?

Interview mit Prof. Mag. Dr. Susanne Till, Biologin und Botanikerin am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. Till beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Wildpflanzen und hat mit ihrer Arbeitsgruppe die „Österreichische Liste essbarer Wildpflanzen und Blüten“ erstellt.

MEDIZIN POPULÄR: Weshalb sollten wir Wildkräuter und essbare Blüten öfters auf den Teller bringen?

Prof. Till: Zunächst bieten die Wildkräuter und ihre bunten Blüten ein besonderes Sinnes- und Geschmackserlebnis, das sich von der gewohnten Alltagskost abhebt. Man sollte sie bewusst als wertvolle, saisonale Ergänzung betrachten, denn abhängig von der Pflanzenfamilie mit den jeweiligen typischen Inhaltsstoffen und den Wachstumsbedingungen haben etliche Wildpflanzen einen hohen Gesundheitswert. Vor allem aber bringt das Sammeln der Pflanzen uns der Natur wieder näher und trägt zu ihrem besseren Verständnis bei.

Welche Blüten und Kräuter sind aufgrund ihres Gesundheitswertes besonders empfehlenswert?

Die an verschiedenen gesunden Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Flavonoiden und Ballaststoffen reiche Brennnessel etwa übersteigt mit ihrem Vitamin-C-Gehalt von über 300 mg/100 g jenen von Spinat um das Sechsfache. Allerdings enthalten speziell ältere Brennnessel-Blätter auch viel schädliches Nitrat. Daher ist es ratsam, für Tee nur die jungen Blätter zu verwenden, weil das Nitrat in den Aufguss ausgeschwemmt wird. Kocht man Brennnesselspinat oder eine Suppe, eignen sich die verschiedenen Taubnessel-Arten gut zum Mischen. Die bunten Taubnessel-Blüten mit ihren als Zellschutz wirkenden Antho­cyanen kann man auch zum Garnieren verwenden. Eine elegantfeine Frühlingssuppe lässt sich mit Kerbel zaubern. Das enthaltene Isoanethol verleiht dem Gericht eine süßlich-aromatische Note und wirkt unter anderem entkrampfend auf die Verdauungsorgane.

Gibt es auch Wildkräuter, auf die wir besser verzichten sollten?

Den Huflattich sowie den Beinwell und andere Boretschgewächse beispielsweise sollte man nicht selber sammeln, da sie giftige Pyrrolizidinalkaloide enthalten, die Leberkrebs hervorrufen können. Unter den Doldenblütler wiederum sind die Bärenklau-Arten aufgrund ihrer Furocumarine problematisch. Diese Stoffe wirken nicht nur fototoxisch, das heißt, sie rufen mit Sonnenlicht schwere Verbrennungen hervor, sondern stehen auch im Verdacht, krebserregend zu sein.

Wie steht es um die Sicherheit und Qualität der Pflanzen?

Grundsätzlich muss man sagen, dass eine Wild­pflanze nur so gut ist wie das Ökosystem, in dem sie wächst. Kräuter vom Rand einer dicht befahrenen Straße oder aus einem Gebiet mit Industrie bzw. intensiver Landwirtschaft sind meist stark mit Schadstoffen belastet. Wer Wildkräuter in der Natur sammelt, sollte einerseits auf mögliche Verwechslungen mit giftigen Pflanzen achten und andererseits respektvoll mit der Natur umgehen. Also Kräuter nicht wahllos pflücken und keinesfalls mit der Wurzel ausgraben, damit ihr Fortbestand gesichert bleibt. Eine gute Möglichkeit ist es, sich eine „wilde Ecke“ im eigenen Garten anzulegen. So ist man vor Verwechslungen geschützt und leistet gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz, weil viele Wildkräuter – wie beispielsweise die Brennnessel – Futterpflanzen für gefährdete Schmetterlingsarten sind.

Foto: iStock, Rocky89

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