Leben mit Multipler Sklerose

März 2010 | Medizin & Trends

„Ich sage mir stets: Nütze den Tag!“
 
Seit 13 Jahren leidet Martin Geicsnek, EDV-Techniker in Wien, an der Nervenerkrankung Multiple Sklerose (MS). mit MEDIZIN populär sprach der mittlerweile 43-Jährige über den Schock der Diagnose, seinen Umgang mit der Angst vor dem nächsten Schub und seine besonders intensive Lebenslust an guten Tagen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN populär
Herr Geicsnek, wie haben Sie bemerkt, dass Sie MS haben?

Martin Geicsnek
Ich bin eines Tages aufgewacht und meine gesamte rechte Körperhälfte war gefühllos. Bewegen konnte ich mich zwar, aber ich habe nichts gespürt. Ich habe mir damals gedacht, wahrscheinlich habe ich mir irgendeinen Nerv eingeklemmt, und dass das schon wieder vergehen wird. Aber nachdem es zwei Tage lang nicht vergangen ist, bin ich ins Spital gefahren und habe mich untersuchen lassen. Da wurde noch nichts festgestellt. Ich bekam dann noch Termine für weitere Untersuchungen, aber das war zwei Wochen später, und die haben die Ärzte gemeinsam mit mir storniert, weil das Taubheitsgefühl da schon wieder weg war. Ein halbes Jahr später bin ich wieder eines Tages aufgewacht und habe von der Brust abwärts nichts gespürt. Da bin ich wieder ins Spital gegangen, und dann wurde MS diagnostiziert.

Das war sicher ein Schock.
Die definitive Diagnose dann nicht mehr so sehr, doch die Nacht davor dafür umso mehr, denn da habe ich schon geahnt, dass ich MS habe. Ich habe nämlich in medizinischen Büchern nachgelesen, worauf meine Symptome hindeuten könnten, und da tauchte immer wieder MS auf. Außerdem bin ich erblich vorbelastet, die Schwester meiner Großmutter hat auch MS gehabt.

Wie hat sich Ihr Leben nach der Diagnose verändert?
Ich war damals gerade dabei, für meine Familie ein Haus zu planen. Das habe ich dann behindertengerecht geplant und gebaut. Es gibt nun nirgends Barrieren, wir haben überall breite Türen, durch die man mit einem Rollstuhl fahren könnte, und Bad und Toilette sind auch behindertengerecht vorbereitet.

Mussten Sie sich auch beruflich umstellen?
Nein, als EDV-Techniker habe ich Glück, ich kann meine Arbeit genauso wie früher machen. Das einzige, was ein bisschen stört, ist, dass ich inzwischen meine linke Hand nicht mehr so gut einsetzen kann wie früher, weil sie nach einem Schub gefühllos geblieben ist, so wie auch der linke Fuß.
    
Welche Behandlung bekommen Sie?
Wenn ich einen Schub habe, bekomme ich fünf Tage hindurch täglich Cortison als Infusion verabreicht. Das korrigiert zwar fast immer die Probleme, doch leichte Einschränkungen bleiben sehr oft zurück. Nach drei Jahren MS wurden die Abstände zwischen den Schüben kürzer und mein behandelnder Neurologe hat mir zu einer Dauertherapie geraten. Seither erhalte ich ein Medikament, das ich mir täglich selbst injiziere, und das reduziert die Anzahl der Schübe um zirka ein Drittel.

Das ist doch ein gutes Zeichen …
Von den Schüben her sicher, doch bei der letzten Magnetresonanztomographie hat sich gezeigt, dass sich im Gehirn und im Rückenmark einige bis zu 1,5 Zentimeter große Plaques gebildet haben, das sind Herde im Nervensystem, an denen die Reizleitung gestört ist. Das heißt, ich muss damit rechnen, dass ich weitere Schübe bekommen werde. Seit ich das weiß, lebe ich noch mehr nach dem „Carpe diem“-Prinzip und sage mir stets: Nütze den Tag, realisiere das, wozu du heute fähig bist, und genieße es!

Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?
Das ist sehr stark vom Krankheitsverlauf abhängig. Wenn es geht, fahre ich viel mit dem Rad, und ich schwimme und laufe mehrmals pro Woche. Seit der Diagnose habe ich sogar schon an Marathonläufen teilgenommen. Das war für meine Psyche extrem wichtig und gut. Der Sport stärkt außerdem meinen Körper und hilft auch gegen die Begleiterscheinungen der MS, besonders gegen die starken Müdigkeitsgefühle, und er beugt psychischen Problemen vor. Früher habe ich auch Fußball gespielt, aber das geht jetzt nicht mehr, nicht nur wegen des tauben linken Fußes, sondern auch weil meine Koordinationsfähigkeit nicht mehr gut genug dafür ist und ich die schnellen Bewegungen nicht mehr schaffe.
Das größte Problem bei dieser Krankheit der 1000 Gesichter ist aber, dass man nie weiß, wie es einem am nächsten Tag geht und was man morgen noch machen kann.

Wozu würden Sie anderen Betroffenen raten?
Zu Bewegung. Viel Gehen oder Laufen und zusätzlich Gymnastik mit Koordinationsübungen sind bei dieser Krankheit gut. Und vor allem zum Genießen und Lieben des Lebens! Denn diese Krankheit verhilft uns Patienten in den guten Zeiten dazu, alles Gute noch viel intensiver zu empfinden.

Infotipps:
Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft – Dachverband,
Telefon 01/40400-3123, www.msgoe.at

Multiple Sklerose Gesellschaft Wien,
Telefon 01/409 26 69, www.msges.at

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