Alterssichtigkeit bei Kindern

Januar 2009 | Medizin & Trends

Schon jedes sechste Kind ist betroffen
 
Im Normalfall tritt die Alterssichtigkeit ab dem 45. Lebensjahr auf, als natürliche Begleiterscheinung des Alterungsprozesses. Doch in jüngster Zeit stellen Augenärzte das Problem auch bei Kindern und Jugendlichen fest. Warum die Sehstörung bereits 15 Prozent der Sechs- bis 20-Jährigen trifft, konnte bislang nicht geklärt werden. Wohl aber weiß man, dass Früherkennung wichtig ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund startet Augenfacharzt Dr. Wilfried Obermayer heuer im Burgenland ein Vorsorgeprojekt in Sachen Augengesundheit bei Kindern.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Die achtjährige Johanna ist ein schlaues, aufgewecktes Mädchen. In der Schule tut sie sich allerdings überraschend schwer: Beim Abschreiben von der Tafel und bei jeder Ansage macht sie Unmengen von Fehlern, sie kann sich nur schwer konzentrieren und klagt immer wieder über Kopfschmerzen. Auf Anraten ihres Lehrers, der eine Legasthenie vermutet, wird eine Logopädin konsultiert – die erhoffte Besserung bleibt allerdings aus. Erst ein zufälliger Kontrollbesuch beim Augenarzt bringt Gewissheit: Die Volksschülerin leidet an Alterssichtigkeit. Seit Johanna – „wie der Opa“ – eine Lesebrille trägt, sind die Kopfschmerzen verschwunden, und sie präsentiert jedem stolz das Ergebnis der letzten Ansage: „Null Fehler – bravo!“

Lesebrille für Taferlklassler

Mit dem Problem der „jugendlichen Alterssichtigkeit“ (=Presbyopie) ist die Volksschülerin nicht allein: Von der Sehstörung sind von den Sechs- bis 20-Jährigen rund 15 Prozent, also jeder Sechste, betroffen. Das Symptom: Die Augenlinse kann auf nahe Objekte nicht richtig scharf stellen.
Im Normalfall tritt die Alterssichtigkeit ab dem 45. Lebensjahr auf – und zwar als natürliche Begleiterscheinung des Alterungsprozesses. Der Grund? Im Lauf der Jahre verliert die Augenlinse an Flüssigkeit und damit an Elastizität – ihre Fähigkeit, in die Nähe scharf zu stellen, nimmt ab. Dieses Symptom zeigt sich auch bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen – allerdings aufgrund anderer, bislang ungeklärter Ursachen. „Bei Kindern hat die Linse einen ganz normalen Wassergehalt“, erklärt der Augenfacharzt Dr. Wilfried Obermayer aus Neufeld/Leitha und nennt eine mögliche Ursache: „Womöglich zieht ein Augenmuskel, der so genannte Ziliarmuskel, derart an der Linse, dass sie die Form verändert und dadurch ihre Fähigkeit, in die Nähe scharf zu stellen, verliert.“ Wie bei einem Mittvierziger ist auch bei einem Taferlklassler eine Lesebrille das Mittel der Wahl. „Ich meine, dass man Kindern erst ab dem 12. Lebensjahr Kontaktlinsen verschreiben sollte“, ergänzt Obermayer.

Kopfweh beim Schreiben

Im Gegensatz zur altersbedingten, kann man die jugendliche Alterssichtigkeit – vor allem wenn sie rechtzeitig erkannt wird – behandeln. Aber auch sonst entwickelt sich die Sehstörung mitunter zum Positiven. „Manchmal gibt sich die Alterssichtigkeit bei Kindern, die eine Brille tragen, plötzlich wieder. Das heißt, sie verschwindet binnen drei bis fünf Jahren wieder – womöglich, weil der Muskel, von dem man annimmt, dass er die Fehlsichtigkeit verursacht, plötzlich wieder normal arbeitet“, erklärt der Augenfacharzt. Die Sehstörung kann aber auch bis zum Beginn der echten Alterssichtigkeit rund um den 45. Geburtstag andauern. „In diesem Fall muss die Person lebenslang eine Lesebrille tragen, die ab Mitte 40 stärker wird und bis zum 65. Lebensjahr einen Zusatz von drei Dioptrien erreicht.“ Von der Alterssichtigkeit sind so gut wie immer beide Augen – wenn auch nicht immer gleich stark – betroffen. „Es kann sein, dass eine Achtjährige auf dem rechten Auge wie eine 45-Jährige, auf dem linken wie eine 27-Jährige sieht“, veranschaulicht Obermayer.

Und wie äußert sich die Sehstörung im Alltag? „Die Kinder haben zum Beispiel Probleme, das an der Tafel Gelesene in ihr Heft zu übertragen, die Zeilen verschwimmen vor den Augen, sie bekommen Kopfschmerzen“, berichtet der Augenarzt. Nicht bei allen wird die Sehstörung allerdings augenfällig. „Bei manchen Kindern kann man die Alterssichtigkeit zwar messen, aber sie haben weder Kopfschmerzen noch sehen sie in die Nähe schlecht“, so Obermayer. „Wenn die Sehstörung keine Beschwerden verursacht, muss sie nicht unbedingt behandelt werden.“

Lange Zeit kaum bekannt

Bis vor rund 20 Jahren war die Alterssichtigkeit im Kindesalter – obwohl immer schon vorhanden – kaum bekannt. „Erst in den letzten 15 Jahren ist die Diagnose für Augenärzte und Orthoptisten (Therapeuten für Sehstörungen, Anm.) selbstverständlich“, erklärt Obermayer. Trotzdem erhalten noch viele eine falsche Diagnose. „Viele Kinder, die von der jugendlichen Alterssichtigkeit betroffen sind, werden als Legastheniker verkannt, also als Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche“, weiß der Augenfacharzt. „Sie haben vielleicht schon viele Stunden beim Logopäden zugebracht, ohne dass sich etwas verbessert hat. Setzt man dem betreffenden Kind dann eine Lesebrille auf, sind plötzlich alle Beschwerden wie weggeblasen.“

Problem wird oft übersehen

Wie kommt es, dass Sehstörungen im Kindesalter so häufig übersehen bzw. erst mit Schulbeginn erkannt werden? „Weil sie das schlechte Sehen von klein auf gewöhnt sind, äußern sich die Kinder diesbezüglich nicht. Sie haben ja, besonders wenn beide Augen davon gleichermaßen betroffen sind, keine Vergleichsmöglichkeit“, erklärt Obermayer. Im Kleinkind- und Vorschulalter sei etwa die jugendliche Alterssichtigkeit kaum störend. „Solange man beim Nahsehen nicht gefordert wird – und das wird ein Zwei-, Drei- oder Vierjähriger in der Regel nicht –, wird das Problem selten auffällig“, betont der Mediziner. „Erst ab Schulbeginn, wenn man beim Lesen, Rechnen oder Schreiben längere Zeit in die Nähe sehen muss, wird die Fehlsichtigkeit eklatant.“
Vorbeugen lässt sich der Entstehung einer Sehstörung nicht, man kann sie aber durch regelmäßige Kontrollen rechtzeitig erkennen und korrigieren. „Bis zum Schuleintritt sollte ein Kind jährlich augenärztlich untersucht werden,“ betont Dr. Obermayer die Wichtigkeit der Vorsorge.

In Sachen Augengesundheit

Aktion „Besser sehen“ an burgenländischen Schulen

Das Vorsorgebewusstsein für die Gesundheit der Augen schon bei Kindern zu schärfen, ist das Ziel der Initiative „Besser sehen“. „Im Rahmen dieser Aktion wollen wir heuer im gesamten Burgenland Informationsveranstaltungen durchführen“, betont der Initiator, der Augenfacharzt Dr. Wilfried Obermayer. „Dabei vermitteln wir den Kindern spielerisch, warum die Augengesundheit so wichtig ist.“ Zum Anschauungsunterricht zählt beispielsweise eine „Schlecht-Seh-Brille“. „Wir setzen den Kindern eine starke Brille auf, damit sie wissen, was schlechtes Sehen bedeutet“, erklärt Obermayer. Oder die Kinder überprüfen durch abwechselndes Abdecken der Augen deren Sehschärfe. Spezielle Informationspakete für Eltern und Lehrer runden das Präventionsprogramm ab. Die Aktion unter der ärztlichen Leitung von Wilfried Obermayer wird vom Land Burgenland und dem Landesschulrat getragen.

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