Bewegungsapparat & Sport

Knochen gebrochen

Die Wintermonate stellen eine ganz besondere Herausforderung für die Knochen dar. Denn bei einem Sturz auf vereisten Wegen oder auf der Skipiste wirken so starke Kräfte, dass selbst die gesündesten Knochen brechen können. Trotz starker Schmerzen und komplexer Verletzungen haben Knochenbrüche ausgezeichnete Chancen auf vollständige Heilung.

von Mag. Wolfgang Bauer

Mehr als 20.000 Österreicher verletzten sich im vergangenen Winter allein beim Skifahren und Snowboarden so schwer, dass sie in einem Krankenhaus versorgt werden mussten. Und bei rund der Hälfte der Verletzungen handelte es sich laut Kuratorium für Verkehrssicherheit um Knochenbrüche, in der Fachsprache Frakturen genannt. Dazu kommen noch 4300 Verletzte beim Eislaufen und 1200 Verletzte beim Rodeln: Von diesen Patienten erlitten sogar 60 Prozent einen Knochenbruch. Hinzu kommen Knochenbrüche nach Stürzen auf vereisten Wegen und Gehsteigen.
Einer, der in dieser Jahreszeit alle Hände voll zu tun hat, um solche Verletzungen zu versorgen, ist Prim. Dr. Manfred Mittermair, Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Kardinal Schwarzenberg Klinikum in Schwarzach im Salzburger Pongau. Das zweitgrößte Spital des Bundeslands liegt in unmittelbarer Nähe großer Skigebiete. „Wir sind mit der gesamten Palette an Brüchen konfrontiert, diese reicht von Frakturen des Schien- oder Wadenbeins über Brüche des Oberschenkels und des Handgelenks bis zu Rippenbrüchen“, so der Unfallchirurg. Die Unfälle bei der Ausübung der genannten Sportarten sind es auch, die zwischen Weihnachten und Ostern die Zahl der täglich zu versorgenden Verletzungen in dieser Klinik hochschnellen lassen, auf bis zu 150 an Spitzentagen. Wobei auch die Unfälle auf der Straße, im Haushalt und am Arbeitsplatz miteingerechnet sind.

Gut zu diagnostizieren

Apropos Unfälle: Vor allem sie sind schuld daran, wenn Knochen brechen, doch es gibt auch das Phänomen eines Ermüdungsbruches, bei dem ein Knochen ganz ohne Unfallgeschehen zu Bruch geht. Während unsere Knochen kleinere Belastungen bzw. Stöße aufgrund ihrer Elastizität locker wegstecken, kommen bei einem Sturz auf der Skipiste oder der Rodelbahn so starke Kräfte zum Tragen, dass selbst der stärkste Knochen am Bein oder am Unterarm brechen kann. Vor allem, wenn man mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist. Wenn jemand – wie etwa ein Arbeiter am Bau – aus großer Höhe stürzt, kann ein Knochen sogar in mehrere Teile zerbrechen. Man spricht dann von einem Trümmerbruch. „Häufig zu sehen sind auch Querfrakturen, also quer durch den Knochen verlaufende Brüche oder Drehbrüche, etwa am Schienbein, wenn zum Beispiel jemand beim Skifahren verkantet“, so Mittermair.
Bricht ein Knochen, so sind auch die Weichteile in seinem Umfeld mitbetroffen, also die Muskeln, das Fett- und Bindegewebe. Auch um dieses Gewebe müssen sich Unfallchirurgen kümmern, wenn Knochenbrüche behandelt werden. Denn bei Infektionen dieses Gewebes kann sich die Heilung einer Fraktur verzögern. Bei einem offenen Weichteilschaden – meist eine Folge enormer Gewalteinwirkung wie bei einem Verkehrsunfall – ist der gebrochene Knochen sogar sichtbar.
Ein Knochenbruch ist meist gut zu diagnostizieren. Die Verunfallten haben starke Schmerzen, können den betroffenen Arm oder das Bein nicht belasten. Eindeutig präsentiert sich ein Bruch, wenn der gebrochene Knochen weg steht oder die betroffenen Gliedmaßen eine abnormale Stellung aufweisen. Schwieriger und oft nur mit Hilfe bildgebender Verfahren, wie einem Röntgen oder der Computertomografie zu diagnostizieren ist ein Ermüdungsbruch, zu dem es häufig nach langen, monotonen Belastungen, etwa während Dauerläufen oder langen Märschen von Soldaten kommt.

Gips oder Nagel

Frakturen können konservativ oder operativ behandelt werden. Die klassische konservative Methode ist ein Gipsverband, der die Gliedmaßen ruhig stellt. „Ein Gipsverband kommt vor allem dann in Frage, wenn der gebrochene Knochen nicht verschoben ist“, sagt Mittermair. Auch spezielle Schienen werden in solchen Fällen verwendet. Ist ein gebrochener Knochen verschoben, muss er wieder in die richtige Position gebracht werden. Danach folgen Gips oder Schiene. Kompliziertere Brüche wie Trümmerbrüche werden operativ behandelt, dabei kommen auch Nägel, Schrauben, Platten und Drähte zum Einsatz, um den Knochen wieder in richtige Position zu bringen. Gebrochene Rippen werden zumeist weder gegipst noch geschient oder operiert, sie heilen von alleine wieder. Bei einem nicht verschobenen Zehenbruch wiederum wird die betroffene Zehe häufig mit einem Verband an der Nachbarzehe fixiert.

Wie Brüche heilen
Sind die Bruchstellen nicht verschoben oder wieder ordentlich zusammengefügt (etwa durch eine Operation), dann heilt ein Knochenbruch quasi von selbst, indem die beiden Knochenenden aufgrund innerer Prozesse wieder verwachsen. Passen die gebrochenen Knochenenden weniger gut zusammen, kommt ein ganz bestimmter körpereigener Prozess in Gang: An den Bruchstellen bildet sich der Kallus, das ist Knochengewebe mit geringerer Festigkeit und unregelmäßiger Oberfläche. Dadurch wird das Umfeld der Bruchstelle zunächst einmal dicker. Diese Verdickung wird aber wieder allmählich durch die Knochen abbauenden Zellen, die Osteoklasten, verflacht und durch feste Knochenanteile ersetzt. Eine Selbstmodellierung sozusagen. Ein Knochenbruch heilt im Allgemeinen wieder vollständig aus, der Knochen ist danach wieder vollständig belastbar.
Wie lange der Heilungsprozess dauert, hängt unter anderem von der Art und Schwere der Verletzung ab. Einfache Brüche heilen rascher als komplizierte. Wie bereits erwähnt, können auch Infektionen der Weichteile oder zusätzliche Schäden an Knorpeln oder Bändern den Heilungsprozess verzögern sowie die Prognose verschlechtern. „Im Schnitt dauert die Heilung eines Knochenbruches um die drei Monate“, sagt Mittermair.

Lässt sich Heilung beschleunigen?

Dass man die Heilung durch bestimmte Ernährung oder andere Methoden beschleunigen könnte, hält er für einen Mythos. Es sei denn, jemand leidet an einem eklatanten Mangel an Vitamin D, der dann durch gezielte Vitaminzufuhr behoben werden muss. Regelmäßiger Nikotin- und Alkoholkonsum können den Heilungsprozess verlangsamen.
Übrigens: gebrochene Knochen von Spitzensportlern heilen nicht schneller. Warum sind sie dann in der Lage, relativ bald nach einer Verletzung ihren Profisport wieder auszuüben? „Weil sie unmittelbar nach der Verletzung ein umfangreiches Programm an Rehabilitationsmaßnahmen erhalten, um möglichst rasch und mit Risiko wieder den Kampf um Meter und Sekunden aufnehmen zu können“, sagt Mittermair.

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Knochen – ein lebendiges Gebilde

Das menschliche Skelett besteht aus mehr als 200 Knochen. Sie machen etwa zehn bis 15 Prozent des Körpergewichts aus. Der kleinste Knochen ist nur wenige Millimeter groß, es ist der Steigbügel im Ohr. Der Oberschenkelknochen ist mit einer Länge von etwa einem halben Meter der größte.
Knochen sind wesentliche Teile des menschlichen Stütz- und Bewegungsapparates, sie dienen aber auch dem Schutz von Organen – so schützt etwa der Brustkorb das Herz oder die Lunge. Knochen sind lebendiges Gewebe, außen von einer Haut, der Knochenhaut (Periost) und einer Rinde umgeben. Innen sind sie durchblutetes Gewebe, das sich durch die Arbeit Knochen bildender und Knochen abbauender Zellen (Osteoblasten und Osteoklasten) ständig im Umbau befindet.
Nimmt der Knochenabbau überhand, verliert ein Knochen mit der Zeit an Masse und Dichte – man spricht von Osteoporose, von der vor allem ältere Menschen betroffen sind. Knochen mit geringer Dichte können besonders leicht brechen, oft genügt bereits ein Sturz aus geringer Höhe.
Die Knochen von Kindern sind vergleichsweise elastisch und dehnbar. Kommt es bei Kindern zu einem Knochenbruch, so handelt es sich häufig um einen Biegungsbruch, der an einer Seite einreißt – als ob ein Ast aus weichem Holz geknickt wird. Daher die Bezeichnung „Grünholzbruch“ bei Frakturen im Kindesalter.

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Erste Hilfe bei Knochenbrüchen

Wer auf einen Verunglückten mit einem Knochenbruch trifft, ist verpflichtet Erste Hilfe zu leisten. Das bedeutet:

  • Den Patienten nicht alleine lassen
  • Die Unfallstelle – etwa auf einer Skipiste – absichern
  • Die Rettungskräfte verständigen
  • Dem Patienten keine unnötigen Schmerzen bereiten – ein Knochenbruch darf nicht eingerenkt oder sonst wie behandelt werden – solche Maßnahmen sind den Rettungsdiensten zu überlassen
  • Dem Patienten helfen eine möglichst schmerzfreie Schonhaltung einzunehmen
  • Den Patienten unterstützen sich möglichst schonend auf eine Aludecke zu legen, damit er – etwa auf vereistem Untergrund – keine Unterkühlung erleidet
  • Wenn möglich, den Bereich des Bruches auf weiches Material (Kleidungsstück, Decke) lagern

Foto: iStock, izusek

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