Bewegungsapparat & Sport

Raus ins Freie

Wer in freier Natur sportelt, kann sich über besonders viele gesunde Effekte freuen: Allein das Tageslicht wirkt wie eine Gute-Laune-Dusche, die frische Luft stärkt die Abwehrkräfte und auch unsere Sinne werden stimuliert. Ob in Park, Wald oder auf der Wiese: Machen Sie die Natur öfters zu Ihrem Fitnessstudio!

von Mag. Alexandra Wimmer

Samstagfrüh im Donaupark: Eine Gruppe von elf Frauen und Männern trabt gut gelaunt durchs Gelände. Bei den regelmäßigen Zwischenstopps absolvieren sie unter Anleitung ihrer Trainerin, Mag. Béatrice Drach-Schauer, diverse Kraftübungen. Die Trainingsgeräte? Parkbänke, Bäume, Stiegen, Gummibänder. „Für viele Übungen, die den Körper gut trainieren, braucht man kaum Ausrüstung“, freut sich Drach-Schauer, die unter anderem als Personal Trainerin, Laufinstruktorin und Pilates Coach aktiv ist. „Wir laufen zum Beispiel die Stufen schnell hinauf und langsam wieder hinunter.“ Dabei kommen die Sportler ordentlich ins Schnaufen – das perfekte Training für das Herz-Kreislauf-System. Danach geht es im gemütlichen Laufschritt weiter – bis zur nächsten Kraftübung. „Wir sind ständig in Bewegung, sodass die ganze Zeit Körperfett verbrannt wird“, erklärt die Trainerin den Ablauf ihres 60-minütigen „Bootcamps“.

Kraft (aus) der Mitte

Bei den Übungen für den Muskelaufbau legt Drach-Schauer den Fokus auf die Stärkung   der Körpermitte (= engl. core). Dadurch wird nicht nur die Haltung verbessert und Rückenschmerzen vorgebeugt. „Mit einer stabilen, starken Körpermitte tut man sich bei allen Sportarten leichter“, nennt die Expertin einen weiteren Grund. Beim Laufen schlenkert man dann weniger mit dem Oberkörper, die Lendenwirbelsäule wird nicht überbeansprucht. Liegestütze an Parkbänken, Ausfallschritte und Kniebeugen sind ein einfaches und wirkungsvolles Core-Training. „Außerdem stärken wir die Armmuskulatur durch Unterarm- und Seitenarmstütze“, ergänzt Drach-Schauer. Eine weitere Möglichkeit, die Rumpfstabilität effektiv zu trainieren: das Training mit dem Schlingenseil. „Dieses großartige Fitnessgerät kann an jedem Baum befestigt werden, an Laternenmasten oder Gerüsten auf Spielplätzen.“ Neben Ganzkörperübungen lassen sich damit diverse Yoga- und Pilatesübungen durchführen.

Muskeln dank Fitnessparcours

Eine tolle Möglichkeit, Ausdauer- und Krafttraining zu kombinieren, bieten österreichweit Fitnessparcours, die derzeit wieder im Kommen sind: An verschiedenen Stationen im Gelände werden Kraft, Koordination und Geschicklichkeit trainiert. Die Kombination von Ausdauer- und Kraftsport ist schließlich auch für Outdoor-Sportler wichtig. „Krafttraining führt zu einer hohen Spannung und zur Verdickung der Muskelfasern“, informiert Dr. Ronald Ecker, Allgemein- und Sportmediziner im oberösterreichischen Marchtrenk. „Dadurch steigen die Qualität und Quantität des Knochenwachstums.“ Je älter man wird, umso wichtiger wird das Krafttraining – auch, um einer Osteoporose vorzubeugen.

Licht hebt die Laune

Neben Muskeln und Ausdauer stärkt Outdoor-Sport die Abwehrkräfte: Das Training bei jedem Wetter hilft dem Organismus, sich besser an die unterschiedlichen Temperaturverhältnisse zu adaptieren. Studien belegen außerdem: Nach einem moderaten Training fühlt man sich frischer und wacher als davor.
Besonders hervorzuheben sei der wohltuende Einfluss von Tageslicht, betont der Linzer Sportwissenschafter und Sportpsychologe MMag. Gernot Schauer. „Man weiß, dass die natürlichen Lichteinflüsse eine Prävention in Bezug auf die psychische Gesundheit darstellen“, präzisiert er. Der Sonneneinfluss sei „zumindest als starke Depressionsvorkehrung“ zu bezeichnen. Durch das Sporteln im Freien lässt sich depressiven Störungsbildern nicht nur vorbeugen, sie können damit – in Kombination mit anderen Therapien – behandelt werden. „Für die Psyche ist es auch großartig, den Verlauf der Jahreszeiten mitzubekommen“, ergänzt Drach-Schauer.
UV-Licht regt außerdem die Bildung von Vitamin D im Körper an. Das „Sonnenvitamin“ benötigen wir unter anderem für die Einlagerung von Kalzium im Knochen und um uns vital zu fühlen. „Man weiß, dass ein Vitamin D-Mangel zu Niedergeschlagenheit oder Müdigkeit führen kann“, berichtet Schauer. Bei Aktivität steigt zudem über die Ausschüttung von Serotonin, dem „Gute-Laune-Hormon“, die Stimmung.

„Om” im Sonnenschein

Sporteln in freier Natur ist ein wohltuender Ausgleich zum „getakteten“ Alltag und fördert ein Gefühl von Ganzheitlichkeit – ein Zustand, nach dem sich immer mehr Menschen im hektischen, zunehmend virtuellen Alltag sehnen. „Wenn wir uns draußen bewegen, fühlen wir uns glücklich und haben eine wohltuende Abwechslung zum Alltag im Büro und zuhause“, beobachtet Ecker.
Sobald es wärmer wird, werden auch Entspannungstechniken wie Yoga und Pilates vermehrt im Freien praktiziert. Immer mehr Menschen erfahren durch kontrolliert ausgeführte Bewegungsabläufe und bewusstes Atmen Ruhe und Konzentration. „Durch die Verbundenheit mit der Natur wird der meditative Aspekt von Yoga zusätzlich intensiviert“, ist Sportpsychologe Schauer überzeugt. Obendrein  trainiert man mit Yoga und Pilates Gleichgewicht, Koordination und Beweglichkeit.

Training für die Sinne

Daneben empfiehlt sich achtsames Gehen – ob in Schuhen oder barfuß, mit geschlossenen oder geöffneten Augen, in der Wiese oder im Wald – zur Zentrierung und zum effektiven Stressabbau: Bei jedem Schritt massieren Gras, Wurzeln und weiches Moos die Fußflächen, man hört die Bienen summen und der Wind streichelt das Gesicht – ein Genuss von Kopf bis Fuß.
Überhaupt stimuliert das Training im Freien alle Sinne. Wenn man anstatt auf weiße Wände in entspannendes Grün blickt, ist dies auch für überanstrengte Augen eine Wohltat.    ‘
„Am Strand Yoga zu praktizieren und dabei das Rauschen des Meeres zu hören, im Wald zu laufen und die Waldluft zu riechen – das intensiviert das Sporterlebnis beträchtlich“, ergänzt Schauer. „Diese Verbundenheit mit den Elementen der Natur stärkt auch unsere Psyche.“ Außerdem gewinnt man in der freien Natur eine wohltuende Distanz zu alltäglichen Problemen und kann besser abschalten. Speziell das Klima im Wald – das Grün der Bäume, Licht und Schatten, die Luft, der Geruch von Waldboden und Blättern – wirkt beruhigend und fördert einen meditativen Zustand.

Balancieren zwischen Bäumen

Ein Trend, besonders unter Jugendlichen ist das Balancieren auf einem – meist zwischen Bäumen – gespannten Band, der Slackline. Es trainiert neben Fußgelenken und -muskulatur das Gleichgewicht, die Koordination und stärkt die Körperbeherrschung. Auch älteren Semestern legen die Experten das vielseitige Training – unter anderem als wirkungsvolle Sturzprophylaxe – ans Herz.
Apropos: Für Herz-Kreislauf-System und Stoffwechsel empfiehlt sich ganz besonders der Laufsport, betont Sportmediziner Ecker, der sich selbst als „Verfechter des Laufens“ bezeichnet. Was zu beachten ist: Auf Asphalt sollte man zum Schutz der Gelenke nur in gut gedämpften Schuhen laufen. Auf Waldboden kann barfuß gelaufen werden – ein solches Lauftraining gilt als optimal: Durch das ständige Austarieren der Unebenheiten beim Barfußlaufen werden die Sensomotorik und die Stabilität der Fuß- und Sprunggelenke geschult.
Nicht zuletzt stellt sich beim Outdoor-Sport ein Gefühl von Freiheit ein. Dieses wissen auch die Läuferinnen und Läufer im Wiener Donaupark zu schätzen. Sie haben sich inzwischen vor dem Donauturm zum abschließenden Dehnen versammelt. „Ein tiefer Ausfallschritt, bei dem man das Becken leicht nach vorne kippt und die Arme über den Kopf hebt, dehnt wunderbar“, erklärt Trainerin Drach-Schauer und verabschiedet sich kurz darauf von der Gruppe: „Bis Montag im Stadtpark!“

Atmung als Taktgeber

Mit der Atmung gelangt Sauerstoff in den Körper, Kohlendioxid wird abgeführt“, betont der Allgemein- und Sportmediziner Dr. Ronald Ecker. „Durch das Abatmen von Kohlendioxid geht Säure aus dem Körper hinaus.” Nicht nur bei sanften Trainingsmethoden wie Yoga und Pilates steht die richtige Atmung im Fokus.  Beim Laufsport spielt sie auch als Taktgeber eine tragende Rolle.

Foto: iStock, zoranm

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