Bewegungsapparat & Sport

Schwimmen, Reiten, Klettern

Was haben gymnastische Übungen im Wasser, das Reiten auf einem Pferd oder das Klettern in einer Wand gemeinsam? Diese Bewegungen lindern körperliche Beschwerden, steigern das psychische Wohlbefinden, trainieren das Gehirn und fördern die Persönlichkeit.

Von Mag. Wolfgang Bauer

Viele fragen sich: Gibt es Sportarten, durch die Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination in einem gefördert werden? Diese Sportarten gibt es: Man muss sich nur ins brusttiefe Wasser begeben und eine spezielle Gymnastik machen. Oder auf dem Rücken eines Pferdes reiten oder eine Wand hochklettern. Bei jeder dieser Bewegungsarten ist der ganze Körper gefordert, es wird die Ausdauer trainiert, die Muskulatur gekräftigt, und man wird beweglicher. Nicht vergessen sollte man, dass man dadurch auch geistig fitter wird, das psychische Wohlbefinden profitiert ebenfalls. Mit einem Wort: Wir haben es mit ganzheitlichen Wirkungen zu tun. Weil man diese bei bestimmten gesundheitlichen Beschwerden gezielt zur Linderung einsetzen kann, kann man diese Bewegungsarten auch als Therapeutikum nutzen.

Warum Bewegung im Wasser gesund ist

Wasser weist physikalische Eigenschaften auf, die ein umfassendes Training ermöglichen. Gemeint ist allerdings nicht der Schwimmsport, vielmehr geht es um gymnastische Übungen, die man im Wasser stehend absolviert und deren Wirkungen sich etwa der Trendsport Aquafitness oder die Unterwassertherapie zunutze machen.
Da ist zunächst einmal der Auftrieb zu nennen. Im Wasser verliert man rund 90 Prozent seines Gewichts, man fühlt sich nahezu schwerelos. Bei Bewegungen im Wasser muss man sich allerdings mehr anstrengen als bei einer vergleichbaren Bewegung am Land. Der Grund: Im Wasser wirkt ein höherer Widerstand, da die Dichte des Wassers größer ist als die der Luft. Es handelt sich aber um einen Widerstand, der stark macht. „Wer im brusttiefen Wasser bestimmte Übungen mit den Armen oder Beinen macht, muss mehr Kraft aufwenden als im Freien bei derselben Übung. Das stärkt die Muskulatur“, so Dr. Josef Sturm, Leiter der Therapie im Medizinischen Zentrum Bad Vigaun in Salzburg.

Therapie unter Wasser

Die genannten Eigenschaften des Wassers machen dieses Medium in der orthopädischen Rehabilitation unverzichtbar, sagt Sturm. „Durch den Auftrieb können im Wasser Bewegungen mit geringeren Belastungen für die Gelenke und dadurch mit weniger Schmerzen ausgeführt werden.” Was besonders nach Verletzungen oder Operationen am Knie, an der Hüfte oder an der Schulter wichtig ist. Denn unter Wasser kann man auf schonende Art und Weise die Beweglichkeit eines verletzten oder operierten Gelenks verbessern. Der Widerstand des Wassers macht es darüber hinaus möglich, dass man mit gezielten Bewegungen die Muskulatur rund um ein Gelenk aufbauen kann. Utensilien wie Wasserhandschuhe, Bälle, Stäbe, Hanteln oder Schwimmnudeln verstärken den Trainingseffekt, indem sie bei Bewegungen den Widerstand erhöhen.
Noch etwas ist wichtig: Weil die Bewegungen unter Wasser langsam ablaufen, kann man die Bewegungswahrnehmung schulen und die Koordination und die Bewegungsabläufe verbessern.

Warum Reiten gesund ist

Während man die Eigenschaften des Wassers ohne Grundkenntnisse nutzen kann, muss man sich das Reiten erst aneignen. Gerade für Anfänger sind der Kontakt zum Tier, die Art der Bewegung und deren Belastungen neu. Reiten fordert nämlich den gesamten Körper, so wird besonders die Muskulatur des Rückens und des Beckenbodens beansprucht und natürlich auch entsprechend gekräftigt. Reiten kommt aber auch dem Gleichgewichtssinn und der Beweglichkeit zugute. Und nicht zu vergessen: Reiten tut der Seele gut, baut Stress ab. Der Kontakt zum Pferd hat außerdem überaus positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Persönlichkeit.

Therapeutisches Reiten

Diese Eigenschaften des Reitens macht sich die sogenannte Hippotherapie zunutze.  „Das ist eine spezielle physiotherapeutische und tiergestützte Methode, die bei Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems und des Bewegungsapparates angezeigt ist“, sagt Dr. Eva Bachinger, Fachärztin für Labordiagnostik sowie Arbeitsmedizinerin in Wien. Darüber hinaus ist sie Präsidentin des Österreichischen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten. Hippotherapie kommt z.B. nach einem Schlaganfall, bei Multipler Sklerose oder bei Muskelerkrankungen zum Einsatz. Sie wird ärztlich verordnet und von Physiotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung durchgeführt. Diese führen das Pferd mit dem Reiter, das Pferd muss ebenfalls eine spezielle Ausbildung hinter sich haben. So muss es sich ruhig verhalten, wenn ein Patient mit einem Rollstuhl vorfährt und mit Hilfe eines Lifts aufsteigt. Das Pferd geht während der Therapie im Schritt, durch die Rückenbewegung des Pferdes werden ganz bestimmte dreidimensionale Schwingungsimpulse auf das Becken der Patienten übertragen. Diese werden dadurch beweglicher, auch die Muskulatur profitiert. „Wer im Rollstuhl sitzen muss, läuft Gefahr, dass Muskeln verkümmern. Die Hippotherapie kann dem entgegenwirken“, ist Bachinger überzeugt. Umgekehrt werden allzu stark angespannte Muskeln beim Reiten gelockert.
Eine andere Spielart des Therapeutischen Reitens ist die Heilpädagogische und Therapeutische Förderung mit dem Pferd. Sie kommt bei psychiatrischen Erkrankungen zum Einsatz, bei Verhaltensauffälligkeiten, bei Teilleistungsschwächen, geistigen Beeinträchtigungen und anderen psychischen Problemen – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Ziel dieser Therapie ist die Entwicklung der Persönlichkeit und die Stärkung des Sozialverhaltens, wobei die Beziehung zum Pferd und zum Therapeuten von Bedeutung ist. Eine große Rolle spielt dabei der direkte Kontakt der Patienten zum Pferd. Das Tier wird von den Patienten zumeist auch gepflegt, Arbeiten im Stall gehšren ebenfalls zum therapeutischen Konzept.
Im Bereich des Therapeutischen Reitens gibt es schließlich noch das Integrative Reiten für Menschen mit körperlichen und geistigen Sinnesbehinderungen, die sich trotz Handicap sportlich betätigen möchten. Die Ergotherapie mit Pferd wiederum bewirkt eine Verbesserung der Selbständigkeit im Alltag.

Warum Klettern gesund ist

Klettern ist ebenfalls eine Bewegungsform mit ganzheitlichen Wirkungen. Fast jeder Muskel ist im Einsatz, wenn man versucht, in einer Wand nach oben zu gelangen. Kraft ist dabei eine ebenso wichtige Komponente wie Ausdauer. Und um zu verhindern, dass man abstürzt, sind auch der Gleichgewichtssinn, die Konzentrationsfähigkeit und die koordinativen Fähigkeiten permanent gefordert. Das Selbstvertrauen kommt ebenfalls nicht zu kurz, es steigt vor allem dann, wenn man eine Route geschafft hat. Besonders wichtig: „Klettern tut der Körperhaltung gut, man erlangt eine entsprechende Haltungskontrolle“, sagt Dr. Günther Straub, Facharzt für Unfallchirurgie und Sportarzt in Linz. „Viele Menschen weisen Fehlhaltungen auf, haben muskuläre Dysbalancen, der Kopf ist zu weit nach vorne gebeugt, auch die Schultern hängen bei vielen nach vorne.“ Beim Klettern erfolgt automatisch eine Korrektur, da muss man gerade stehen und den Brustkorb und die Arme öffnen, um entsprechend greifen zu können. Klettern kann man ganz gezielt als Therapie einsetzen, etwa bei unspezifischen Rückenschmerzen, zum Muskelaufbau nach Operationen an Gelenken, zur Schulung der Koordination bei neurologischen Problemen usw.

Therapeutisches Klettern

Aber ist Klettern nicht gefährlich? Nun, wer aus therapeutischen Gründen klettert, erklimmt keine Alpenwände, sondern bewegt sich unter Anleitung eines speziell ausgebildeten Physiotherapeuten in der Kletterwand einer Halle. Und zwar in Absprunghöhe, das ist ein bis eineinhalb Meter über dem Boden, der mit einer dicken Schaumstoffmatte ausgestattet ist. Denn die Verwendung eines Seils ist beim therapeutischen Klettern aufgrund der geringen Höhe nicht üblich. Häufig gibt der Therapeut die Griffe und Tritte vor, die ein Patient benutzen soll – je nach Beschwerdebild bzw. Indikation. Die Kletterstrecke kann auch spielerisch bewältigt werden. So kann man zum Beispiel die Griffe an der Wand mit Buchstaben versehen, und es geht für einen Patienten dann darum, von einem Buchstaben zum nächsten zu klettern, bis man alle Buchstaben des eigenen Vornamens beisammen hat. Dabei vergessen die Klienten häufig, dass sie sich in einer therapeutischen Situation befinden und klettern unbefangen drauf los. Weil man beim Klettern auch mental gefordert ist und entsprechend vorausschauen muss, profitiert außerdem   das Gehirn von diesem Sport. „Wir wissen, dass Schulkinder, die klettern, im Durchschnitt bessere Noten haben als ihre Klassenkameraden, die keinen Sport machen“, sagt Straub. So gesehen ist Klettern nicht nur gesund, sondern auch pädagogisch wertvoll.

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Österreich schwimmt

„Welche Sportarten betreiben Sie zumindest gelegentlich?“ Das fragte die digitale Markt- und Meinungsforschung „marketagent“ knapp über tausend Österreicher im Alter zwischen 14 und 69 Jahren. Das Ergebnis: 58 Prozent nannten das Schwimmen, 47 Prozent das Radfahren und Mountainbiken, 41 Prozent das Wandern und Bergsteigen, 33 Prozent das Joggen und Laufen, 29 Prozent das Skifahren.
Aquafitness kommt in der Liste nicht vor, herkömmliche Gymnastik nannten aber 20 Prozent der Befragten als Sport, den sie gelegentlich betreiben, Klettern sieben Prozent, Reiten fünf Prozent.

Foto: iStock, sturti

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