Herbstzeit ist Wanderzeit – und die Österreicherinnen und Österreicher marschieren begeistert los, wenn der Berg ruft. Leider kommen nicht alle gesund zurück. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit endet der Ausflug in die Höhe hierzulande für mehr als 7000 Menschen pro Jahr im Spital. Ob Knöchel, Knie, Herz oder Haut: MEDIZIN POPULÄR zeigt die wunden Punkte der Wanderer auf und gibt Tipps für ein sicheres und rundum gesundes Bergerlebnis.
Von Mag. Sabine Stehrer
Wunder Punkt 1
Fuß & Knöchel
Der Weg ist nass, mit Schotter bedeckt oder Wurzeln durchzogen: Da kann man ausrutschen, stolpern, aus dem Gleichgewicht geraten, umknicken, hinfallen. Auf dieses Szenario gehen die weitaus meisten Verletzungen bei Unfällen in den Bergen zurück. Die besonders wunden Punkte bei den Beinahe-Stürzen und tatsächlichen Stürzen sind Füße und Knöchel. Durch Umknicken bzw. einen Sturz kann es zu Prellungen, Verstauchungen, Sehnenrissen und Brüchen kommen.
Ist es zu einer Verletzung gekommen, empfiehlt es sich, „diese zu kühlen, das Bein hochzulagern und nach etwa 20 Minuten einen festen Verband anzulegen“, sagt Dr. Andrea Podolsky, Leiterin des Instituts für Präventiv- und angewandte Sportmedizin am Landesklinikum Krems. „Dann kann man versuchen, den Weg fortzusetzen.“ Gelingt das nicht, lagert man das verletzte Bein wieder hoch und holt Hilfe.
Viele dieser Unfälle müssten nicht sein: „Vorbeugen kann man Verletzungen von Füßen und Knöcheln, indem man einerseits das Gehen und Laufen in unebenem Gelände trainiert und andererseits knöchelhohe Bergschuhe mit rutschfester Sohle trägt“, so Sportmedizinerin Podolsky.
Wunder Punkt 2
Knie
„Vor allem das Bergab-Gehen belastet die Knie stark und kann zu schmerzhaften Überlastungserscheinungen führen, also zu Schmerzen und Schwellungen der Knie“, sagt Podolsky. Die Probleme können schon beim Gehen auftreten oder auch erst nach ein paar Tagen – und meistens verschwinden sie nach einiger Zeit von selbst. Weit Schlimmeres freilich droht, wenn man beim Bergabgehen stolpert oder gar stürzt: Denn das kann zu Verletzungen von Sehnen, Bändern oder dem Meniskus führen und mitunter langwierige ärztliche Behandlungen nach sich ziehen.
„Schützen kann man die Knie beim Wandern bis zu einem gewissen Grad durch die Verwendung von Wanderstöcken“, sagt Podolsky. Oder man sucht sich eine Route aus, auf der man nur bergauf geht und bergab fährt.
Wunder Punkt 3
Ellbogen & Schulter
Der Weg ist hart, und es passiert: Man fällt, und im Fallen versucht jeder Mensch instinktiv, den Kopf mit dem Arm zu schützen. „Beim Aufprall des Arms auf den Boden kann es zu Ellbogen- und Schulterverletzungen kommen.“ Die Palette dieser Blessuren reicht von Prellungen und Verstauchungen über Knorpel- und Schleimbeutelrisse bis hin zum Auskugeln der Gelenke und zu Knochenbrüchen.
Hat man sich verletzt und ist man in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt, empfiehlt es sich, den Arm mit einem Dreieckstuch zu stabilisieren und so rasch wie möglich ärztliche Hilfe zu suchen.
Wunder Punkt 4
Herz- und Kreislaufsystem
Ein anstrengender Aufstieg, womöglich noch bei Hitze: „Unter diesen Bedingungen können Wanderer und Bergsteiger Probleme mit dem Kreislauf bekommen, die sich als Schwindel, Schwäche oder Unwohlsein äußern“, sagt Podolsky. „Die Gründe dafür sind unterschiedlich.“ Zu wenig Flüssigkeit und eine schlechte Kondition sind meist die Ursachen für Kreislaufprobleme beim Wandern.
Ist einem schwindlig, fühlt man sich schwach oder unwohl, „sollte man eine Pause einlegen, Wasser oder verdünnten Saft trinken und eventuell eine Kleinigkeit essen“, sagt Podolsky. Tritt keine Besserung ein, gilt es umzukehren oder Hilfe zu rufen.
Verhindern lassen sich solche Probleme, indem man sich nicht zu viel zumutet. Jeder Wanderer und Bergsteiger sollte vermeiden, sich an fitteren Begleitern zu orientieren, sein persönliches Tempo finden und in diesem Tempo gehen. Podolsky: „Langsam, aber kontinuierlich zu gehen, ist besser und weniger anstrengend als häufig zu rasten.“
Wunder Punkt 5
Haut
Abschürfungen, Sonnenbrand, Blasen: Auch die Haut zählt zu den wunden Punkten der Wanderer und Bergsteiger. Hat man einen Sonnenbrand, empfiehlt Podolsky, ein After-Sun-Produkt auf die Haut aufzutragen. Bei Hautabschürfungen desinfiziert man die Wunde und deckt sie mit einem Pflaster oder Verband ab. Sind Steine, Splitter oder Erde in die Wunde geraten, die man selbst nicht entfernen kann, sollte man die Wunde nach dem Ausflug vom Arzt säubern lassen. Podolsky: „Haben sich Blasen gebildet, deckt man diese idealerweise mit einem Blasenpflaster ab.“
Vorbeugen kann man der Blasenbildung, „durch das Tragen von gut passenden Bergschuhen und Bergsocken“, so die Ärztin. „Auf Druckstellen, die von früheren Wanderungen bekannt sind, kann man vorsorglich ein Blasenpflaster geben.“ Vor Abschürfungen schützt Kleidung, die die Haut bedeckt. Lange Ärmel und Hosen, Sonnenbrillen sowie das Auftragen von Sonnencremen bewahren zudem vor Sonnenschäden.
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Alpin-Notruf 140
Über die gebührenfreie Notrufnummer 140 erreicht man in Österreich rund um die Uhr die Bergrettung. International hat der Alpin-Notruf die Nummer 112.
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Erste Hilfe beim Wandern:
Das brauchen Sie
- Desinfektionsmittel und Wundreinigungstücher
- Pflaster
- Blasenpflaster
- Sterile Wundauflage, Momentverband
- Einweghandschuhe
- Dreiecktuch, elastische Binde
- Klebeband
- Pinzette zum Entfernen von kleinen Steinen, Splittern oder Zecken
- Aludecke zum Wärmen
- Trillerpfeife, um Retter auf sich aufmerksam machen zu können
- Eventuell weitere diesbezügliche Hilfsmittel wie starke Taschenlampen oder Leuchtraketen
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Interview
„Sie muten sich zu viel zu“
Ein Bergretter über die häufigsten Unfallursachen
Bernd Tritscher, Ortsstellenleiter der Bergrettung in Saalfelden, schildert im Gespräch mit MEDIZIN POPULÄR, woran es liegt, dass in den Bergen so viele Unfälle geschehen.
MEDIZIN POPULÄR: Herr Tritscher, wie oft mussten Sie im letzten Jahr Wanderer bergen, die in Sandalen unterwegs waren?
Bernd Tritscher: Kaum, mangelnde Ausrüstung ist heute nicht mehr das Problem. Die Leute sind meistens tipptopp ausgestattet.
Woran liegt es dann, dass so viele Unfälle passieren?
Die Hauptprobleme der meisten Wanderer und Bergsteiger, die in Gefahr geraten, sind Selbstüberschätzung und mangelnde Kondition. Sie muten sich oft zu viel zu. So kommt es zu Schwächeanfällen, und das Unglück nimmt seinen Lauf.
Warum überschätzen sich Ihrer Meinung nach die Leute?
Viele nehmen sich nicht die Zeit, sich auf die Wanderung oder die Tour konditionell vorzubereiten. Und dann suchen sich die Leute im Internet Berichte über die Touren, die sie machen möchten, und bedenken nicht, dass derjenige, der die Berichte geschrieben hat, möglicherweise viel fitter ist als sie.
Welche Fehler machen Wanderer und Bergsteiger noch?
Viele planen die Tour unzulänglich und brechen zu spät auf. Vor allem im Sommer, aber mitunter auch noch an heißen Herbsttagen wird oft die Gefahr durch hohe Mittagstemperaturen unterschätzt. Die Kombination aus Hitze und schlechter Kondition kann schnell zu Kreislaufproblemen führen. Oder man ist durch das späte Aufbrechen nachmittags noch unterwegs, wird von einem Gewitter überrascht und gerät so in eine gefährliche Situation.
Foto: iStock, DieterMeyrl