Weil man Bluthochdruck, Herzinfarkt, Osteoporose & Co davonlaufen kann, weil der Geist zu Höchstform aufläuft, weil’s im Leben einfach besser läuft: Dank immer neuer Erkenntnisse mehren sich die guten Gründe fürs Joggen. MEDIZIN POPULÄR nennt die zehn wichtigsten.
Von Wolfgang Kreuziger
Christian Schiesters Herz war infarktgefährdet, die Leber vom Alkohol angegriffen und der Körper vom Übergewicht gezeichnet, bis der Kettenraucher aus Mautern vor 20 Jahren das Laufen entdeckte. „Dieser Sport hat mein Leben von Grund auf verändert“, bekennt der mittlerweile pumperlg’sunde 45-Jährige. Heute rennt der Steirer sogar bei Extremläufen in die Schlagzeilen und steht stellvertretend für 1,8 Millionen Menschen in Österreich, die regelmäßig dynamischen Schrittes ihren körperlichen und psychischen Problemen davonjoggen. Laufen ist nicht nur die beliebteste Breitensport-Disziplin, sondern auch die ursprünglichste, denn die Evolution hat den Menschen geradezu dafür geschaffen. Fußform, Muskulatur, Becken und Schädelposition sind bei uns wesentlich effizienter für laufende Bewegungen ausgelegt als etwa beim Schimpansen. Außerdem hält diese Disziplin den Menschen fit und gesund wie kaum eine andere. Der Linzer Arzt für Sport- und Allgemeinmedizin Dr. Andreas Dallamassl nennt die zehn wichtigsten Gründe, warum dieser „Ursport“ so wertvoll ist:
1. Mit Herzblut auf der Rennstrecke
Rinnt der Schweiß in Strömen, sind die Weichen für einen effektiven Schutz vor Herz- und Kreislaufproblemen bereits gestellt. Joggen kurbelt den Abtransport von Fett und Zucker aus dem Blut an und hält die Gefäße elastisch. „Dadurch sinkt das Risiko für Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Herzinfarkt“, weiß Dallamassl. Studien zeigen darüber hinaus, dass regelmäßiges Laufen die Gefahr, an Brust- oder Darmkrebs zu erkranken, um bis zu 30 Prozent senkt, den Körper gegen Erkältungskrankheiten abhärtet, wirksam gegen Rückenschmerzen eingesetzt werden kann und bei Frauen die unkomplizierte Schwangerschaft im ersten und zweiten Drittel spürbar erleichtert.
2. Kräftigere Muskeln & Knochen
Der größte beim Laufen zu überwindende Widerstand ist die Schwerkraft. „Joggen gilt somit für den Körper als vertikale Belastung, durch die sich die Knochendichte verbessert und das Muskelkorsett straffer wird“, erklärt der Linzer Arzt, der weiß, dass beim Joggen fast 70 Prozent des ganzen Körpers zum Einsatz kommen, vor allem Bein-, Po- und Rumpfmuskulatur. Schon dreimal 15 Laufminuten pro Woche verringern das Osteoporose-Risiko um bis zu 40 Prozent, fanden Mediziner der Harvard University (USA) durch ihre Forschungen heraus. Ebenso profitieren die Gelenke, der Knorpelstoffwechsel wird verbessert und durch die Bewegung mehr „Gelenksschmiere“ ausgeschüttet, was die Beschwerden sogar bei Gelenksarthrose mindern kann.
3. Schlau im Eiltempo
Laufen wirkt sich sogar positiv auf unser Gehirn aus. Dallamassl: „Es steigert die Konzentrationsfähigkeit, die Kreativität beim Lösen von Aufgaben und lässt neue Gehirnzellen mit einer besseren Vernetzung untereinander entstehen.“ Wissenschafter der University of Illinois (USA) haben ausgetestet, dass Sportler, die ihr Ausdauervermögen um nur fünf Prozent steigern, bei Denksportaufgaben um stolze 15 Prozent bessere Resultate erzielen. Ihr visuell-räumliches Gedächtnis wurde besser, und das Gehirn arbeitete länger ohne zu ermüden, weil die laufende Bewegung verhindert, dass der Spiegel des für die Hirnleistung wichtigen Hormons Dopamin vorzeitig absinkt.
4. Flucht vor dem Speck
Waschbrettbauch und strammer Po winken figurbewussten Läuferinnen und Läufern mit jedem absolvierten Kilometer. Ein 70 Kilo schwerer Hobbyathlet verbrennt in 30 Laufminuten rund 390 Kilokalorien und damit um 40 Prozent mehr als ein Tennisspieler oder ein Radfahrer. Die Folge: Der Stoffwechsel greift kräftig auf die Fettdepots zu und lässt die Pfunde purzeln. „Laufen reguliert den Appetit und ist bei Gewichtsproblemen das geeignete Mittel“, empfiehlt Dallamassl. „Durch regelmäßiges Joggen steigt der gesamte Energieumsatz des Körpers, sodass man mit der Zeit abnimmt, ohne hungern zu müssen.“ Oberstes Gebot für stark Übergewichtige: Behutsam und langsam beginnen.
5. Sprint der Plaudertaschen
Während des Sportelns mit der Freundin tratschen oder einem Kumpel das Herz ausschütten – Joggen macht’s möglich. „Der Umstand, dass man dabei noch normal reden kann, macht es zu einer besonders sozialen Sportart“, schwärmt der Sportmediziner. Er rät, das Lauftempo mit der Pulsuhr bei einem Wert zwischen 65 und 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz anzusetzen. Das strengt nur mäßig an, und ermöglicht weiterhin lockeres Plaudern. „Wenn hingegen jemand den ganzen Tag im Großraumbüro telefoniert, läuft er abends vielleicht lieber allein. Das ist eine weitere Stärke von Joggen: Jeder kann es an seine individuellen Bedürfnisse anpassen.“
6. Federnden Schrittes sexy
Wer regelmäßig läuft, fühlt sich begehrenswerter und hat bessere Chancen auf ein erfülltes Sexualleben. „Joggen erhöht die Hormonausschüttung und der angekurbelte Stoffwechsel steigert die Genussfähigkeit“, spricht Dallamassl aus Erfahrung. „Durch die dem Körper abverlangte Leistung und deren an Muskeln und Figur sichtbaren Folgen empfindet man sich zunehmend als schön und sexy.“ Laut einer aktuellen US-Studie aus San Diego lasse sich dieser Effekt sogar in Zahlen ablesen: Regelmäßige Läufer haben im Schnitt 30 Prozent häufiger Sex als Sportmuffel und erleben um 26 Prozent mehr Höhepunkte im Liebesspiel.
7. Stress- und Suchttherapie im Joggingschuh
Joggen ist ein Sport für Manager und Suchtgefährdete gleichermaßen. Denn vom nervösen Arbeitswrack bis zum Burn-out-Kandidaten und Kettenraucher findet jeder beim Laufen ein gutes Stück seiner inneren Ruhe wieder. „Auf der Laufstrecke schlägt unser Herz zwar schneller, das trainierte Organ pumpt im Ruhezustand aber dafür langsamer und effizienter Blut durch den Körper“, verrät Dallamassl. Das bringt im Alltag Gelassenheit und Stressresistenz. „Der Körper schüttet die Hormone Serotonin und Endorphin aus, die Glück und Genuss vermitteln. Deshalb ist Laufen auch als Therapie bei Drogen- und Alkoholgefährdeten sehr effektiv.“
8. Durchstarten zum Tiefschlaf
Jeder Liter Schweiß, den man auf der Laufstrecke vergießt, wird mit süßen Träumen und erholsamem Schlaf belohnt. „Laufen wirkt für Menschen mit Schlafproblemen besser als jede Tablette“, versichert der Oberösterreicher. Die Bewegungsbelastung bewirkt nachts eine deutliche Verbesserung der Schlafqualität, wodurch unser „Reperatursystem“ effektiver arbeiten und die so wichtige nächtliche Erholung besser stattfinden kann. Testpersonen der Stanford University (USA), die zuvor abends oft wach gelegen hatten, schliefen nach Einführung eines Laufpensums von 20 bis 30 Minuten dreimal pro Woche doppelt so schnell ein, und ihre Schlafdauer verlängerte sich im Schnitt um eine Stunde. Voraussetzung für die schlaffördernde Wirkung des Laufens allerdings ist, dass nicht zu spät am Abend und nicht zu intensiv trainiert wird.
9. Zielsprint gegen das Altern
Diese Rechnung zahlt sich irgendwann aus: Über mehrere Jahrzehnte praktizierte zwei bis drei Stunden Laufen pro Woche verlängern das Leben statistisch um rund sechs Jahre. Dies belegten 2012 dänische Wissenschafter aus Kopenhagen. Und nicht nur das: „Man erlebt die späten Jahre auch bei besserer Gesundheit, genussvoller und in deutlich höherer Lebensqualität“, unterstreicht Dallamassl. „Mit Laufen schützen sich die Menschen optimal vor Herz-Kreislauferkrankungen und bleiben länger selbstständig, unternehmungslustig und gewappnet für den Alltag. Die intensiv trainierten Stabilisationsmuskeln verringern außerdem wirkungsvoll die Sturzgefahr.“
10. Königsdisziplin der Effizienz
Keine Platzmiete, keine Spezialausrüstung, keine Öffnungszeiten. Bei welcher Sportart gibt’s das sonst? „Viele Menschen lassen sich zu leicht von den Rahmenbedingungen eines Sports ausbremsen. Beim Joggen schlüpfen sie einfach in die Schuhe und laufen los“, bringt es Dallamassl auf den Punkt. Im Vergleich zu anderen Disziplinen wie Skifahren oder Volleyball ist Laufen gratis überall und jederzeit möglich. Ausreden wie „zu teuer“ oder „alles ausgebucht“ gelten nicht mehr. Besonders wertvoll erscheint dem Spezialisten auch das günstige Aufwand-Nutzen-Verhältnis: „Mit nur einer Stunde Laufen erzielen Hobbysportler denselben Trainingseffekt wie mit zwei Stunden Radfahren oder Schwimmen. Joggen spart also auch Zeit.“
Fotos: © istock Begimai Imamidin kyzy