Heilpflanzen & Phytotherapie

Frischekick zum Trinken

Mehr Leistung, erhöhte Konzentration, besserer Schlaf und schönere Haut: Das sind nur einige der Vorteile, die uns von acht über den Tag konsumierten Gläsern Wasser winken. Warum laut Medizinern trotzdem jeder Zweite zu wenig trinkt und welche kalorienarmen Muntermacher uns alternativ helfen können, die Speicher wieder aufzufüllen.

von Wolfgang Kreuziger

In nur drei Stunden 45 Liter Flüssigkeit getrunken – mit einem solch kräftigen Zug am Leibe schaffte es der heute 77jährige Engländer Peter Dowdeswell bis ins Guinness-Buch der Rekorde. Dies allerdings weniger zur Freude als mehr zum Entsetzen der Ärzte, nicht nur weil so viel Flüssigkeit schon wieder schaden kann, sondern auch weil es, very british, Bier war. „Von solchen Extremen abgesehen zeigt sich, dass die Menschen generell ihrem Flüssigkeitshaushalt zu wenig Beachtung schenken”, weiß Dr. Christian Klimmer, Allgemeinmediziner und Notarzt aus dem tirolerischen Pettneu am Arlberg.
„Jeder Zweite trinkt zu wenig”, bringt er es auf den Punkt und nennt gleich seine goldene Faustregel des Trinkens, die eineinhalb bis zwei Liter als tägliches Quantum vorsieht. „Sieben bis acht Gläser Flüssigkeit, am besten Wasser, reichen über den Tag verteilt neben der Nahrung, um auszugleichen, was man durch Urin, Atmung und Verdunstung an den Schleimhäuten binnen 24 Stunden verloren hat.”
Bei starker körperlicher Anstrengung oder großer Sommerhitze kann sich diese Menge entsprechend der Umstände auf drei bis vier Liter erhöhen, ergänzt der Tiroler. Egal, ob das Wetter heiß oder frostig ist, das Wasser sollte stets Raumtemperatur haben, denn kalte Getränke im Magen aufzuwärmen kostet zusätzliche Energie.

Wasser für die „grauen Zellen”

Den kostbaren „Treibstoff” aus dem Trinkglas brauchen wir jedoch nicht nur zum Holzhacken und Bergsteigen. Wird unser Gehirn mit zuwenig Flüssigkeit durchspült, lassen neben der körperlichen relativ rasch auch die geistigen Fähigkeiten nach, wir werden träge und schlapp.
„Der Ernährungsfluss des Zellwassers mit Elektrolyten und Mineralstoffen ist sehr wichtig fürs Gehirn. Ist er nicht mehr gewährleistet, leiden Konzentrationsfähigkeit und Kreativität”, verrät Klimmer. Englische Forscher haben an jugendlichen Probanden festgestellt, dass unser zu 80 Prozent aus Wasser bestehendes Gehirn nach dem Ausschwitzen eines Liters Flüssigkeit beim Sport vorübergehend so zusammenschrumpft wie sonst nur nach einem Jahr des Alterns – was dessen Leistung beeinträchtigt.
Zudem geht Hand in Hand mit den Konzentrationsstörungen häufig auch Müdigkeit einher, die ein lästiges Leistungstief perfekt macht. „Ein dehydrierter Körper kommt in der Nacht schnell in einen leicht gestressten Zustand, was in Schlafmangel und Gereiztheit umschlagen kann. Dies wäre durch ausreichendes Trinken zu vermeiden”, so Klimmer.

Die Migräne davonspülen
Sogar als effizienter Schmerzkiller hat Trinken mitunter positive Effekte. Es gibt klare Zusammenhänge zwischen zu wenig Flüssigkeit und manchen Formen von Migräne oder Kopfschmerz. Denn haben wir erst ein Wasserdefizit, wird das Blut dickflüssiger und kann sogar verklumpen. „Das Herz muss dann Schwerarbeit dabei verrichten, es durch die Venen zu pumpen. Die Sauerstoffversorgung leidet, was sich in Kopfschmerz, Migräne oder Schwindelgefühl äußern kann”, erklärt der Experte. Dass reichlich zu trinken, nicht nur solch gravierende Gesundheitsprobleme beheben kann, sondern nebenbei auch kosmetische Effekte birgt, wird vor allem das schöne Geschlecht erfreuen. Klimmer: „Viel Wasser zu konsumieren, kann durchaus auch die Haut reiner und weicher machen.”

Alarm bei trockenem Mund

Doch ob nun Migräne oder nur Müdigkeit: Woher weiß man, wie groß der eigene Wassernotstand ist? Schon nach einem Verlust von 0,5 Prozent des im Körper gespeicherten Wassers – das kann je nach Gewicht schon ein drittel Liter sein – wird im Gehirn ein erstes Durstgefühl ausgelöst.
Dieser Trieb ist in der Regel ein verlässlicher Indikator für den Bedarf, außer bei älteren Menschen, die ihr natürliches Durstgefühl mit dem Alter verlieren. „Ab drei Prozent Verlust der Körperflüssigkeit ist die verminderte Speichelsekretion und ein trockener Mund bereits ein ernstzunehmendes Alarmzeichen”, versichert Klimmer. Wenn nun weiterhin kein Wasser zugeführt wird, müsste man in weiterer Folge mit Schwindel und danach Fieber rechnen. Bei über zehn Prozent Wasserverlust würden sich Verwirrtheit, bei etwa 14 Prozent ein Kreislaufkollaps und zwischen 15 und 20 Prozent theoretisch der Tod durch Herzversagen einstellen. Es gibt aber auch spezielle Fälle, wo zu viel Wasser schadet. „Menschen mit Herzschwäche, Nierenerkrankungen oder etwa solche, die Psychopharmaka einnehmen, müssen ihre Trinkmenge exakt mit dem Arzt abstimmen”, warnt der Mediziner.

Unser Körper, das Wasserkraftwerk
Die dramatischen Folgen von fortgeschrittenem Wasserverlust überraschen auch nicht, wenn man bedenkt, dass abseits von Gehirnfunktion und Blutbeschaffenheit nahezu jede Körperfunktion bis hin zur Verdauung von Flüssigkeiten abhängt. „Wir haben einen sehr hohen Wasseranteil in unserem Körper, der mit dem Alter sinkt”, erklärt der Arzt. „Besteht ein Säugling noch zu 80 Prozent aus Wasser, sinkt der Anteil beim Erwachsenen auf 65 und später im höheren Alter sogar auf 50 Prozent, wobei Männer einen minimal höheren Wasseranteil als Frauen aufweisen.” Unser wichtigstes Organ, das Herz, besteht zu sogar 75 Prozent aus Wasser, ja selbst die Knochen haben noch einen 22-prozentigen Wasseranteil. Mit dem Blutfluss strömen täglich etwa 180 Liter an Flüssigkeit durch unsere Nieren, rund 1,5 Liter scheiden wir an Urin wieder aus.

Stress trocknet uns aus
Im Grunde wäre so manches „Wasserdilemma” mit nur ein paar Gläsern täglich einfach und billig in den Griff zu kriegen. Warum dies dennoch häufig nicht passiert, erklärt sich der Experte mit dem Alltagsstress. „Viele hetzen von Termin zu Termin und haben keine ruhige Minute, um ein paar Schlucke zu trinken.”
Sein Tipp: In der Arbeit und daheim immer einen Krug Wasser auf den Tisch stellen, damit der Griff zum Getränk keine Mühe bereitet. Allerdings setzen viele Menschen die ärztlichen Trinkvorgaben lieber mit Säften oder Energydrinks um, was unliebsame Nebenwirkungen nach sich ziehen kann.
„Limonaden und Eistees schmecken gut, haben aber oft einen zu hohen Zuckergehalt”, mahnt der Arzt. Kohlensäure in Kaltgetränken ist zwar sehr erfrischend, sie ist aber ebenfalls nicht optimal, da sie den Magen reizt und zu Sodbrennen führen kann.
Klimmer: „Energydrinks wiederum enthalten Taurin und Koffein, die oft Nervosität oder andere Nebenwirkungen her­vorrufen. Und manch dickflüssiger Fruchtsaftcocktail kann trotz Vitaminen durch kohlenhydratreiche Inhalte wie Bananen eine wahre Kalorienbombe sein.”

Tees als Muntermacher
Hier schlägt Klimmer gesunde Alternativen vor, leckere Muntermacher und Frischespender, die unbedenklich den Flüssigkeitshaushalt aufpeppeln. „Ungesüsste Kräutertees, etwa mit Minze oder Salbei sowie Tees mit Ingwer schmecken gut und bringen perfekt den Wasserhaushalt auf Vordermann”, weiß er. Aber auch Gemüsesäfte etwa aus Karotte, Sellerie oder Sauerkraut sind relativ zuckerarme und vitaminreiche Flüssigkeitsspender. „Ich rate generell zu einer Trinkpyramide, bei der die breite Basis von Wasser und Tees und nur die Spitze von Genußgetränken gebildet wird, weil sie das Potenzial haben dem Körper zu schaden”, empfielt Klimmer unterm Strich. „Wer Smoothies und Obstsäfte liebt, kann auf kalorienarme Sorten wie Apfel, Birne oder Melone zurückgreifen.”

Fünf Trink-Mythen


1. Wasser und Kirschen vertragen sich nicht

Vielen hallt Großmutters Warnung noch im Ohr, dass beim Genuß von Steinobst mit Wasser der Bauch zu platzen droht. „Es gibt keine Studien, die solche Effekte bestätigen”, relativiert Allgemeinmediziner Dr. Christian Klimmer.

2. Zum Cappucino stets ein Glas Wasser
Ein Glas Wasser soll die angeblich verlorene Flüssigkeit des harntreibenden Kaffees ersetzen.
„Ein Mythos, heute weiß man, dass wir nichts ersetzen müssen”, so Klimmer. Kaffee wird nur minimal schlechter verwertet als andere Flüssigkeiten.

3. Man kann gar nicht zu viel trinken
„Das ist ein Irrtum, zu viel Wasser kann bis hin zum Tod führen”, warnt Klimmer davor, wenn Salze und Elektrolyte in hohen Dosen aus dem Körper ausgeschwemmt werden. Ab zehn, zwölf Liter des Konsums steigt der Hirndruck, Herzryhthmusstörungen drohen.

4. Zum Essen darf man nicht trinken
An manchem Mittagstisch wird heute noch traditionell nicht getrunken, weil der Glaube vorherrscht, dass Getränke die Magensäfte zu sehr verdünnen. „Stimmt nicht”, kontert Klimmer. „Im Gegenteil, Wasser kurbelt die Verdauung an.”

5. Wasser hilft gegen Falten und zur Fettreduktion 

Mancherorts verbreitet ist der Mythos, dass das Trinken von Wasser Fett aus dem Körper schwemmen und unliebsame Falten verschwinden lassen würde. „Wasser kann vieles, aber als Diätmittel und Anti-Aging-Wunderwaffe hilft es nicht”, weiß der Arzt.

Foto: iStock, SimonSkafar

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