Gefäßveränderungen können zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Man kann sie aber frühzeitig entdecken und erfolgreich behandeln.
von Mag. Wolfgang Bauer
Ein System aus Arterien, Venen, Kapillaren und anderen Blutgefäßen sorgt in unserem Körper dafür, dass das Blut mit dem lebenswichtigen Sauerstoff von der Körpermitte bis in weit entfernte Strukturen gelangt – und von dort wieder zurück zum Herzen. Doch die Blutgefäße sind mehr als nur die Bahnen für den Lebenssaft, sie bilden ein zentrales Element unserer Gesundheit. Das wird spätestens dann deutlich, wenn sie nicht mehr ganz intakt sind und krankhafte Veränderungen aufweisen, wie Univ.-Prof. Dr. Martin Schillinger vom Ordinationszentrum „imed 19“ in Wien betont: „Die Folgen von Gefäßerkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen“, so der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie (Lehre von den Blutgefäßen und ihren Erkrankungen).
So sterben in Österreich alljährlich an die 40.000 Menschen an den Folgen von Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen kardiovaskulären Erkrankungen. Der Grund dafür: Ablagerungen und Verengungen in den Gefäßen können den Blutfluss und damit die Sauerstoffversorgung von Organen behindern oder gänzlich unterbinden – was die Medizin Arteriosklerose und der Volksmund Gefäßverkalkung nennt.
Geschieht dies an den Herzkranzgefäßen, droht ein Herzinfarkt. Sind die Gefäße zum Gehirn oder im Gehirn betroffen, ist ein Schlaganfall wahrscheinlich – um nur zwei Beispiele zu nennen. Die gute Nachricht: „Das Risiko für Gefäßerkrankungen können wir rechtzeitig diagnostizieren und somit die Folgen vermeiden. Die Faktoren sind nämlich bekannt und lassen sich verändern“, so der Angiologe.
Was im Inneren passiert
Eine Arteriosklerose entsteht durch Schäden an den Innenwänden der Gefäße – etwa durch Rauchen oder Bluthochdruck. In der Folge können sich an den geschädigten Stellen Blutfette und Entzündungszellen einlagern und die Bildung von Plaques begünstigen, das sind Einlagerungen, die den Blutfluss beeinträchtigen können. Dies kann langsam und lange Zeit unbemerkt vor sich gehen.
Wenn aber Beschwerden wie Atemnot, Druck auf der Brust oder Engegefühl auftreten, sollten Betroffene umgehend einen Arzt aufsuchen, rät Martin Schillinger: „Es kann auch vorkommen, dass die Plaques plötzlich und ohne Vorzeichen aufbrechen, die Einlagerungen mit dem Blut fortgespült werden und an einer anderen Stelle zu einem Gefäßverschluss führen. Auf so ein akutes Ereignis kann man etwa 20 Prozent der Herzinfarkte zurückführen.“
Was das Risiko erhöht
Seiner Ansicht nach stellt das Rauchen einen ganz wesentlichen Risikofaktor für die Schädigung der Gefäße dar. Denn Rauchen verengt die Gefäße, begünstigt die Bildung von Plaques. Schillinger: „Für gesunde Gefäße bildet das Nichtrauchen bereits die halbe Miete.“ Auch zu hohe Blutfettwerte haben einen schädigenden
Einfluss, da sich die Lipide an den Innenwänden einlagern können, was die Gefäße ebenfalls verengt. Strömt das Blut mit zu hohem Druck durch die Gefäße, können sie auf Dauer dicker und härter werden, was die Durchblutung verschlechtert.
Zu hohe Blutzuckerwerte wiederum beeinträchtigen vor allem die kleinen Gefäße, zu wenig körperliche Bewegung kann ebenfalls die Durchblutung mindern.
Wichtige Diagnostik, frühzeitige Therapie
Diese schädigenden Faktoren kann der Arzt unschwer frühzeitig entdecken. So ergibt bereits die Messung des Blutdrucks sowie die Bestimmung der Blutzucker- und Blutfettwerte und anderer Parameter durch eine Laboruntersuchung ein aussagekräftiges Risikoprofil. Therapeutisch kommen in diesem frühen Stadium vor allem Medikamente zum Einsatz, mit deren Hilfe die genannten Werte normalisiert werden. Ebenfalls wichtig: auf einen gesunden Lebensstil achten, also regelmäßig Bewegung machen, sich fettarm und ausgewogen ernähren und – wie bereits erwähnt – nicht rauchen.
Mitunter sind weitere Untersuchungen nötig, um genauere Aufschlüsse über den Zustand der Gefäße zu gewinnen, etwa eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader. Oder ein Belastungs-EKG, um eine Arteriosklerose an den Herzkranzgefäßen abzuklären. „Bei einem konkreten Verdacht kommt auch eine Herzkatheteruntersuchung in Frage. Diese Methode gibt sehr genau Aufschluss über das Innere der Gefäße“, sagt Kardiologe Schillinger. Im Zuge dieser Untersuchung ist es auch möglich, eine Engstelle zu behandeln und das Gefäß wieder entsprechend zu öffnen, indem eine Gefäßstütze, ein sogenannter Stent, gesetzt wird. Bei einigen Patienten kann sich herausstellen, dass die Durchblutung der Herzkranzgefäße nur durch eine Bypass-Operation verbessert werden kann.
Die Halsschlagader – ein Spiegel der Gefäße
Die Halsschlagader, auch Carotis genannt, versorgt das Gehirn mit Blut und damit mit Sauerstoff. Auch sie kann von Verengungen betroffen sein. Mit schwerwiegenden möglichen Folgen, denn an der Engstelle kann sich ein Gerinnsel, ein Blutpropf, bilden, sich spontan lösen, in den Kopf gelangen und dort die Durchblutung blockieren. Die Folge: ein Schlaganfall. Rund ein Drittel aller Schlaganfälle passiert auf diese Art. Doch eine Verengung der Carotis – die mit Ultraschall gut zu diagnostizieren ist – bedeutet nicht automatisch Gefahr in Verzug. Denn der Kopf wird nicht nur von der Halsschlagader, sondern von mehreren Gefäßen mit Sauerstoff versorgt. Sie sind wie ein Ringsystem miteinander verbunden.
Wenn aufgrund einer Verengung der Carotis die Durchblutung gestört ist, können die anderen Gefäße diesen Ausfall ausgleichen und Blut ins Gehirn befördern. Darum ist Angiologe Martin Schillinger eher zurückhaltend, was die operative Versorgung einer verengten Halsschlagader angeht. Vor allem, wenn die Betroffenen keine Beschwerden haben. Wohl aber müsse man seiner Ansicht nach unbedingt die genannten Risikofaktoren verringern, etwa durch die Verabreichung von Blutdruck- und Cholesterinsenkern, Blutverdünnern usw. Die verengte Halsschlagader gilt es natürlich weiterhin zu beobachten. Der Carotis kommt eine weitere wichtige Funktion zu: „Wenn sie gesund ist, dann sind zumeist die übrigen Gefäße ebenfalls in Ordnung“, sagt Experte Schillinger, dient die Halsschlagader doch als Spiegel des Gefäßsystems.
Gerinnsel in den Beinen
Sie ist nicht nur unangenehm und schmerzhaft, sondern kann auch lebensgefährliche Folgen nach sich ziehen: die Verengung einer Beinvene aufgrund eines Blutgerinnsels, auch tiefe Beinvenenthrombose genannt (Thrombus = Blutgerinnsel). Gefahr droht wenn sich dieses Gerinnsel von der Gefäßwand löst, weggespült wird und an anderer Stelle ein Gefäß blockiert. Zum Beispiel in der Lunge, man spricht in diesem Fall von einer Lungenembolie, einer akuten und lebensgefährlichen Erkrankung, die umgehend behandelt werden muss.
Darum sollten nach Ansicht von Assoc.-Prof.-Priv.- Doz. Dr. Thomas Gary von der Klinischen Abteilung für Angiologie der Medizinischen Universität Graz folgende Beschwerden ernst genommen und unbedingt abgeklärt werden: Schmerzen in der Wade oder im ganzen Bein, Schwellung des betroffenen Beins, bläuliche Verfärbung, häufig treten zusätzlich auch die Venen auffällig hervor. „Beinvenenthrombosen können auftreten, weil zum Beispiel der Blutstrom verlangsamt ist, etwa durch lange Ruhigstellung des Beines bei Flugreisen oder aufgrund von Bettlägerigkeit. Es kann aber auch vorkommen, dass das Gefäß Schäden aufweist, etwa nach einer Operation“, sagt Gary.
Auch Rauchen, Übergewicht, die Einnahme bestimmter Medikamente wie der Antibabypille, bestimmte Tumoren sowie die angeborene Bereitschaft zu einer erhöhten Blutgerinnung können die Thrombosebildung begünstigen.
Diagnose und Therapie der Beinvenenthrombose
Auch eine Beinvenenthrombose kann die moderne Medizin gut diagnostizieren und effektiv behandeln. Die genannten Symptome am betroffenen Bein bilden bereits eine wesentliche Grundlage für die Diagnose, zusätzlich können noch bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder die Computertomografie eingesetzt werden. Injektionen mit dem Wirkstoff Heparin (verhindert die Blutgerinnung) sowie die Verabreichung von blutverdünnenden Medikamenten bilden die wichtigsten Säulen der Therapie.
„Heparin wird auch vorbeugend eingesetzt, wenn man beispielsweise längere Zeit das Bett hüten muss“, so Thomas Gary. Ihm zufolge kann man generell das Risiko für Thrombosen reduzieren, indem man regelmäßig Bewegung macht (Gehen, Walken, Laufen). Denn durch die Bewegung bzw. das An- und Entspannen der Beinmuskulatur wird der venöse Blutfluss günstig beeinflusst. Ein Prinzip, das Muskel- oder Venenpumpe genannt wird. Außerdem wichtig: das Körpergewicht im Lot halten, viel trinken und nicht rauchen. „Bei langen Autofahrten, Bus- oder Flugreisen ist es von Vorteil, Kompressionsstrümpfe zu tragen. Vor allem, wenn man eine gewisse Thromboseneigung aufweist“, empfiehlt Angiologe Gary.
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Gefäße besonderer Art
Schweres Heben, Verstopfung, ballaststoffarme Ernährung oder schlichtweg zu wenig Bewegung: All diese Gründe können dazu führen, dass sich Hämorriden vergrößern und Beschwerden wie Juckreiz, Blutungen und Schmerzen verursachen. Hämorriden sind gut durchblutete Gefäßpolster, die am Ausgang des Enddarms sitzen und gemeinsam mit Schließmuskeln den After abdichten. Wenn sie sich aber aus den genannten Gründen knotig vergrößern, können verschiedene Wirkstoffe das gereizte Gewebe beruhigen, allerdings sollten die Ursachen dafür ärztlich abgeklärt werden. Denn in weiteren Krankheitsstadien können Hämorroiden aus dem After „rutschen“, und, eingeklemmt, kann ihre Blutzufuhr abgeschnitten werden. Dann bilden sich leicht Blutgerinnsel, es kann auch eine Thrombose mit starker Schwellung, Blutung und Schmerzen entstehen.
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Gefäße: Wenn’s plötzlich eng wird
Als ganz wichtig erachtet es Martin Schillinger, folgende Warnhinweise auf eine mögliche Gefäßverengung bzw. einen Gefäßverschluss ernst zu nehmen und unmittelbar einen Arzt aufzusuchen. Oft sind es genau diese Beschwerden, die besonders Männern zu schaffen machen:
- Druck auf der Brust
- Beklemmungsgefühle
- Atemnot
- Herzstechen
Frauen zeigen bei Gefäßveränderungen
häufig andere, untypische Symptome wie
- Druck im Oberbauch
- Übelkeit
- einen unerklärlichen Leistungsknick
- ein unspezifisches Unwohlsein
Auch sie sollten bei solchen Symptomen unbedingt
zur ärztlichen Abklärung.
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