Herz, Kreislauf & Gefäße

Aktiv gegen Bluthochdruck

„Ich spüre nichts, also fehlt mir nichts“ – das kann bei Bluthochdruck zur gefährlichen Devise werden. Denn die „Volkskrankheit“ hat kein Frühwarnsystem, sie verläuft lange Zeit ohne Beschwerden.

von Mag. Sylvia Neubauer

Idealerweise liegt der Blutdruck bei 120/80 mmHg“, nennt Dr. Sabine Perl, Oberärztin der Abteilung für Kardiologie im LKH Universitätsklinikum Graz das wünschenswerte Optimum. „Zeigt das Blutdruckmessgerät wiederholt Werte über 140/90mmHg an, spricht man von erhöhtem Blutdruck.“ Walter F. hat Bluthochdruck und ist besorgt. Nicht ganz ohne Grund: Sein Herz muss sehr heftig arbeiten, um das Blut durch die feinen Arterien des Körperkreislaufs zu pumpen. Ähnlich einer Fontäne Wasser, die durch eine dünne Gartenschlauchspitze hindurchgelangen muss. Bei konstant starkem Druck droht der Schlauch zu platzen. Passiert dasselbe in den Gefäßwänden des Körpers, sind die Auswirkungen fatal. Zwei Mut machende Nachrichten vorweg: Bei gutem Teamwork mit dem Arzt gehört die Behandlung von Bluthochdruck zu den erfolgreichsten Therapien überhaupt. Manchmal reicht schon eine Lebensstiländerung, um Herz und Gefäße zu entlasten.

Bluthochdruck – was tun?

Ein Auto, das nicht ordnungsgemäß gewartet wird, zeigt im Laufe der Zeit Verschleißerscheinungen. Witterungsbedingter Verfall und mangelnde Pflege lassen tragende Fahrzeugteile korrodieren – das Gefährt ist in seiner Funktion beeinträchtigt. Ähnliches passiert in unserem Organismus. Dauerhaft erhöhter Blutdruck führt dazu, dass unsere Blutgefäße „verrosten“. Im Konkreten bilden sich Plaque-Ablagerungen, die eine ordnungsgemäße Blutzirkulation unterbinden.

Je weniger man etwas gegen diesen degenerativen Prozess unternimmt, desto eher kapituliert der Antriebsmotor, unser Herz. „Bluthochdruck ist der Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall“, betont Perl. Allerdings, und das ist der motivierende Aspekt, verringert „eine gut eingestellte Therapie des Bluthochdrucks das Risiko für eine Herzschwäche um die Hälfte. Das Risiko, an einem Schlaganfall zu erkranken, reduziert sich um ein Drittel, das, einen Herzinfarkt zu erleiden um etwa ein Viertel.“ Walter nimmt dies zum Anlass, seine Ärmel hochzukrempeln und etwas gegen die schleichende Gefahr zu unternehmen. In erster Instanz soll er auf eine gesündere, cholesterinärmere Ernährung und mehr Bewegung achten. „Eine Lebensstilmodifikation kann die Medikamenteneinnahme bei leichtem Bluthochdruck oft verhindern“, weiß Dr. Robert Fritz, Ernährungs- und Sportmediziner in Wien, „bei Patienten mit stärker erhöhten Werten lässt sich immerhin die Dosis herabsetzen. Bewegung reduziert den Stresslevel und hilft, Übergewicht abzubauen.“

Muskeln brauchen Sauerstoff

Einmal pro Monat mit dem Nachbarhund Gassi zu gehen, ist aber zu wenig. Für den Erfolg ausschlaggebend ist daher Regelmäßigkeit: „Die positiven Effekte von Bewegung flachen schon nach 24 Stunden wieder ab“, so der Sportarzt. Wer in kleinen Portionen, dafür aber alle ein bis zwei Tage die Sportschuhe zückt, tut seinem Körper langfristig Gutes.
Bereits zehn Minuten Bewegung pro Tag sind ein guter Anfang. Ideal wären 30 Minuten, die beispielsweise „ohne Widerstand radelnd am Ergometer absolviert werden können“ so Fritz und er weist auf einen verbreiteten Mythos hin: „Anders als oft propagiert ist auch Krafttraining nicht schlecht für Bluthochdruckpatienten.“ Im Gegenteil: „Muskeln benötigen für den Kraftaufwand Sauerstoff“, dadurch werden neue kleinste Gefäße gebildet, die den Muskel mit Blut versorgen.“

Blutdruckfreundlich speisen

Ein guter, mit dem Arzt abgestimmter Trainingsplan bildet den einen Therapiebaustein. Ein bunter Speisezettel mit wenig tierischen Fetten, mehr Fisch statt Fleisch sowie pflanzlichen Ölen und Vollkornprodukten statt Weißmehl den anderen. Hier einige kulinarische Blutdruck- und Cholesterinsenker:

  • Kalium: Kalium und Magnesium arbeiten in Teamwork. Bildhaft gesprochen halten sie den menschlichen Stromkreis am Laufen. Die beiden Mineralstoffe erzeugen elektrische Impulse, sie sorgen also dafür, dass unser Herz im richtigen Takt bleibt. Fritz: „Obst und Gemüse sind gute Kaliumspender.“
  • Magnesium: Magnesium kann dazu beitragen, gesunden Blutdruck zu halten oder bestehenden Bluthochdruck leicht zu senken. „Über eine Vollblutanalyse lässt sich herausfinden, ob ein Mangel vorliegt“, so der Experte. „Wer ein Nährstoffpräparat zu sich nimmt, sollte darauf achten, dass Magnesium in Form von Magnesiumcitrat enthalten ist“, rät der Ernährungsmediziner. Der Körper könne den Mineralstoff so besser aufnehmen. Die ideale Dosierung liegt laut Fritz bei 300 bis 400 mg pro Tag – bestenfalls mit dem „Kooperationspartner“ Kalium kombiniert.
  • Gewürze statt Salz: Wer seinen Salzkonsum auf fünf Gramm pro Tag beschränkt, kann seinen Blutdruck um bis zu fünf mmHg senken. „Wer Bluthochdruck hat, sollte salzreichen Käse und Fertigprodukte daher möglichst meiden und lieber mit frischen Zutaten selbst kochen“, empfiehlt der Mediziner. Allein der Genuss einer Fertigpizza sprengt den Tagesbedarf an Kochsalz.
  • Rote Rüben: Die heimische Superknolle punktet nicht nur mit Eisen und B-Vitaminen, sie sagt auch hohen Blutdruckwerten den Kampf an. „Rote Rüben enthalten Nitrate, die im Körper zu Nitrit und weiter zu Stickstoffmonoxid abgebaut werden“ erklärt Fritz, „das erweitert die Gefäße, wodurch der Blutdruck sinkt.
  • Hibiskustee: Der rubinrote, leicht säuerlich schmeckende Tee ist ein wahrer Tausendsassa in Sachen Herz- und Gefäßgesundheit. Von seinen lipid- und blutdrucksenkenden Eigenschaften ziehen nicht nur Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten, sondern auch Diabetiker Nutzen. „Wer regelmäßig Hibiskustee trinkt, kann außerdem leicht erhöhten Blutdruck auf natürliche Weise senken“, so Fritz, der den Effekt auf antientzündliche Inhaltsstoffe sowie die harntreibende Wirkung zurückführt.


Blutdrucksenker – ein Überblick

Manchmal reicht eine Lebensumstellung alleine nicht aus. „In der First-Line-Therapie, (sprich in der medikamentösen Behandlung erster Wahl) werden oft ACE-Hemmer verschrieben“, berichtet Kardiologin Perl. Diese blockieren ein bestimmtes Enzym, das an der Bildung eines blutdrucksteigernden Hormons beteiligt ist. In Folge muss sich das Herz weniger verausgaben – die allgemeine Leistungsfähigkeit steigt. „Auch Betablocker finden in der Therapie von Bluthochdruck häufigen Einsatz“, so die Medizinerin. Betablocker verlangsamen die Herzfrequenz und schirmen das Herz gegen Stresshormone ab – bildlich entspannt sich das Herz. Dann gibt es noch Kalziumantagonisten. Sie weiten die Gefäße, „entrosten“ sie sozusagen, und verschaffen dem Blut mehr Platz, um ungehindert fließen zu können. Diuretika, also entwässernde Medikamente, helfen wiederum, im Ge­webe eingelagerte Flüssigkeit auszuscheiden. Das reduziert das zu befördernde Blutvolumen, wodurch das Herz buchstäblich aufatmen kann.

Wirkstoffe kombinieren

Welcher Wirkstoff nun zur individuellen Behandlung verwendet wird, hängt von zweierlei Faktoren ab. Zum einen von der Schwere des Bluthochdrucks, zum anderen von zusätzlichen Risikofaktoren. „Um eine gute Wirkung zu erzielen, ist es bei vielen Bluthochdruckpatienten notwendig, mehrere Wirkstoffe miteinander zu kombinieren“, erklärt die Kardiologin. Bedingt das, mehrere Tabletten pro Tag zu schlucken? Nicht zwingend! „Um die Medikamentenanzahl reduzieren zu können, gibt es Tabletten, die bis zu drei Wirkstoffe gleichzeitig enthalten.“

Bei Nebenwirkungen nicht verzagen!

Ergänzend zur Lebensumstellung hat auch Walter eine Kombinationstherapie verordnet bekommen. Anfangs guter Dinge ist der Pensionist seither etwas entmutigt. Ihm machen Antriebslosigkeit und Müdigkeit zu schaffen – Nebenwirkungen, die unter der Einnahme von Blutdrucksenkern gehäuft vorkommen können. „Besteht der Bluthochdruck schon länger, gewöhnt sich der Körper daran“, sagt Perl. Die medikamentös herbeigerufene, veränderte Sachlage irritiert ihn zunächst einmal. Um dem Organismus die Umstellung zu erleichtern empfiehlt es sich „langsam mit der Therapie zu starten und die Dosis allmählich zu steigern“, so die Ärztin. Walter meint, ihm sei es vor Einnahme der Medikamente besser als währenddessen gegangen und ist kurz davor, die Flinte ins Korn zu werfen. Die Expertin warnt jedoch, Medikamente in Eigenregie abzusetzen, zumal „der anschließende Anstieg des Blutdrucks gefährlich ist.“
Dennoch muss sich niemand dauerhaft mit unangenehmen Nebenwirkungen herumschlagen, hinzukommend verschwinden unangenehme Beschwerden meist nach einer Woche wieder. „Manchmal ist das Testen von verschiedenen Kombinationen notwendig, bis der gewünschte Effekt erreicht und ein gut verträgliches Behandlungskonzept erstellt ist“, spricht die Blutdruckexpertin aus ihrer täglichen Praxis. Die Therapie ist meistens von Dauer: „Anders als beispielsweise Antibiotika müssen blutdrucksenkende Medikamente oft lebenslang eingenommen werden.“ Ein vergleichsweise kleines Übel, das durch ein großes Plus an Gesundheit wettgemacht wird.


5 Fragen und Antworten zu Bluthochdruck

Bluthochdruck – was ist das überhaupt?

Unser Herz muss täglich 7000 Liter Blut durch den Kreislauf pumpen. Ohne Druckgefälle könnte diese unglaubliche Menge nicht vom Kopf zu den Beinen und wieder retour transportiert werden. Für unsere Gesundheit macht es jedoch einen Unterschied, wie stark sich das Herz dabei ins Zeuglegen muss und wie eng das Gefäß­system ist. Bluthochdruck (Hypertonie) liegt dann vor, wenn der Druck in den Gefäßen dauerhaft zu hoch ist.

Niedrig, hoch, normal – was sagen Messwerte aus?

„Erstrebenswert ist ein Blutdruck von 120/80 mmHg. Als „noch normal“ gelten Messwerte unter 140/90 mmHg beim Arzt und unter 135/85 mmHg zuhause. Werte darüber werden als Hypertonie bezeichnet. Bei Blutdruckwerten zwischen 140/90 mm Hg und 159/99 mm Hg spricht man von leichter Hypertonie. Ein Blutdruck zwischen 160/100 mm Hg und 179/109 mm Hg wird als mittelschwer bezeichnet. „Noch höhere Werte zeigen eine schwere Hypertonie an“, so Kardiologin Perl.

Blutdruck messen – wie geht’s?

„Menschen mit erhöhtem Blutdruck sollten zweimal täglich – in der Früh und abends – jeweils zur selben Zeit, am besten anhand zweier Messungen im Abstand von einer Minute, unter entspannten Bedingungen messen“, rät die Grazer Ärztin. Der Genuss von Kaffee, Alkohol oder einer Mahlzeit kann die Werte verfälschen, die Kontrolle sollte deshalb erst 30 Minuten später erfolgen. Wer blutdrucksenkende Medikamente einnehmen muss, sollte die Tabletten nach der Morgen-Messung schlucken.

Wodurch entsteht Bluthochdruck?

Nur selten ist Bluthochdruck die Folge einer organischen Störung. Viel häufiger ist die essenzielle Hypertonie, deren Ursachen nicht genau bekannt sind. Ausschlaggebend dürften eine genetische Veranlagung sowie das Alter sein. Einen entscheidenden Einfluss üben zudem Lebensstilfaktoren aus. Neben Übergewicht, hohem Alkoholkonsum, ungünstigen Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsmangel, Rauchen und Stress haben auch bestimmte Medikamente Einfluss auf die Regulation des Blutdrucks.

Was ist so tückisch an Bluthochdruck?

Erhöhter Blutdruck verursacht in der Regel keine Symptome, seine Auswirkungen können jedoch umso schwerwiegender sein.
Bluthochdruck ist der Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, die hierzulande zu den häufigsten Todesursachen zählen. Unbehandelt kann Hypertonie zudem die Nieren, die Beine und die Augen schädigen.

Foto: iStock, Vladimir Volovodov

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