Leben & Arbeiten

Öko-Mode im Trend

Ökotextilien für Gesundheit und Umwelt
 
Was bei Lebensmitteln schon länger gefragt ist, erreicht zunehmend auch die Modewelt: Öko-Textilien liegen im Trend. MEDIZIN populär informiert, was die neue Entwicklung für die Gesundheit und Umwelt bringt.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Immer mehr Menschen kratzt – zumindest symbolisch –, was sie auf der Haut tragen: Öko-Mode ist auch bei uns stark im Kommen. „Einerseits arbeiten junge, kreative Designerinnen und Designer mit Ökotextilien, andererseits haben auch die großen Handelsketten immer wieder Ökokleidung im Angebot“, berichtet Mag. Michaela Knieli von „die umweltberatung“, die sich seit Jahren mit den ökologischen Auswirkungen der Textilproduktion beschäftigt.
Die Öko-Mode von heute hat mit dem Schlabberlook von gestern nichts mehr gemein. Sie wird nicht nur ökologischen, sondern auch ästhetischen Ansprüchen gerecht. Auch punkten die mittlerweile durchwegs erschwinglichen Naturfasern mit einem besseren Tragekomfort als herkömmlich erzeugte Textilien und müssen weniger oft gereinigt werden. „Einen Wollpullover muss man seltener waschen als einen Pullover aus Polyacryl, bei dem sich schnell unangenehme Gerüche entwickeln“, gibt Knieli ein Beispiel.
Die steigende Nachfrage führt die Expertin nicht nur auf das anziehende Angebot, sondern auch auf das wachsende Umweltbewusstsein zurück. „Nach den Trends zu Bioernährung und Naturkosmetik interessiert man sich jetzt quasi für den nächsten Hautkontakt, die textile Haut“, beobachtet Knieli. „Auch die verschiedenen Skandale – etwa in Hinblick auf die drastischen Arbeitsbedingungen in den produzierenden Ländern – machen sensibler.“ Schließlich nimmt man es in „Billigländern“ mit dem  Schutz von Arbeitern und Umwelt oft nicht genau; unsachgemäßes Hantieren mit Chemikalien gefährdet die Gesundheit der Menschen und verunreinigt Luft und Grundwasser. Billigmode kommt teuer zu stehen – und deshalb immer wieder ins Feuer der Kritik.

Fasern, Farben, Juckreiz

Noch dominieren konventionell erzeugte Fasern und ganz besonders chemische wie Polyester – bei uns die gebräuchlichsten Textilfasern überhaupt – in den Kleiderschränken. Gemäß Angaben von Greenpeace lag ihr Anteil an der Weltfaserproduktion 2009 bei 64 Prozent. Das Problem dabei ist in erster Linie ein ökologisches: „Der Rohstoff, aus dem Chemiefasern erzeugt werden, Erdöl, ist endlich“, so Knieli. Aber auch aus hautärztlicher Sicht haben es herkömmlich erzeugte Textilien in sich: „Von den vielen in Textilien verwendeten Farbstoffen sind mehr als 20 als allergen einzustufen. Das heißt, sie können allergische Reaktionen auslösen“, erklärt der Umweltdermatologe Univ. Prof. Dr. Birger Kränke von der Medizinischen Universität Graz. Als bedenklich gelten hauptsächlich so genannte Dispers-Farbstoffe, aber auch so genannte Ausrüstungschemikalien wie Formaldehyd spielen eine – wenn auch nicht ganz so große – Rolle. Die verschiedenen Substanzen, die den Textilien zusätzliche Eigenschaften wie Knitter- oder Filzfreiheit verleihen sollen, können nach einiger Zeit an die Haut abgegeben werden, besonders dann, wenn man viel schwitzt oder das Kleidungsstück an der Haut reibt. Dann kann es vorkommen, dass die Haut allergisch – mit Rötung oder Juckreiz – reagiert.
„Am besten verträglich für die Haut sind reine Baumwollprodukte“, erklärt Birger Kränke. Außerdem empfehlenswert aus Sicht des Dermatologen: Seide und weiches Leinen. „Die Textilien sollten möglichst farbecht sein“, ergänzt Kränke.

Hanf & Holz auf der Haut

Der Trend zu ökologisch erzeugter Kleidung lässt nicht nur unsere Haut aufatmen, sondern schützt auch Umwelt und Menschen in den (fernen) Produktionsländern. Schließlich ist bei zertifizierten Ökotextilien (siehe auch „Öko, fair, bio – oder nicht?“ unten) die gesamte textile Kette „bio“, d. h. es werden Chemikalien eingespart und Ressourcen geschont. „Die Fasern sind aus biologischem Anbau und gentechnikfrei“, nennt Knieli die Kriterien. „Auch sind keine synthetischen Düngemittel und Pestizide erlaubt.“ Weiters dürfen keine krebserregenden, fruchtschädigenden und allergisierenden Farb- und Hilfsstoffe verwendet werden. „Das Bleichen, Färben bis hin zur Verarbeitung unterliegt strengeren Kriterien.“ So sind etwa der Einsatz von Formaldehyd oder Chlorbleiche verboten und gefährliche Verfahren („Sandbestrahlung“), etwa um Jeans den modernen Used-Look zu verpassen, tabu.
Beliebte Ökofasern sind z. B. die höchst genügsame Hanfpflanze. Durch gezielte Bewirtschaftung ist auch der Wasserverbrauch der durstigen Baumwollpflanzen nur etwa halb so hoch wie beim konventionellen Baumwollanbau. Ein weiterer ressourcenschonender Trend ist die Fasergewinnung aus Holzzellulose. „Einen Wald muss man weder bewässern noch düngen, und er benötigt weniger Fläche als etwa ein Baumwollfeld“, sagt Knieli.
Mittlerweile finden sich in Ökotextilien nicht mehr nur reine Naturfasern, sondern z. B. auch recycelte Fasern. Wussten Sie etwa, dass PET-Flaschen durchaus kleidsam sein können? Daraus werden Fleecestoffe, mit denen man z. B. Sportbekleidung herstellt. Auch darf Ökotextilien bei einigen Labels die dehnbare Kunstfaser Elasthan beigemischt werden. „Dadurch können modische Ansprüche besser erfüllt werden“, zeigt sich Michaela Knieli über den Trend erfreut.

Recycling und Upcycling

Den positiven Entwicklungen zum Trotz: Für die Gesundheit von Mensch und Umwelt am besten ist immer noch der natürliche „Used-Look“, wie er sich bei qualitativ hochwertiger Kleidung im Lauf der Zeit von selbst einstellt. Dem kommt das gegenwärtig beliebte Re- und Upcycling (Wiederverwerten und Aufwerten) von Textilien entgegen: „Das, was unsere Großmütter immer schon gemacht haben –  Kleidungsstücke umzunähen, damit sie dem nächsten Kind passen –, liegt heute wieder im Trend“, freut sich Knieli. Man ändert etwas aus dem Bestand und trägt es eine weitere Saison: So wird aus der langen Hose eine kurze, aus Papas altem Hemd ein Sommerkleidchen für die Tochter, aus Omas Sonntagstischtuch ein eleganter Rock.

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Gesundes Leder?
Gerbverfahren im Visier

Damit aus Tierhaut Leder wird, braucht es Gerbstoffe. Am gebräuchlichsten ist die stark wasserbelastende chemische Gerbung mit Chrom- und Aluminiumsalzen. Vor allem mit Chrom-IV-Salzen gegerbte Leder können bei Chromallergikern für Hautreizungen sorgen (z. B. beim Tragen von Lederhandschuhen oder -bändern). Alternativen? Das Qualitätszeichen „NATURLEDER IVN zertifiziert“ bürgt für den höchsten gesundheitlichen und ökologischen Standard bei der Ledererzeugung: Chromgerbung ist nicht erlaubt, stattdessen setzt man u. a. auf pflanzliche Gerbung. Die eingesetzten Wirkstoffe sind vorwiegend Tannine, die man z. B. aus Wurzeln, Blättern, Rinden gewinnt. Allerdings: Der Verbrauch von pflanzlichen Rohstoffen und Wasser ist hoch.

Öko, fair, bio – oder nicht?
Wegweiser durch den Etiketten-Dschungel

Beim Kleiderkauf müssen die Konsumenten sich heute in einem richtigen Etiketten-Dschungel zurechtfinden. „Neben den offiziellen Gütesiegeln gibt es viele verschiedene Labels einzelner Firmen mit sehr unterschiedlichen Kriterien“, sagt Mag. Michaela Knieli von „die umweltberatung“. Steht z. B. „100 Prozent Biobaumwolle“ auf einem Kleidungsstück, ist längst nicht alles „öko“. „Oft ist nur die Baumwolle zu 100 Prozent aus ökologischem Anbau, während die weitere Verarbeitung konventionell sein kann“, erklärt Knieli.
Unternehmen, die ihre Textilien fair erzeugen, sich also an die internationalen Arbeitsstandards halten, sind bei der „Fair Wear Foundation“ aufgelistet. Das Gütesiegel „Öko-Tex-Standard 100“ etwa stellt bei konventionell produzierter Kleidung sicher, dass diese weitgehend frei von die Haut belastenden Chemikalien ist.
Nur bei zertifizierten Ökotextilien ist gewährleistet, dass das Produkt vom Faseranbau bis zur Verarbeitung strengen ökologischen Kriterien entspricht und auch die internationalen Arbeitsstandards eingehalten werden. Zu den Öko-Gütesiegeln zählen z. B. „GOTS“ (Global Organic Textile Standard) und „IVN“ (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft).

WebTipp:
Weitere Informationen zu Gütesiegeln und Labels gibt die Umweltberatung auf www.umweltberatung.at/oekotextilien

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