Medizin & Trends

Angst vor Spinnen?

Wie die Phobie behandelt wird
 
Es gibt verschiedene Gründe, Herzrasen zu bekommen, Schweißausbrüche, zittrige Hände, erhöhten Blutdruck und stockenden Atem. Der Anblick einer Spinne ist einer davon. Die panikartige Angst vor den Krabbeltieren ist eine der am weitesten verbreiteten so genannten spezifischen Phobien. Was dahinter steckt und wie man sich davon befreien kann.
 
Von Bettina Benesch

Der Sommer ist da, Zeit für Picknicks, für Grillabende. Und Zeit dafür, endlich den Dachboden gründlich zu entrümpeln. Für viele ist jetzt allerdings die Zeit der Furcht angebrochen: Sie haben Arachnophobie, übermäßige und unbegründete Angst vor Spinnen. Die Spinnenphobie gehört zu den spezifischen Phobien, an denen etwa jeder Achte irgendwann im Leben erkrankt. Spezifische Phobien richten sich, anders als etwa die Agoraphobie (Platzangst), gegen bestimmte Dinge oder Lebewesen. Gegen Spinnen beispielsweise.
Ob die Tiere tatsächlich gefährlich sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Die meisten Betroffenen sind sich der Irrationalität ihrer Angst durchaus bewusst. Hilfreich ist dieses Bewusstsein jedoch nicht. Die Angst bleibt. Und
sie gilt dann als behandlungswürdig, wenn sie den Alltag einschränkt, alles beherrscht, wenn die Betroffenen beispielsweise den Gang auf den Dachboden oder in den Keller unter allen Umständen vermeiden.

Viele Theorien
Es gibt viele Theorien darüber, woher diese unbegründete Angst kommt, sagt Univ. Prof. Dr. Gerhard Lenz von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien. Beim Anblick von Spinnen empfinden sehr viele Menschen einen leichten Ekel oder ein Unbehagen, im Mittelalter wurden in Europa Spinnen als Kontaminationsquelle für Schmutz und giftige Stoffe und fälschlicherweise sogar als Überträger der Beulenpest angesehen.
Lenz: „Bei Menschen mit einer Spinnenphobie kommt es zu einer Übererregung des so genannten Furchtsystems im Gehirn, bei dem genetische Faktoren – in bestimmten Familien kommt Angst oder Ängstlichkeit gehäuft vor – und Lernerfahrungen eine Rolle spielen: Das können nicht spezifische ängstigende Lernerfahrungen in kritischen Lebensabschnitten wie zum Beispiel familiäre Gewalt oder Verlust eines Elternteils sein oder spezifische unangenehme Lernerfahrungen wie eine zufällige intensive Panikreaktion bei Kontakt mit einer Spinne.“
Vertreter einer anderen Theorie sehen die Ursachen in der vorgeschichtlichen Zeit, in denen der Mensch sich weder in Fertigteilhäuser noch Dachterrassenwohnungen zurückziehen konnte. In dieser Zeit war die Angst vor allem, was potenziell gefährlich ist, überlebenswichtig.
Und Spinnen waren potenziell gefährlich. In einigen Ländern – Amerika oder Afrika beispielsweise – sind sie es bis heute. Erstaunlicherweise erkranken die Bewohner dieser Länder nicht häufiger an Spinnenphobie als hierzulande. Der Schlüssel liegt in Gewohnheit und Information.

Kenne deinen Feind
Gewöhnung und Information: Zwei Dinge, die am Beginn jeder Spinnenphobie-Behandlung stehen. Die Therapie beginnt mit einem kurzen Ausflug in die Welt der Biologie. „Viele Menschen mit Spinnenphobie wissen nicht, wie Spinnen wirklich aussehen, ob sie giftig sind und vieles andere mehr“, sagt Prof. Lenz. Genau dieses Wissen aber kann bereits angstreduzierend wirken.
Auf die Information folgen Techniken der speziellen Verhaltenstherapie. Die so genannte systematische Desensibilisierung ist eine dieser Techniken. Zuerst lernt der Patient einfache Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Entspannung nach Jacobson. Im nächsten Schritt nähert sich der Patient in entspanntem Zustand dem Bild einer Spinne. Der Kontakt mit dem Tier wird in jeder Sitzung intensiviert. Am Ende steht der direkte Kontakt, die Spinne läuft über die Hand des einstigen Angstpatienten. „Das wichtigste ist“, sagt Lenz, „dass man positive Erfahrungen mit dem Tier macht.“
Dank dieser Erfahrungen liegen die Heilungschancen bei 90 Prozent. Und auch der Weg zur Angstfreiheit ist kurz: Oft braucht es nur wenige Sitzungen, um die Furcht hinter sich zu lassen, „wenn nicht eine schwerwiegendere psychische Problematik dahinter steckt“, sagt Lenz. Das aber ist nur bei einem kleinen Teil der Patienten der Fall.

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Giftspinnen in Mitteleuropa
In Mitteleuropa kennt man mehr als 1000 Spinnenarten.
Unter ihnen sind nur wenige Exemplare, deren Biss Schmerzen und Kreislaufbeschwerden verursachen kann. Dazu gehören die sehr selten gewordene Wasserspinne, die in pflanzenreichen Gewässern lebt, die Dornfingerspinne, die es warm liebt und nur bei Provokation beißt, und die Schwarze Witwe, die sich manchmal in südlichen Regionen Österreichs zeigt.

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Auf Du und Du mit Dornfinger & Co
Es war im Sommer 2006, als sie erstmals in Österreich von sich hören ließ, die giftige Dornfingerspinne. Heimisch ist das Tier zwar in südlicheren Gefilden, Biologen gehen allerdings davon aus, dass das warme Klima in Mitteleuropa künftig dafür sorgen wird, dass die Spinne weiter gen Norden zieht. Massenhaft sollen die Tiere jedoch nicht auftreten. Für Menschen mit Spinnenphobie ein schwacher Trost. Schließlich macht es für sie keinen Unterschied, ob sie es mit der Dornfingerspinne oder mit einem harmlosen Weberknecht zu tun haben.
       

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