Medizin & Trends

Depressionen

Wenn die Freude am Leben fehlt
 
In Österreich leiden etwa 600.000 Menschen an Depressionen – der Krankheit, die sich auf vielfältige Art und Weise äußert. Antriebslosigkeit, das Verharren in negativen Gedanken und der zunehmende Verlust der Freude am Leben zählen genauso zu den Symptomen wie Schlafstörungen oder Schmerzen: Ein Bündel an Beschwerlichkeiten, das man heute gut behandeln kann. Doch aus Scham lehnen noch immer viele Betroffene eine Therapie lange Zeit ab.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Depressionen  sind eine Erkrankung des Gehirns“, sagt Prim. Dr. Georg Psota, Chefarzt des Kuratoriums für psychosoziale Dienste und Obmann von „pro mente“ in Wien. „Aber unsere Gesellschaft hat Depressionen noch immer nicht ganz als Krankheit anerkannt.“ Die Folge, so der Experte weiter: Betroffene sagen sich: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf!“, wollen sich nicht eingestehen, dass sie krank sind, schämen sich für die Krankheit und sprechen daher mit niemandem darüber, nicht mit Angehörigen, nicht mit Freunden, auch nicht mit ihrem Arzt. 

Langer Leidensweg

Ehe die Diagnose Depressionen gestellt wird, liegt deswegen oft ein langer Leidensweg hinter den Betroffenen. Und das sind in Österreich etwa 600.000 Menschen, wobei Frauen häufiger als Männer erkranken und Ältere häufiger als Jüngere. Die klassischen Anzeichen einer Depression beschreibt Psota so: „Wer depressiv ist, verliert den Antrieb. Gedanken, wie: ,Ich kann nicht‘ und ,Nichts gelingt mir‘ stehen im Vordergrund.“ Hinzu kommt, dass die Betroffenen in allem, was sie erleben, nur das Negative sehen und sich selbst für alles Negative, das bereits in ihrem Leben passiert ist, verantwortlich machen. „Alles das mindert das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl und geht mit einem zunehmenden Verlust der Freude am Leben einher“, sagt Psota.
Und oft auch mit körperlichen Beschwerden. So werden Depressionen z. B. häufig von Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen begleitet, auch von Schlafstörungen, Erschöpfungszuständen, Appetitlosigkeit und einem damit verbundenen Gewichtsverlust. Nicht selten von Schweißausbrüchen, Verstopfung oder dem Gefühl, permanent einen Knödel im Hals oder im Bauch oder einen Druck auf der Brust zu haben. Psota: „Irgendwann sind die Betroffenen nicht mehr genussfähig, nicht mehr liebesfähig und auch nicht mehr arbeitsfähig.“ Das kann derart belastend sein, dass es zur Flucht in den Alkohol, zu Suchterkrankungen und Selbstbeschädigungen bis hin zum Selbstmord kommt.  
Meist sind es die genannten körperlichen Beschwerden, die Depressive dazu veranlassen, einen Arzt aufzusuchen. Ob wirklich eine Depression hinter den Symptomen steckt oder bloß eine vorübergehende Verstimmtheit aufgrund einer beruflichen oder privaten Stresssituation, könne der Arzt an Antworten auf bestimmte gezielte Fragen erkennen.

Gehirnstoffwechsel, Gene, schlimme Erfahrungen

Wie entstehen Depressionen? „Bei Depressiven funktioniert der Gehirnstoffwechsel nicht so, wie er funktionieren sollte, was unter anderem dazu führt, dass es am Glückshormon Serotonin mangelt“, erklärt Psota. Verursacht wird diese Funktionsstörung teils durch die Gene, aber auch durch „psychodynamische Entwicklungen und soziale Stressoren“, wie es der Fachmann nennt. Was damit gemeint ist? „Ab einer gewissen Summe an unerträglichen Erlebnissen beginnt nahezu jeder, die Freude am Leben zu verlieren.“ Schließlich könne die Kombination aus schlimmen Erfahrungen und Störungen des Gehirnstoffwechsels in das Seelentief führen.

Depressionen sind heilbar

„Die Krankheit ist heute außerordentlich gut therapierbar“, weiß Psota. Bei leichteren Depressionen hilft oft eine Psychotherapie allein. Bei mittelschweren bis schweren Depressionen ist eine Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva nötig. Wie lange die Behandlung dauert, ist von Fall zu Fall verschieden. „Manchmal empfiehlt es sich auch, die Therapie durch eine psychosoziale Betreuung zu ergänzen“, weiß Psota. Die besteht z. B. in der Hilfe im Haushalt oder bei der Jobsuche.
„Mit diesem Bündel an Maßnahmen sind Depressionen heilbar“, sagt Psota. Aber: Wenn man sie einmal hatte, ist es wahrscheinlicher, sie irgendwann nach dem Ende der Behandlung wieder zu bekommen.

Buchtipp: Wenzel Müller, Depressionen.  erkennen – behandeln – damit leben
ISBN 978-3-902552-50-1, 138 Seiten, € 14,90 Verlagshaus der Ärzte 2009

Webtipp:
www.promente-wien.at
www.promenteaustria.at

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