Mag. Sabine Stehrer
„Es geht schon!”: Das sagen Patienten oft, wenn sie nach einer Operation gefragt werden, wie es ihnen geht. Lässt man sie jedoch die Schmerzstärke auf Skalen eintragen, die von leicht bis sehr stark reichen, zeigt sich, dass es vielen in Wahrheit nicht so gut geht. Etwa 40 Prozent der Frauen und rund 30 Prozent der Männer geben dann an, unter sehr starken oder starken Schmerzen zu leiden. Zu diesem Ergebnis kamen in den vergangenen Jahren immer wieder verschiedene Untersuchungen, zuletzt eine, die unter der Leitung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) lief.
Das Ausmaß der Beschwerden – obwohl es so weh tut – im Dialog mit Ärzten und Pflegekräften zu verharmlosen, etwa um nicht als wehleidig zu gelten, oder weil aus Furcht vor Nebenwirkungen keine starken Schmerzmittel genommen werden wollen, sei ein Fehler, sagt Prim. Univ. Prof. Dr. Burkhard Gustorff von der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin des Wilhelminenspitals in Wien. Und zwar einer, der schwerwiegende Folgen haben kann: „Wenn Schmerzen unmittelbar nach der Operation stark sind und nicht entsprechend behandelt werden, leidet der Patient nicht nur unnötig, dann ist auch das Risiko groß, dass die Schmerzen chronisch werden.“ Dazu kommt es bei immerhin jedem vierten Betroffenen.
Breitere Schmerzbahnen als Ursache
Entgegen anderslautender Vermutungen liegt das laut Gustorff so gut wie nie daran, dass bei der OP oder der nachfolgenden Wundversorgung Fehler gemacht wurden. „Umformungen im Nervensystem, sozusagen Verbreiterungen der Schmerzbahnen, bedingt etwa durch Schmerzen vor oder nach der Operation können die Ursache sein.“ Auch spiele die Psyche eine Rolle: Postoperative Schmerzen fallen meist stärker aus und halten länger an, je größer die Angst vor einer Operation ist. Was, so Gustorff, „mit einer Art Spirale aus genereller Angst, Schmerzerwartung und tatsächlicher Schmerzverarbeitung zu erklären ist“.
Sich umfassend gegen Schmerzen behandeln lassen
Hilfreich ist daher, so Gustorff, „sich vor der Operation darüber zu informieren, welche Schmerztherapien möglich sind und was sie bringen“. Die Palette reicht von Medikamenten, wobei die Dosis manchmal selbst per Pumpe zu bestimmen ist, über das Auflegen von kühlenden Kompressen und Krankengymnastik bis hin zu Atemübungen oder dem Hören von Musik.
Wichtig sei auch, nach der Operation die behandelnden Ärzte und Pflegekräfte möglichst genau über die Schmerzen zu informieren. Dazu gehöre, den Ort des Schmerzes und die Art des Schmerzes zu beschreiben – also ob er beispielsweise brennend ist, pochend, ziehend oder in Wellen auftretend – sowie selbst aktiv zu sein und eine ausreichende Schmerztherapie in Anspruch zu nehmen.
Nach drei Tagen Schmerzmilderung
Schmerzen treten im Übrigen nach nahezu allen Operationen auf. Starke Schmerzen verursachen bestimmte Eingriffe im Hals- Nasen-Ohren-Bereich wie beispielsweise Mandeloperationen, Eingriffe im Bereich des Brustkorbs, die große Wundflächen hinterlassen sowie verschiedene gynäkologische und orthopädische Operationen.
Binnen ein bis drei Tagen lassen meist aber auch starke postoperative Schmerzen so sehr nach, dass kaum noch Schmerzmittel nötig sind. Ist dies nicht der Fall oder halten Schmerzen im Operationsbereich länger an, sollten Betroffene, so Gustorff, „neuerlich ärztliche Hilfe suchen und die Schmerzen behandeln lassen“. Statt sich vor meist vergleichsweise harmlosen und vorübergehenden Nebenwirkungen zu fürchten – oder sich darum zu bemühen, möglichst tapfer zu erscheinen.
Chronische Schmerzen:
Mehr Versorgung gefordert
Mindestens 1,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher leiden nach Angaben der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) an chronischen Schmerzen. Bis zu 400.000 haben Schmerzen, die kein Anzeichen für eine Krankheit sind, sondern als eigenständige Krankheit gelten. Laut einer Umfrage unter Allgemeinmedizinern wächst die Zahl der Patienten mit chronischen Schmerzen, weshalb laut ÖSG dringend ein Ausbau der Schmerzversorgung nötig ist. Die Gesellschaft fordert mehr Einrichtungen wie Schmerzambulanzen, wo Patienten mit mehreren Therapieformen, behandelt werden können. Für die ÖSG ebenfalls wichtig: eine Aufstockung der personellen und zeitlichen Ressourcen in den österreichweit 48 bestehenden Schmerzambulanzen.
Stand 04/2018