Medizin & Trends

Leben mit Alkoholsucht

„Alkohol war mein Problemlöser“
 
Bier und Wodka bestimmten viele Jahre lang das Leben von Hannelore Huber – dann kam der Zusammenbruch. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt die heute 65-Jährige, wie sie in die Alkoholsucht geschlittert ist, und wie sie es geschafft hat, davon loszukommen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Aus der Reihe Leben mit …

In dieser Reihe von MEDIZIN populär beschreiben Betroffene, wie eine Krankheit ihr Leben verändert hat und wie sie mit ihrem Schicksal fertig werden bzw. fertig geworden sind.

Teil  27  Alkoholsucht
MEDIZIN populär
Frau Huber, wie lange trinken Sie nun schon keinen Alkohol mehr?

Hannelore Huber *)
Ich bin seit 20 Jahren trocken und esse auch nichts, was Alkohol enthält, wie zum Beispiel Pralinen.

Was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie völlig abstinent wurden?
Letztendlich ein Zusammenbruch. Da habe ich erkannt, dass ich nicht mehr so weiterleben kann, wie ich bis dahin gelebt hatte. Vor dem Zusammenbruch hatte ich schon längere Zeit körperliche Beschwerden, Kopfschmerzen, Magenweh, schlecht war mir auch oft, und so bin ich an einigen Tagen vollkommen ausgefallen. Das heißt, ich war nicht mehr imstande, die Arbeit im Haushalt zu erledigen, Ordnung zu halten und so für meinen Mann und meine drei Kinder zu sorgen, wie es erforderlich gewesen wäre. Auch sonst konnte ich nur noch wenig machen.

Wie ist Ihre Familie damit umgegangen, dass Sie immer trinken mussten?
Ich habe mich so sehr geschämt und habe so entsetzliche Schuldgefühle gehabt, dass ich dauernd versuchte habe, das wahre Ausmaß meiner Krankheit zu verheimlichen. Damit meine Familie und alle anderen um mich herum möglichst nicht mitbekommen, wie viel ich trinke, habe ich mir zuerst überall Depots angelegt. Als die mein damaliger Mann immer öfter entdeckt und beseitigt hat, habe ich mir immer morgens um fünf Uhr früh an der Tankstelle gekauft, was ich für den Tag gebraucht habe. Und wenn abends noch etwas übrig war, bevor mein Mann heimkam, habe ich den Rest weggeschüttet. Trotzdem hat meine Familie gewusst, dass ich alkoholabhängig bin. Mein Mann hat immer wieder gesagt, so geht es nicht weiter, und er lässt sich scheiden, wenn ich nicht damit aufhöre.  

Und das haben Sie nie versucht?
Doch, sogar oft und immer begleitet durch eine Psychotherapie. Nach einem Entzug habe ich dann meistens zwei, drei Monate lang nichts getrunken. Aber dann kam wieder ein Problem daher, über das ich mich aufgeregt habe, und ich habe wieder versucht, mich mit Alkohol zu beruhigen, also sozusagen das Problem mit Alkohol zu lösen.

Haben Sie Alkohol immer als Problemlöser eingesetzt?
Spätestens ab dem Zeitpunkt, als wir ein drittes Kind bekommen hatten, aufs Land übersiedelt sind und ich auf einmal nur Hausfrau und Mutter war, ja. Ich habe mich in dieser Rolle nicht wohl gefühlt und war auch sehr einsam. So habe ich gleich nachdem ich in der Früh die beiden größeren Kinder in die Schule gebracht hatte, mit dem Trinken angefangen. In den Jahren davor war Alkohol noch eher mein Aufputschmittel, das ich zur Leistungssteigerung nach einem langen Arbeitstag genommen habe. Nach zwei, drei Flaschen Bier oder einigen Gläsern Wodka war ich damals halt dann wieder fit genug, um auch noch die nötigen Haushaltsarbeiten zu erledigen. Ob Kochen oder Bügeln, das ist dann nur so geflutscht.

Hat Ihnen da nicht zumindest manchmal vor dem Alkohol gegraust?
Nein, der Alkohol hat mir immer sehr gut geschmeckt, auch schon im Teenageralter. Da habe ich mit dem Trinken angefangen. Eingestiegen bin ich mit süßen Schnäpsen, später habe ich dann zu Bier und Wodka gewechselt. Damals habe ich zwar nicht jeden Tag Alkohol konsumiert, aber wenn, dann so viel, bis ich völlig betrunken war. Ich habe schon damals einfach nicht aufhören können.

Bewundernswert, dass Sie trotzdem von der Droge losgekommen sind.
Sehr viel hat dazu beigetragen, dass ich nach meinem Zusammenbruch mit 45 Jahren dem Rat eines Arztes gefolgt bin und mich den Anonymen Alkoholikern angeschlossen habe. Die Gespräche in der Gruppe haben mir sehr geholfen und auch das Programm, das ich durchexerziert habe. Dabei ist das Ziel, schrittweise gegen die Krankheit vorzugehen und sie am Ende zum Stillstand zu bringen, indem man nichts mehr trinkt.

Ein Glaserl würde dazu führen, dass Sie sofort wieder große Mengen Alkohol zu sich nehmen?
Ja, alles würde wieder von vorn anfangen, daher muss meine Devise null Alkohol heißen.

Haben Sie Angst davor, trotz dieser Devise noch einmal rückfällig zu werden?
Nein, die Angst habe ich nicht, denn ich bin ein anderer Mensch geworden, als der, der ich früher war. Ich gehe heute ganz anders mit mir und meinen Problemen um. Ich lebe auch anders, habe mich scheiden lassen und wieder geheiratet, diesmal einen Mann, der mich unterstützt. Außerdem habe ich eine gute Beziehung zu meinen Kindern und viel Freude an meinen fünf Enkerln.

*) Name von der Redaktion geändert

Stand 05/2015

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