Medizin & Trends

Schmerzen in Nacken und Schulter

Wodurch werden Nacken- und Schulterschmerzen verursacht? Was lässt sich dagegen tun? Fragen wie diese beantwortet der Leiter des Klinikums Theresienhof in Frohnleiten.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN populär
Wie viele Personen sind von Schmerzen im Nacken und in den Schultern betroffen?


Prim. Univ. Doz. Dr. Klaus Engelke

Statistiken dazu gibt es nicht, aber höchstwahrscheinlich sind bis zu 90 Prozent aller Menschen irgendwann einmal im Leben von Schmerzen im Bereich des Nackens und der Schultern betroffen.

Wodurch werden diese Schmerzen verursacht?
Meistens durch Fehlhaltungen, die zum Beispiel beim Sitzen und Arbeiten am Computer eingenommen werden. Dabei wird der Kopf oft nach vorn gestreckt. Das belastet die gesamte Nackenmuskulatur und die Halswirbelsäule ungünstig. Zusätzlich fallen die Schultern und der obere Rücken meist nach vorn. Bei einer solchen Haltung verlassen Segmente der Wirbelsäule die Mittelstellung und verschieben die Belastung in der Halswirbelsäule vorwiegend auf die hinteren Strukturen der einzelnen Wirbel. Die Muskeln verspannen sich, passen sich sozusagen dieser Fehlhaltung an. Somit bleibt die falsche Haltung länger bestehen, wodurch letztendlich die Schmerzen entstehen.


Welche Auslöser gibt es noch?

Oft auch Fehlhaltungen, die bei anderen Tätigkeiten auftreten. Wenn jemand beispielsweise beruflich lang stehen oder gehen muss, wird häufig das Becken nach vorne gekippt, wodurch ein Hohlkreuz entsteht. Diese Fehlhaltung führt nicht nur an Ort und Stelle zu Schmerzen. Sie kann die gesamte Wirbelsäule belasten, dadurch kann es auch weiter oben wehtun. Oder es gehört zum Beruf, oft schwer zu heben. Wenn dabei nicht mit der richtigen Hebetechnik gearbeitet wird, kann es aufgrund von Fehlbelastungen nicht nur zu Beschwerden in der Lendenwirbelsäule kommen, sondern auch zu Schmerzen im Nacken und in den Schultern.

Welche Folgen können die Schmerzen haben?
Wenn gegen Schmerzen in Nacken und Schulter nichts unternommen wird, können weitere Beschwerden auftreten. Zuerst strahlen die Schmerzen häufig aus. Etwa in den Kopf oder den gesamten Rücken. Nach einiger Zeit können aus den akuten oder auch wiederholt auftretenden Schmerzen chronische Schmerzen werden. Langfristig kann es durch die Ursache der Schmerzen, also die Fehlhaltungen, auch zu Abnützungen der Schultergelenke und einzelner Strukturen der Wirbelsäule kommen, zur Arthrose. Oder zur Einengung der knöchernen Nervenkanäle, die ihrerseits wieder einen eigenen Schmerz auslösen. Oder auch zu Abnützungen der Bandscheiben bis zu einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule, der ebenfalls zu Schmerzen führen kann und zu Abschwächungen der Muskelkraft, Taubheitsgefühlen in den Armen und Beinen bis hin zu Gangstörungen.

Was lässt sich gegen die Schmerzen tun?
Auf jeden Fall sollte ein Arzt aufgesucht werden, der durch ein Gespräch und eine manuelle Untersuchung abklärt, worauf die Schmerzen in Nacken und Schulter zurückgehen und ob weitere diagnostische Maßnahmen nötig sind. In sehr seltenen wirklich schwerwiegenden Fällen, bei schweren Strukturveränderungen oder schwer geschädigtem Schultergelenk wird eventuell eine Operation nötig sein – manchmal auch der Einsatz eines künstlichen Gelenks. Meist wird aber eine Physiotherapie ausreichend helfen. Betroffene lernen die richtige Haltung beim Sitzen, Stehen und Gehen. Sie bekommen auch Übungen gezeigt, die einseitige Belastungen oder Überlastungen im Beruf oder in der Freizeit ausgleichen. Vermutlich noch häufiger wird es genügen, bei Nacken- und Schulterschmerzen und einem sitzenden Beruf ganz einfach bestimmte Regeln zu beachten. Dazu zählt, beim Sitzen bewusst immer wieder andere Haltungen einzunehmen. Außerdem gehört dazu, so oft wie möglich, mindestens aber einmal pro Stunde aufzustehen und wenigstens fünf Minuten lang ein kurzes und wirkungsvolles Übungsprogramm durchzuführen. Darüber hinaus gilt es, sich in der Freizeit viel zu bewegen und Ausgleichssport zu betreiben.

Egal, welchen Sport?
Solchen, der Spaß macht, denn nur dann wird er regelmäßig betrieben. Viele gehen ja gern Laufen, Radfahren oder Schwimmen, und das ist auch okay. Unbedingt sollten in die Sporteinheiten aber Übungen eingebaut werden, die den Rumpf, die Beckenmuskulatur, die Bauch- und Gesäßmuskulatur kräftigen, sowie die Oberschenkelmuskulatur dehnen. Denn die Körpermitte muss kräftig sein, um eine gute Haltung einnehmen zu können und so Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule und auch im Nacken und in der Schulter vorzubeugen. Außerdem empfehlen sich Übungen, die der Beweglichkeit und der Kräftigung und Dehnung der Schulter- und Nackenmuskulatur dienen und idealerweise täglich gemacht werden – zum Beispiel in  den fünfminütigen Bewegungspausen von der Schreibtischarbeit.

Buchtipp

Engelke, Hlatky
Nacken- & Schulterschmerzen
Was wirklich hilft
ISBN 978-3-99052-177-9   
96 Seiten, € 14,90 Verlagshaus der Ärzte
(siehe auch unten)
Mit vielen ausführlich bebilderten Übungen

Lockerer Nacken, kräftige Schultern

Einfach und effektiv: Die folgenden Übungen helfen, die Muskulatur zu dehnen bzw. aufzubauen. Die gesamte Übungsreihe finden Sie im Buch „Nacken- und Schulterschmerzen“ aus dem Verlagshaus der Ärzte.

Für mehr Beweglichkeit

  1. „Gecko“
    Auf einem Stuhl vor einer Wand Platz nehmen, die Hände gegen die Wand drücken. Wechselweise mit den Händen die Wand entlang nach oben „krabbeln“. Fünf- bis zehnmal wiederholen, mehrmals täglich ausüben.
  2. Außenrotation
    Auf einem Stuhl sitzend oder stehend die Arme an den Körper anlegen, die Unterarme heben und nach außen drehen, sodass sich die Schulterblätter schließen. Fünf Serien mit je zehn Wiederholungen und 30 Sekunden Pause dazwischen, mehrmals täglich ausüben.
  3. „Überzieher“
    Auf den Rücken legen, Beine leicht anwinkeln. Die Hantel in beide Hände nehmen und langsam über das Gesicht und den Kopf nach hinten und wieder zurück bewegen. Fünf Serien mit je zehn Wiederholungen und 30 Sekunden Pause dazwischen, mehrmals täglich wiederholen.

Statt einer Hantel kann auch eine gefüllte Wasserflasche verwendet werden.


Für mehr Kraft

  1. „Vierfüßler“
    Kniend im Vierfüßlerstand das Gewicht wechselweise auf die Hände und die Knie verlagern, wechselweise Rundrücken und Hohlrücken bilden, wechselweise Arme und Beine heben. Fünf Serien mit je zehn Positionswechseln und 30 bis 60 Sekunden Pause dazwischen.
  2. „Schwimmer“
    In Bauchlage die Arme anwinkeln, seitlich vom Körper wegstrecken, abheben. Dann Arme parallel nach vorne strecken, wieder retour. Drei bis fünf Serien, zehn Wiederholungen, 60 Sekunden Pause.


Zur Dehnung

  1. „Urlauber“
    In Rückenlage Beine aufstellen, die Arme hinter dem Kopf verschränken, Ellbogen langsam Richtung Matte führen.
    Drei bis fünf Serien,     je 30 bis 60 Sekunden halten.
  2. Kniestütz
    Auf die Knie gehen, auf die Unterschenkel setzen. Oberkörper auf die Oberschenkel legen, Arme nach vorne strecken.
    Drei bis fünf Serien, 30 bis 60 Sekunden lang halten.

 

Stand 01/2019

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