Wenn die lauten Schnarchgeräusche des Bettnachbarn einem den Schlaf rauben, ist das lästig und nervenaufreibend. Für den nächtlichen Ruhestörer selbst kann das Schnarchen allerdings noch viel dramatischere Folgen haben. Ein Experte erklärt für MEDIZIN populär, wie sich harmloses von gefährlichem Schnarchen unterscheiden lässt – und was man dagegen tun kann.
Von Mag. Alexandra Wimmer
Gesucht war der lauteste Schnarcher der Schweiz: Diesen Sommer lud der Zürcher Hans-Ulrich Kuratli zu einem besonderen Wettbewerb, einen Schnarch-Contest. Beim finalen Vorschnarchen „sägten“ vier Männer und eine Frau um die Wette. Gemessen wurden dabei Spitzen von mehr als 80 Dezibel, die etwa auch beim Hören lauter Musik erreicht werden.
So weit, so skurril. In den meisten Fällen ist Schnarchen tatsächlich eine für den Bettnachbarn zwar nervende, aber für den Betroffenen selbst harmlose Angelegenheit, die mit fortschreitendem Alter zunimmt – bei Männern mehr als bei Frauen. Umfragen zufolge schnarchen bei den Über-50-Jährigen rund ein Drittel der Frauen und mehr als die Hälfte der Männer – sehr zum Ärgernis der Bettpartner(innen). Denn während die Schnarcher sich selbst nicht hören, wird so mancher Schlafpartner durch das Gesäge regelrecht in die Flucht geschlagen. Die enervierenden Schnarchgeräusche entstehen, wenn beim Schlafen die Schleimhäute im Atemstrom vibrieren. „In 90 Prozent der Fälle sind es der weiche Gaumen und das Zäpfchen, die vibrieren“, sagt Dr. Robert Pavelka, HNO-Facharzt und Schlafmediziner in Baden und Wiener Neustadt. „Es kann aber auch der Zungengrund oder der Kehldeckel sein.“ Geräusche entstehen auch, wenn die seitlichen Rachenwände oder die Mandeln aneinanderreiben.
Zehn Prozent leben gefährlich
Zwar ist das Geschnarche in den meisten Fällen harmlos, bei jedem Zehnten steckt allerdings ein ernstes Problem dahinter. „Rund zehn Prozent der Männer, die störend schnarchen, haben ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, kurz OSAS, bei dem das Schnarchen mit einer Einengung des Atemweges und mit Atemaussetzern einhergeht“, erklärt Pavelka. Dann kommt es beim Einatmen zum Zusammenfallen – einem Kollaps – der Atemwege im Bereich von Rachen, weichem Gaumen, Zungengrund bis hin zum Kehldeckel oder Kehlkopf. „In der Folge kann für mehr als zehn Sekunden zu wenig oder gar keine Luft eingeatmet werden, und das mehr als zehn Mal pro Stunde.“ Grund dafür: Die Muskelspannung in dem Bereich ist zu niedrig, die Schleimhäute sind zu schlaff. „Beim Schlafen, aber auch mit zunehmendem Alter, ist der Muskeltonus herabgesetzt“, sagt Pavelka. „Dann werden auch die Schnarchgeräusche und die Atemaussetzer häufiger.“
50 plus und übergewichtig
Männer ab 50, die außerdem übergewichtig sind, sind besonders gefährdet für die nächtliche Atemstörung: Ihnen macht nicht nur die erschlaffende Muskulatur Probleme, im Rachenbereich lagert sich zudem Fett ab, was den Atemwegsdurchmesser verengt. „Viele Statistiken beweisen: Je höher das Gewicht ist, umso hochgradiger ist auch die Schlafapnoe“, weiß der Mediziner.
Daneben können anatomische Probleme – etwa ein ungünstiges Verhältnis zwischen der Größe der Zunge und des Kiefers – die gefährlichen Atempausen begünstigen: „Wenn jemand ein sehr kurzes oder enges Kinn hat, dann fällt der Zungengrund weiter zurück, sodass der Atemweg eingeengt ist“, verdeutlicht der Arzt. Nicht zuletzt gibt es einige wenige, die weder das eine noch das andere Problem haben, und trotzdem unter obstruktiver Schlafapnoe leiden.
Die Leiden der Betroffenen sind – unabhängig von der Ursache – vielfältig: „Viele klagen über Tagesmüdigkeit, weil sie in der Nacht schlecht schlafen, sie haben Kopfweh, einen ausgetrockneten Mund oder Rachen“, nennt Pavelka mögliche Folgen. „Tagsüber ist die Leistungsfähigkeit vermindert und die Betroffenen neigen zum Sekundenschlaf.“ Das Unfallrisiko im Straßenverkehr ist dadurch um das Drei- bis Siebenfache gesteigert.
Schwerarbeit im Schlaf
Neben diesen unmittelbaren Auswirkungen der gestörten Nachtruhe drohen schwere Folgeerkrankungen, insbesondere im Herzkreislaufsystem. Wenn nämlich die Atemwege regelmäßig eingeengt werden, ist verstärkte Atemleistung gefordert. „Der Betroffene muss gegen einen Widerstand die Atemwege öffnen, das erfordert Muskelkraft und führt zur Herz-Kreislaufbelastung in der Nacht“, sagt der HNO-Arzt. „Man wacht dadurch immer wieder kurz auf, ohne es zu bemerken.“ Nur am EEG lässt sich erkennen, dass der Patient kurz den Schlaf unterbricht, die Muskulatur angespannt wird, um die Atemwege im Rachen zu öffnen.
Auf Dauer führt dies zu Herzkreislauferkrankungen. „Man weiß, dass eine obstruktive Schlafapnoe in vielen Fällen zu Bluthochdruck und auch zu Herzrhythmusstörungen und aufgrund verengter Gefäße zu einer erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrate führt.“ Eine Statistik ergab, dass Über-50-Jährige mit einer schweren Form der Schlafapnoe eine um zehn Jahre verkürzte Lebenszeit haben. Alarmierend sind auch die Ergebnisse von Feldstudien, die man über zwölf Jahre lang an Tausenden Patienten durchführte: In dieser Zeit hatten 30 Prozent jener Patienten mit einer schweren Schlafapnoe einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, rund 17 Prozent sind daran verstorben.
Atemmaske und Schnarchschiene
Um derart dramatischen Folgen vorzubeugen, braucht es Maßnahmen, z. B. das Abbauen von Übergewicht. Bei manchen Patienten genügt schon die Gewichtsreduktion allein, um die Apnoe zu lindern oder ganz zum Verschwinden zu bringen. Auch sollten Betroffene abends auf Alkohol und Schlafmittel verzichten, weil durch sie die Muskelspannung weiter abnimmt.
Abgesehen davon gibt es je nach Schweregrad verschiedene Therapiemöglichkeiten: Zu den bekanntesten zählt das Tragen einer speziellen Atemmaske. „Nasale Überdruck-Beatmungsgeräte, bekannt als C-PAP-Therapie, sehen aus wie eine Art Tauchermaske, von der ein Schlauch zu einem Gerät führt, in dem ein leichter Überdruck erzeugt wird“, erklärt der HNO-Arzt. Dieser Überdruck sorgt dafür, dass beim Atmen die Atemwege offen bleiben, sodass die Patienten ungestört schlafen können. „Wie Statistiken zeigen, normalisiert sich durch das regelmäßige Tragen der Blutdruck, auch Herzkreislaufauswirkungen sind wesentlich geringer, die Überlebenszeit steigt.“
Eine Alternative dazu sind Schnarchschienen – Zahnschienen, die man über Ober- und Unterkiefer stülpt. Eine daran befestigte Stange zieht das Unterkiefer ein paar Millimeter nach vorne, sodass der Zungengrund nach vorne geschoben wird – der Atemweg wird weiter.
Schleimhaut-Lifting
Die Atemwege können außerdem chirurgisch erweitert werden: „Die bekannteste Erweiterungsoperation ist jene im Weichgaumen, bei der man bei einer Art Lifting die Muskulatur der Schleimhaut so strafft, dass sie nicht mehr so leicht zusammenfallen kann“, erläutert Pavelka. Auch der Zungengrund kann chirurgisch vorverlagert oder verkleinert werden, ebenso lassen sich starke Verkrümmungen der Nasenscheidewand operativ begradigen.
Allerdings: Der operative Eingriff eignet sich nicht für alle Betroffenen – der Patient darf nicht zu dick, die Schlafapnoe nicht zu stark ausgeprägt sein. „Je stärker die Apnoe oder das Übergewicht, umso eher sind mehrere Stellen im Rachen eingeengt“, erklärt der Arzt. „Dann genügt es nicht, eine Erweiterungsoperation durchzuführen, es müssen auch die anderen Bereiche erweitert werden.“ Die Grenzen einer chirurgischen Therapie sind erreicht, wenn dadurch Funktionen wie das Schlucken oder Sprechen leiden würden. Von jenen rund zehn Prozent der obstruktiven Schlafapnoe-Patienten, für die eine Operation in Frage kommt, kann cirka ein Drittel geheilt werden.
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Gefährlich oder harmlos?
Schnarchgeräusche geben Aufschluss
Sind die Schnarchgeräusche rhythmisch, dann ist das Schnarchen meistens harmlos. Gefährlich wird es, „wenn das Schnarchen immer wieder über mehr als zehn Sekunden aussetzt, gefolgt von einem sehr lauten Schnarchgeräusch, dem Verschlussöffnungsgeräusch“, betont der HNO-Facharzt und Schlafmediziner Dr. Robert Pavelka. Die typischen, besonders lauten Geräusche können 90 oder 100 Dezibel erreichen – das entspricht dem Lärmpegel eines schweren Lastwagens bzw. eines Presslufthammers. „Danach geht es für einige Atemzüge mit normalem Schnarchen weiter.“
Der Klang der Schnarchgeräusche wiederum kann verraten, in welchem Bereich der Atemweg eingeengt ist. „Das Gaumenschnarchen hat den klassischen sonoren, tieffrequenten Charakter“, erklärt Pavelka. Ganz anders das Zungengrundschnarchen: „Es klingt eher hart, metallisch, und hat eine höhere Frequenz.“ Daneben gibt es auch gemischte Schnarchformen.