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Wie Tiefschlaf und Gedächtnis zusammenhängen

Während wir schlafen, verarbeitet unser Gehirn die Erlebnisse des Tages und speichert sie als Erinnerungen ab. Doch wie genau funktioniert dieser Mechanismus? Ein Forschungsteam der Charité Berlin hat extrem seltenes Hirngewebe untersucht und neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Tiefschlaf die Gedächtnisbildung unterstützt.

Gehirnwellen machen Nervenzellen aufnahmefähig

Langsame Gehirnwellen, die im Tiefschlaf auftreten, versetzen die Nervenzellen in der Hirnrinde – dem Sitz des Langzeitgedächtnisses – in einen besonders aufnahmefähigen Zustand. Das fand das Team um Jörg Geiger, Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Charité, heraus. Fachleute gehen davon aus, dass unser Gehirn im Schlaf Erlebnisse erneut abspielt und dabei Informationen aus dem Hippokampus, dem Kurzzeitgedächtnis, ins Langzeitgedächtnis überträgt.

Untersuchung von entnommenem Hirngewebe

Um diesen Prozess genauer zu untersuchen, nutzten die Forschenden intaktes Gewebe aus der Hirnrinde von 45 Patientinnen und Patienten, die sich einem neurochirurgischen Eingriff unterziehen mussten. Das Gewebe konnte bis zu zwei Tage in einer speziellen Nährlösung überleben. In dieser Zeit analysierten die Forschenden mithilfe einer speziellen Technik die für den Tiefschlaf typischen Spannungsschwankungen und das Verhalten einzelner Nervenzellen.

Erinnerungen werden im richtigen Moment gespeichert

Die Untersuchung ergab, dass die synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen in einem ganz bestimmten Moment während der Spannungsschwankungen maximal verstärkt werden. „Die Synapsen arbeiten am effizientesten, wenn die Spannung von einem niedrigen auf ein hohes Niveau ansteigt“, erklärt der Neurophysiologe Franz Xaver Mittermaier. Genau in diesem kurzen Zeitfenster ist die Hirnrinde besonders aufnahmebereit. Spielt das Gehirn eine Erinnerung in diesem Moment ab, wird sie besonders effektiv ins Langzeitgedächtnis überführt. Der Tiefschlaf unterstützt die Gedächtnisbildung also, indem er diese Phasen erhöhter Aufnahmefähigkeit immer wieder erzeugt.

Neue Ansätze zur Verbesserung des Gedächtnisses

Die Erkenntnisse könnten in Zukunft helfen, das Gedächtnis gezielt zu verbessern – etwa bei beginnender Vergesslichkeit im Alter. Denkbar wäre eine gezielte Beeinflussung der „Slow Waves“ im Tiefschlaf durch Stromimpulse oder akustische Signale. „Bisher werden solche Stimulationen durch mühsames Ausprobieren optimiert“, so Geiger. „Unsere Ergebnisse könnten dabei helfen, das perfekte Timing zu finden und gezielte Methoden zur Unterstützung des Gedächtnisses zu entwickeln.“


Fotos: © istock undefined-undefined

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