Antibiotika sind weltweit die am häufigsten verschriebene Medikamentengruppe, und auch 60 Jahre nach ihrer Entdeckung noch der Bakterienkiller Nummer eins, zu dem es keine Alternativen gibt. Doch in Zeiten zunehmender Antibiotika-Resistenzen müssen Arzt und Patient gut zusammenspielen, damit Antibiotika auch optimal wirken.
Von Mag. Sabine Stehrer
Ob Bronchitis, Lungen- oder Mittelohrentzündung, Harnwegsinfektion oder entzündliche Hauterkrankungen: Grundsätzlich ist jede Krankheit, die auf eine bakterielle Infektion zurückgeht, mit Antibiotika zu besiegen. Denn das Medikament, dessen Name aus dem Griechischen kommt und soviel wie „gegen Lebendes“ heißt, hindert die schädlichen Bakterien daran, sich zu vermehren, löst ihre Zellwand auf, tötet und zerstört sie.
Unbedingt exakte Einnahme
Auf diese Art und Weise klingen Entzündungen, Schmerzen und andere Beschwerden ab, man fühlt sich rasch wieder fit und gesund. Auch wenn das so ist, sagt Univ.-Prof. Dr. Stefan Breyer, Internist und Experte für Infektionen am AKH Wien: „Die Antibiotika müssen nach dem Abklingen von Krankheitssymptomen unbedingt weiter genommen werden, und zwar in der Dosierung, zu der Uhrzeit und exakt so lang, wie es der behandelnde Arzt empfiehlt. Nur dann nützen sie dem Patienten wirklich.“
Der Grund: Haben die Bakterienkiller, die über Pillen oder Infusionen in den Körper gelangen, nicht Zeit genug, ihre Arbeit zu vollenden, lassen sie überlebende Bakterien zurück. Die kennen sozusagen ihren Feind und wissen, wie sie ihm in Zukunft widerstehen. Beim nächsten Einsatz von Antibiotika aus denselben oder ähnlichen Substanzen sind die Bakterien gegen den pflanzlich-chemischen Angriff resistent: Das Medikament wird zum Therapieversager, es wirkt nicht mehr. Antibiotika sind 60 Jahre nach ihrer Entdeckung auf der ganzen Welt die am meisten verschriebene Medikamentengruppe. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Antibiotika nicht immer so eingesetzt, wie sie eingesetzt werden sollten.
Sogar Tierfutter mischte man das Medikament bei, weil man sich davon eine raschere Gewichtszunahme bei den Tieren erwartete. Schließlich fanden sich Antibiotika in Grundwasser, Gülle und Nutzpflanzen wieder. Die Bakterien konnten ständig dazulernen, die Zahl der Antibiotika-Resistenzen nahm zu.
Keine Hilfe gegen Viren
Abgesehen von dem guten Zusammenspiel zwischen Arzt und Patient, wenn es um die richtige Einnahme geht, ist noch eines wichtig, damit Antibiotika auch in Zukunft optimal im Kampf gegen Bakterien bestehen: Der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit dem Medikament.
In den USA werden Antibiotika zum Beispiel bei Bronchitis zu 80 Prozent unnötig eingenommen, bei Halsweh zu 50 Prozent. In Österreich, wo nach Schätzungen bei jedem fünften Patient eine herkömmliche Antibiotika-Therapie versagen würde, weil Resistenzen bestehen, sei die Situation besser als in den USA, sagt Dr. Agnes Wechsler-Fördös, Antibiotika- und Hygienebeauftragte Ärztin der Krankenanstalt Rudolfsstiftung der Stadt Wien. „Auch im Vergleich zu anderen Ländern Europas gehen wir sorgsamer mit Antibiotika um. In Belgien, Frankreich, Portugal und Spanien werden zwei- bis dreimal mehr Antibiotika pro Einwohner verordnet, als in Österreich.“
Was kann man als Patient für den maßvollen Einsatz von Antibiotika tun? Prof. Breyer: „Den Arzt fragen, ob man das Medikament unbedingt braucht.“ Manchmal wäre es besser, dem Körper Zeit zu lassen, selbst Abwehrkräfte aufzubauen, denn nicht immer sei gleich zu erkennen, ob bakterielle Krankheitserreger hinter einer Erkrankung stecken. „Und gegen Viren, die hinter Infektionskrankheiten stecken, richten Antibiotika rein gar nichts aus.“
Weil Antibiotika nicht zwischen „bösen“ und „guten“ Bakterien unterscheiden können und auf alle losgehen, lösen sie oft unerwünschte Wirkungen aus. Sie irritieren die Darmflora und bescheren Durchfall, lassen einen Scheidenpilz wuchern oder einen Hautausschlag auftreten. Der Arzt kann helfen, die Beschwerden zu lindern, bis sie nach dem Absetzen der Antibiotika von selbst abklingen.
„Antibiogramm“ hilft
Haupteinsatzgebiet der Antibiotika sind die Spitäler. Auch dort bemühen sich die Mediziner, umsichtig mit der Ressource umzugehen. In vielen Krankenhäusern geben speziell ausgebildete „Antibiotika-Beauftragte“ Hilfestellung zur verantwortungsbewussten Anwendung. Bei bestehenden Infektionen wird anhand von Blut- und Harnanalysen oder Wundabstrichen ein „Antibiogramm“ erstellt. Dieses lässt erkennen, ob Resistenzen bestehen und erleichtert die Wahl des wirksamen Antibiotikums und der Dosierung.
Was sind Antibiotika?
Das erste Antibiotikum, Penicillin, wurde 1928 entdeckt und ab den 1940er Jahren in großen Mengen aus Schimmelpilzen gewonnen. Auch heute noch sind Antibiotika natürlich gebildete Stoffwechselprodukte von Bakterien, Pilzen oder Flechten, werden aber auch synthetisch verändert oder rein synthetisch hergestellt. Von 8.000 bekannten antibiotischen Substanzen werden derzeit etwa 160 im Kampf gegen Bakterien verwendet.
Wogegen wirken Antibiotika?
Gegen jede Infektion, die von Bakterien verursacht wurde, zum Beispiel:
* Bronchitis
* Eitrige Nasennebenhöhlenentzündungen
* Mandelentzündung
* Lungen- oder Mittelohrentzündung
* Harnwegsinfektion
* Wundinfektion
* Scharlach
* Entzündliche Hauterkrankungen
* Akne
Unerwünschte Wirkungen
- Hautausschlag – entsteht aufgrund einer Allergie gegen bestimmte antibiotische Substanzen, klingt nach einem Umstieg auf ein anderes Antibiotikum oder nach dem Abbruch der Therapie ab.
- Weicher Stuhl oder Durchfall – entstehen, weil die Antibiotika nicht nur schädliche Bakterien zerstören, sondern auch die nützlichen in der Darmflora, klingt nach dem Abbruch der Therapie ab. Manchmal ist neuerlich eine Antibiotika-Therapie notwendig.
- Störung des Immunsystems: Ist die Darmflora irritiert, wirkt sich das negativ auf die Immunabwehr aus, der Körper wird generell anfälliger für krankheitserregende Keime.
- Scheidenpilz – wuchert, wenn die guten Bakterien in der Scheidenflora vernichtet wurden.
- Selten kann es zu EKG-Veränderungen kommen.
- Selten zu Leber- und Nierenschäden.
- Manche Antibiotika bleiben wirkungslos, wenn sie in Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, koffeinhaltigen Getränken oder Milchprodukten treten.
Vorsicht im ersten Lebensjahr
Wenn Babys im ersten Lebensjahr zum Beispiel eine Ohrenentzündung haben, bekommen sie häufig Antibiotika verordnet. Wissenschaftler der Universität von British Columbia in Vancouver (Kanada) legen nun einen vorsichtigen Umgang mit Antibiotika nahe: Sie haben herausgefunden, dass zuviel davon im Baby-Alter das Risiko erhöhen, in späteren Jahren an Atemwegserkrankungen wie Asthma zu leiden.