Neurodermitis

August 2010 | Medizin & Trends

Die Krankheit der Kinder
 
Neurodermitis ist eine Krankheit der Kinder und Jugendlichen, die immer häufiger auftritt: 20 Prozent, also jeder Fünfte junge Österreicher, leiden mittlerweile an der Hautkrankheit, die sich in einem quälenden Juckreiz, Rötungen, nässenden Ekzemen und Schuppungen äußert. Bis zur Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter verschwindet das Leiden meist von selbst. Nur ein bis drei Prozent der Österreicher über 25 Jahren bleiben betroffen. Neuerkrankungen unter Erwachsenen kommen selten vor. MEDIZIN populär über die vermutlichen Ursachen von Neurodermitis, die besten Therapien und die Möglichkeiten, der Krankheit vorzubeugen.
 
von Mag. Sabine Stehrer

Neurodermitis wird auch atopische Dermatitis oder atopisches Ezem genannt – und diese Diagnosen werden immer häufiger gestellt: Trat das Leiden bei seiner Entdeckung im 19. Jahrhundert noch vereinzelt auf, sind heute hierzulande wie auch in allen anderen westlichen Industriestaaten der Welt bis zu 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen.

Worauf die Steigerung zurückzuführen ist? DDr. Andreas Schindl, Allgemeinmediziner und Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Ordinationen in Wien und Retz: „Man vermutet, dass die heute im Vergleich zu früher intensiven Hygienemaßnahmen die Entstehung der Krankheit begünstigen.“ Nach dieser sogenannten Hygiene-Hypothese wird das Immunsystem durch häufiges Waschen weniger oft mit krankmachenden Erregern konfrontiert, hat zu wenig Übung und überreagiert daher bereits, wenn es mit harmlosen Substanzen wie Blütenpollen, Hausstaubmilben, Tierhaaren oder bestimmten Nahrungsmitteln in Kontakt kommt. Die Überempfindlichkeit des körpereigenen Abwehrsystems äußert sich bei Neurodermitikern in Form von Juckreiz, Rötungen, nässenden Ekzemen oder schuppiger Haut. Die Folge ist ein Teufelskreis: Auf das Jucken folgt Kratzen, die Haut wird rissig. „Durch die rissige Haut können die verschiedenen, wiederum den Juckreiz auslösenden Substanzen leichter in die Haut eindringen und die Symptome verstärken bzw. neuerlich auslösen“, so Schindl weiter.

Andere vermutete Ursachen für die Verbreitung der Krankheit sind zunehmende Überempfindlichkeiten gegenüber Klimafaktoren wie Kälte und trockene Luft, Schwankungen im Hormonhaushalt, aber auch zunehmende psychische Belastungen. Und schließlich spielen auch die Gene eine Rolle. Schindl: „Wenn beide Eltern Neurodermitiker sind, hat ein Kind ein 70-prozentiges Risiko, ebenfalls an Neurodermitis zu erkranken.“

Warum die Krankheit bei der großen Mehrheit der Betroffenen bis zur Pubertät verschwindet oder in eine Asthmaerkrankung bzw. eine Pollenallergie übergeht, weiß man ebenfalls nicht.  Der Anteil der Neurodermitiker unter den erwachsenen Österreichern über 25 Jahren liegt jedenfalls nur bei ein bis drei Prozent.

Babys, Schulkinder, Erwachsene
Woran erkennt man eine Neurodermitis? Schindl: „Die Neurodermitis sieht sehr unterschiedlich aus, je nachdem, ob sie im ersten Lebensjahr, bei einem Schulkind oder erst im Erwachsenenalter auftritt, was allerdings selten vorkommt.“ Bei neurodermitischen Babys bildet sich eine gelbliche bis braune Kruste an Gesicht, Hals, Armen und Beinen, die dem sogenannten Milchschorf ähnelt. Erkrankte Kinder haben einen Juckreiz und Rötungen im Gesicht, am Hals, im Nacken, an den Schultern, in den Ellenbeugen und Kniekehlen, manchmal auch an den  Hand- und Fußrücken. Im Schulalter bessern sich die Hautbeschwerden oft, doch zusätzlich treten dann bei vielen Betroffenen Asthmaerkrankungen und Pollenallergien auf. Bei Erwachsenen juckt die Haut, ist gerötet, trocken, rissig und schuppt auch, wenn sich eine Neurodermitis ankündigt.
Ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener: Andere Erkennungsmerkmale der Neurodermitis sind auffallend schüttere Augenbrauen, doppelte Unterlidfalten, eingerissene Mundwinkel und Ohrläppchen.

Früherkennung wichtig

„Um abzuklären, ob es sich bei den beschriebenen Symptomen um Neurodermitis handelt, sollte man möglichst schnell einen Arzt aufsuchen“, sagt Schindl. Der Grund: „Frühzeitig erkannt, kann Neurodermitis oft schon mit simplen Maßnahmen gelindert werden, und die Patienten haben gute Chancen, über einen längeren Zeitraum nahezu beschwerdefrei zu bleiben.“ Heilbar ist Neurodermitis allerdings nicht.
Für die Diagnose wird zunächst ein Arzt-Patient-Gespräch geführt, bei dem abgeklärt wird, wo, wann und wie sehr die Haut juckt und seit wann etwaige Hautveränderungen bestehen. Zur Diagnose gehören auch ein Allergie- und Bluttest, um herauszufinden, ob die Erkrankten auf bestimmte Substanzen allergisch reagieren, damit sie die Allergieauslöser meiden können, was bereits Teil der Therapie ist.

Haut pflegen, Juckreiz stillen
Schindl: „Abgesehen von der Meidung der Allergieauslöser besteht die Therapie der Neurodermitis in entsprechender Pflege.“ Pflege heißt in diesem Fall, die Haut täglich gut mit medizinischen Cremen und Salben eincremen, um die Entstehung des Juckreizes zu verhindern, der in den Teufelskreis aus Jucken, Aufkratzen, Rötung, Schuppung, der Bildung von Rissen, Ekzemen und auch Pilzinfektionen führt. „Kommt ein Schub, werden am besten kortisonhältige Salben auf die juckenden Flecken aufgetragen oder andere Mittel, die ebenfalls die Entzündung lindern“, so Schindl weiter. Außerdem gibt es Medikamente in Tabletten- oder Tropfenform, die sogenannten Antihistaminika, die das körpereigene Histamin blockieren – das ist die Substanz, die den Juckreiz verursacht.

Urlaub am Meer hilft

Worauf Neurodermitis-Patienten außerdem achten sollten: Heißes Duschen oder langes Baden meiden, wenn geschwitzt wird, die Haut so bald wie möglich reinigen, denn auch intensive Hygienemaßnahmen und Schweiß können die Haut belasten und zu Juckreiz & Co führen. Schindl: „Viele Patienten machen auch gute Erfahrungen mit medizinischen UVA- oder UVB-Bestrahlungen.“ Anderen nützen Softlaser-Bestrahlungen oder Methoden aus der Alternativmedizin wie Akupunktur. „Besteht eine Nahrungsmittelallergie, was allerdings wesentlich seltener der Fall ist, als von den Patienten und ihren Angehörigen angenommen, empfiehlt es sich, die allergieauslösenden Nahrungsmittel wegzulassen“, so Schindl weiter.

Bei schweren Schüben ebenfalls eine Therapiemöglichkeit: Ein stationärer Krankenhausaufenthalt, bei dem juckreizstillende Mittel über Infusionen gegeben und Ganzkörperwickel mit entzündungshemmenden Cremen gemacht werden. Was allen Neurodermitikern zu empfehlen ist: ein Badeurlaub am Meer. Sonne und Meersalz tun der Haut gut.

Kann man der Neurodermitis vorbeugen? „Ja“, sagt Schindl. „Wenn die Mutter während der Schwangerschaft nicht raucht, ist schon viel zur Vorbeugung getan.“ Wenn sie ihr Kind außerdem vier bis sechs Monate stillt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es an Neurodermitis erkrankt, ebenfalls gering, da durch das Stillen das Immunsystem gestärkt wird.

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