Bewegungsapparat & Sport

Fitness für Einsteiger

Bequemlichkeit und Bewegungsdrang sind zwei zutiefst menschliche Regungen. Doch den wenigsten gelingt es, die beiden im Gleichgewicht zu halten. Guten Vorsätzen zum Trotz, hat das „innere Faultier“ bei den meisten die Oberhand. In Bewegung zu kommen fällt eben schwer, in Bewegung zu bleiben erst recht. Gesund wär’s ja, das weiß man, und gut tun würde es auch – aber wie fängt man an? Und vor allem: Wie bleibt man dran? In MEDIZIN POPUÄR verraten Experten Tricks für den Start ins sportliche Leben und sagen, was beim Definieren von Zielen und Planen des Trainings zu beachten ist und worauf es ankommt, damit endlich auch Sie von den vielen gesundheitlichen Vorteilen der Bewegung profitieren können.

Von Mag. Sabine Stehrer & Mag. Alexandra Wimmer

Noch hat das „innere Faultier“ die Menschheit fest im Griff. Wie fest, das beziffert Univ. Prof. Dr. Norbert Bachl, Direktor des Österreichischen Instituts für Sportmedizin im Sportzentrum für Sportwissenschaften der Universität Wien: „Wir wissen, dass weltweit und daher auch hierzulande 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung gar keinen Sport ausüben, und 20 bis 30 Prozent nur hin und wieder.“ Lediglich 25 Prozent betreiben regelmäßig Sport. Und regelmäßig heißt: drei- bis viermal in der Woche eine halbe bis eine Dreiviertelstunde.

Zwar wissen die meisten, dass Sport und Bewegung gesund sind. Und alle Jahre wieder steht es bei vielen ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze. Heuer sind es laut einer Umfrage der „eBay Austria GmbH“ immerhin 27,2 Prozent der Österreicher, die (mehr) Bewegung in ihr Leben bringen wollen. Doch die wenigsten schaffen den Schritt vom Wunsch zur Wirklichkeit. Wenn es Zeit ist, zum Schwimmen, Tennis oder dem Volleyballtraining aufzubrechen, siegt am Ende doch wieder die Trägheit.

Warum ist es gar so schwierig, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden? „Offensichtlich sind wir so gesteuert, dass wir für unsere Gesundheit häufig erst dann sorgen, wenn sie in Gefahr ist“, beobachtet MMag. Gernot Schauer, Klinischer und Gesundheitspsychologe, Sportwissenschaftler und Psychotherapeut, aus Herzogsdorf im Mühlviertel. „Solange es uns gut geht, ist die Einsicht, dass Sport gesund ist, zwar oft vorhanden – die Einsicht, selbst Sport zu brauchen, fehlt jedoch sehr häufig.“ Dieser ungesunden Haltung können wir etwas sehr Wirksames entgegensetzen: unseren natürlichen Bewegungsdrang, der laut Psychologen „sehr wohl in uns vorhanden“ ist.

Das Trainieren lernen
Was nun können Bewegungsmuffel, die womöglich ihr ganzes bisheriges Leben jeder sportlichen Betätigung widerstanden haben, tun, damit der natürliche Bewegungsdrang dauerhaft über die offenkundig ebenso menschliche Bequemlichkeit siegt? Wie hantelt man sich erfolgreich zu einem aktiven Leben hoch? „Um das Training zum glücksbringenden Erlebnis zu machen, muss man mit Geduld und klaren Zielen herangehen“, betont Mag. Miriam Biritz, Sportwissenschaftlerin und Personal Trainerin in Wien.

Denn nicht selten scheitert der Einstieg ins sportliche Leben an unrealistischen Erwartungen und allzu ehrgeizigen Trainingsplänen. Schließlich will auch das Trainieren gelernt sein – und an seinem Anfang steht ein machbarer Trainingsplan. „Nützen Sie die Zeit, in der Sie am aktivsten sind und planen Sie den Sport an den Tagen, an denen Sie keinen Zeitdruck bekommen“, rät Miriam Biritz allen Einsteigern. „Wird das Training gut in den Alltag eingebettet, gibt es weniger Misserfolge.“

Frage der Regelmäßigkeit
Verbindlichkeit ist ein wesentlicher Motor zum Dranbleiben: „Es ist sehr wichtig, zu einer bestimmten Regelmäßigkeit, zu einem Ritual, zu finden. Man sollte sich genau überlegen, an welchen Tagen, zu welcher Uhrzeit, man sportelt – und dies dann verbindlich tun“, betont Gernot Schauer. Das bedeutet, dass man z. B. jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag um 17 Uhr trainiert. „Fixe Trainingszeiten helfen, sich selbst und den Körper auf Bewegung zu programmieren. Das Training wird dadurch zunehmend selbstverständlich“, erklärt der Psychologe. „Wer über Monate regelmäßig trainiert hat und plötzlich mit dem Sport aufhört, wird die Bewegung vermissen und dann womöglich eine innere Unruhe empfinden.“

Diese Programmierung, welche die Ausdauer stärkt, hilft auch über so manche Durststrecke hinweg. Für die meisten ist das Dranbleiben ohnedies viel schwieriger als das Anfangen. Für den langfristigen Sieg über das „innere Faultier“ bedarf es deshalb oft weiterer Tricks: „Ich verfechte den polysportiven Zugang“, regt Schauer etwa an. „Das heißt, man sollte zum Beispiel nicht nur laufen gehen, sondern auch Rad fahren und womöglich eine Ballsport- oder Kraftsportart betreiben. Denn Abwechslung motiviert.“ Hinzu kommt, dass man dank eines vielfältigen Trainingsprogramms unterschiedliche Fähigkeiten trainiert.

Persönliche Ziele
Blutige Anfänger sollten sich zunächst aber auf eine Sportart konzentrieren und ihr sportliches Repertoire Schritt für Schritt erweitern. Damit die Auswahl der passenden Sportart nicht zur „Wahl der Qual“ wird, orientiert man sich am besten an den persönlichen Vorlieben. „Ganz wichtig ist, dass die Sportart Spaß macht – und außerdem den persönlichen Zielen entspricht“, betont Personal Trainerin Biritz. „Wer Gewicht verlieren möchte und Minigolf lustig findet, hat ein Problem, da man mit Minigolf nicht wirklich abnehmen kann.“ Entweder man findet eine ansprechende Alternative – oder eine kreative Lösung. Biritz schlägt vor: „Man könnte eine längere Strecke zum Minigolfplatz laufen, ein paar Partien spielen – und wieder zurücklaufen.“

Gesunder Ausgleich
Mit der Wahl der Sportart gilt es zudem einen sinnvollen Ausgleich zum Alltag zu schaffen. „Von vornherein muss entschieden werden, ob man den Sport alleine oder mit anderen in der Gruppe betreiben will“, erklärt der Psychologe Gernot Schauer. Um diese Entscheidung treffen zu können, sollte man sich etwa fragen, was eine sinnvolle Ergänzung zur bisherigen Lebensgestaltung sein könnte. „Wenn man zum Beispiel tagtäglich im Beruf viel mit anderen Menschen zu tun hat, kann es Sinn machen, sich vor Dienstbeginn mit sich selbst in Form von meditativem Laufen zu beschäftigen“, regt Schauer an. „Für eine Person, die den ganzen Tag im Büro sitzt und ausschließlich per Mail mit anderen kommuniziert, könnte es sinnvoll sein, Sport in einer Gruppe zu betreiben.“

Bewegung wirkt schnell
Wer vorhat, zum Wohl der Gesundheit die Leistungsfähigkeit zu verbessern, müsse aber etwas mehr tun, sagt Univ. Prof. Dr. Paul Haber, Leiter des Zentrums für medizinische Trainingstherapie & Trainingsberatung: „Optimal trainiert man mit einem Mix aus Ausdauer- und Krafttraining, für den man sich dreimal in der Woche je eineinhalb Stunden Zeit nimmt.“
Wer so ein Programm beibehält, bemerkt schon nach drei Wochen deutliche Verbesserungen, verspricht der Experte. Dann wird man merken, dass sich die Einkaufstaschen leichter als früher tragen lassen, dass sich schwere Türen leichter öffnen lassen, dass man beim Treppensteigen nicht mehr so schnaufen muss, dass man sich insgesamt beweglicher fühlt. Der Grund: Zu diesem Zeitpunkt hat das Krafttraining bereits bewirkt, dass die Muskeln synchroner arbeiten als früher und kräftiger geworden sind. Das Ausdauertraining hat das Herz- und Kreislaufsystem leistungsfähiger gemacht, der Stoffwechsel funktioniert besser.

Aus dem regelmäßig betriebenen Hobbysport ergeben sich schließlich noch eine Reihe anderer positiver Auswirkungen, die nicht nur körperlicher Natur sind. „Man erlangt vor allem ein ganzheitliches Wohlbefinden“, berichtet Gernot Schauer. „Außerdem ist man nicht nur emotional, sondern auch kognitiv ausgeglichener. Durch die Bewegung lassen sich nämlich auch die Konzentration, die Flexibilität und Ziel­gerichtetheit erhöhen. Außerdem betreibt man mit dem Sport eine aktive Prävention gegen Burn-out und Depressionen.“ Nicht zuletzt stelle sich durch die Endorphinausschüttung „so etwas wie ein Glücksgefühl“ ein.

Innere Bereitschaft
Meist sind es allerdings nicht die langfristigen Auswirkungen sondern ganz konkrete Ziele, welche die meisten überhaupt zum Trainieren motivieren – sei es, dass man beim Stiegensteigen nicht mehr außer Atem kommen möchte, dass man sich kräftiger fühlen oder ein paar Kilos abnehmen möchte. Indem man positive innere Bilder entwickelt, kann man nicht nur das Erreichen des Zieles, sondern auch die eigene Motivation fördern. „Die innere Vorstellungswelt, die man sich schafft, ist eine entscheidende Komponente“, erklärt der Sportpsychologe Schauer. „Man sollte sich deshalb öfters als eine aktive, sich bewegende Person vorstellen.“ Je konkreter man visualisiert, desto besser: Man sieht sich, wie man ausdauernd seine Schwimmlängen bewältigt, wie man beim Tennis kraftvoll aufschlägt. Abnehmwillige stellen sich selbst mit weniger Kilos in Bewegung vor. „Dank der konkreten Vorstellung entwickelt man mit der Zeit eine starke innere Bereitschaft zur Bewegung – und man trainiert automatisch“, stellt Schauer in Aussicht.

Und damit die innere Bereitschaft möglichst lange über das „innere Faultier“ siegen kann, sollte man auf das Feiern und Belohnen nicht vergessen. Biritz: „Belohnungen – sei es ein Kinobesuch oder eine entspannende Massage – sind ein effektives Werkzeug, um die Motivation zu steigern.“

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Auf Bewegung programmiert:
Sport in der Kindheit hilft beim Wiedereinstieg

Wer sagt, ich habe in meiner Jugend so viel Sport gemacht, das reicht fürs ganze Leben, der irrt. Denn so schnell, wie die Vorteile eines angemessenen und regelmäßigen Trainings bemerkt werden, so schnell ist es auch wieder vorbei damit, wenn man eine Pause einlegt. Sportmediziner Univ. Prof. Dr. Paul Haber: „Man kann keine Depots an Leistungsfähigkeit anlegen. Bei jemandem, der nach fünf Monaten Training zwei Monate lang pausiert, ist alles weg, was er sich erworben hat, der kann dann wieder von vorn anfangen.“ Allerdings dauert es dann nicht mehr so lange, bis der einmal erworbene Trainingszustand erreicht wird.

Das gilt auch für all jene, die in der Kindheit oder Jugend sportlich aktiv waren – sie sind beim Wiedereinstieg eindeutig im Vorteil. Der Grund: Die Bewegungsmuster, die man sich etwa beim Schwimmen oder Fußballspielen erarbeitet hat, sind immer noch präsent. „Man kann darauf bauen, dass der Körper die Prozesse und Bewegungsabläufe, die er bereits durchgemacht hat, abgespeichert hat“, erklärt Sportwissenschaftlerin Mag. Miriam Biritz. „Zwar ist deshalb keine muskuläre Basis vorhanden, sehr wohl aber im Hirn eine neuronale Basis, die einen schnellen Aufbauprozess begüns­tigt.“ Wenn man wieder zu trainieren beginnt, muss das Gehirn keine neuen Verknüpfungen herstellen, sondern kann auf altbekannte Prozesse zurückgreifen. Fazit der Expertin: „Je früher man in der Kindheit mit dem Sport begonnen und je länger man Sport betrieben hat, desto leichter fällt der Wiedereinstieg.“

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Sportmedizinische Untersuchung:
Welches „Bewegungsmedikament“ brauche ich?

Bewegung ist wie ein Medikament, das richtig eingesetzt, dosiert und auch kontrolliert gehört“, sagt Univ. Prof. Dr. Norbert Bachl, Direktor des Österreichischen Instituts für Sportmedizin im Sportzentrum für Sportwissenschaften der Universität Wien. „Deswegen würde ich jedem Menschen, der über 35 Jahre alt ist und einige Jahre lang keinen oder überhaupt noch nie Sport betrieben hat, eine  sportmedizinische Untersuchung empfehlen.“

Bei der Untersuchung erfährt man, welche Sportarten das richtige „Bewegungsmedikament“ für einen wären, und wie oft, wie lang und wie intensiv man sich darin üben soll, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Bachl: „So minimiert man auch das Risiko, Fehler zu begehen, die nicht nur zu Überlastung oder Schmerzen führen können, sondern auch zu einem allzu raschen Ende des sportlichen Lebens.“

Wesentliche Bestandteile einer sportmedizinischen Untersuchung sind ein ärztliches Gespräch über gesundheitliche Vorbelastungen, ein klinischer Check inklusive orthopädischer Untersuchung und Belastungstest auf dem Fahrrad-Ergometer eventuell mit Laktatmessung. Hinzu kommen ein Lungen- und Muskelfunktionstest sowie bei Bedarf eine Blutuntersuchung. Auf Grund der Ergebnisse werden Empfehlungen gegeben: für die Wahl der Sportart(en), die den körperlichen Voraussetzungen und persönlichen Vorlieben entsprechen, den Trainingsumfang und die Trainingsintensität. Alles zusammen nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch.

Foto: iStock, Jacob Wackerhausen

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