Bewegungsapparat & Sport

Männersport – Frauensport

Es gibt logische, physio-logische Gründe, die erklären, warum Männer schneller rennen, höher springen, mehr stemmen als Frauen. Und es gibt Gründe, die erklären, warum Frauen beim Bodenturnen die Nase vorn haben. Der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau bringt also tatsächlich Unterschiede bei der sportlichen Performance. Wie groß und wie bedeutend er im Hochleistungs- bzw. Breitensport wirklich ist, erläutert ein Sportmediziner für MEDIZIN POPULÄR.

Von Bettina Benesch

1928 war ein verheerendes Jahr für den Frauensport – obwohl alles so gut angefangen hatte: Bei den Olympischen Spielen in Amsterdam durften erstmals Frauen an Turn- und Leichtathletik-Wettbewerben teilnehmen, zum ersten Mal entzündeten die Veranstalter das olympische Feuer. Und auch der deutsche Sieg in der Frauen-Leichtathletik über 800 Meter passte ins Bild. Dann das Unglück: Nach dem Zieleinlauf brachen die zweit- und drittplatzierten Kanadierinnen zusammen. Dieses „Hinlegen“ der Athletinnen ist ein heute bekanntes Phänomen, das bei extremer sportlicher Belastung auftritt und keinen lebensbedrohlichen Zustand darstellt. Windige Sportfunktionäre folgerten damals jedoch, dass der Frauenkörper für Ausdauerleistungen im Sport schlichtweg nicht geschaffen sei.

Dass eine der beiden zusammengebrochenen Läuferinnen am nächsten Tag mit ihrer Staffel über 4 x 100 Meter Gold gewann, änderte an dieser Meinung nichts. Im Olympiabuch zu den Olympischen Spielen in Los Angeles 1932 heißt es: „Nach Ansicht vieler sind die Anstrengungen eines solchen Laufs für den weiblichen Körper zu groß.“ Also durften Frauen zu Olympischen Läufen über 400 und 800 Meter nicht mehr starten. Mehr als 30 Jahre lang.

Zehn Prozent Leistungsunterschied

Heute zweifelt niemand mehr daran, dass Frauen jeden Sport ausüben können und sollen, der ihnen Spaß macht. Dennoch gibt es mehrere Faktoren, die Frauen und Männer beim Sport trennen – und die basieren auf unverrückbaren biologischen Voraussetzungen: Frauen sind in der Regel kleiner und leichter als Männer; ihr Herz, ihre Atemwege und Lungen sind relativ kleiner, die Herzfrequenz relativ höher, die Blutmenge und der Wert des Sauerstofftransporteurs Hämoglobin sind relativ geringer. Durchschnittlich ist ein Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen von etwa zehn Prozent belegt. „Wenn Sie eine 60 Kilogramm schwere Frau neben einen 60 Kilogramm schweren Mann stellen – beide gleich gut trainiert –, ist der Mann im Vorzug“, sagt Univ. Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, Vorstand des Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Es gibt aber auch etwas, das die Frauen den Männern voraus haben: Bänder und Muskeln von Frauen sind beweglicher als die von Männern, was erklärt, warum Bodenturnen, Gymnastik und Tanz Domänen der Frauen sind.

Muskeln und Hormone

Ein Grund für den kleinen Unterschied beim Sport liegt in den Muskeln: Muskelzellen von Frauen besitzen weniger Mitochondrien als die von Männern. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen. Ohne Mitochondrien keine Energie. Dazu kommen die Hormone: Bis zur Pubertät unterscheiden sich Burschen und Mädchen nicht in Sachen Leistung beim Sport, setzt die Pubertät aber ein, kommen die Hormone ins Spiel. Erwachsene Frauen bauen bei sportlicher Belastung mehr Fett ab als Männer, dafür aber weniger Eiweiß; und sie verstoffwechseln weniger Kohlenhydrate. Grund dafür ist unter anderem das weibliche Sexualhormon Östrogen. Forscher, die Männern Östrogene verabreichten, berichteten von reduziertem Kohlenhydrat- und Eiweißabbau auch beim augenscheinlich sportlicheren Geschlecht.

Gegenspieler des Östrogens ist das Testosteron, das im weiblichen wie im männlichen Körper vorkommt;  im weiblichen nur in wesentlich geringeren Mengen. Die geringe Testosteronkonzentration im weiblichen Körper ist verantwortlich für die verminderte Muskelkraft von Frauen – und dafür, dass sie größere Fettspeicher in Muskeln und Hautgewebe anlegen: Trainierte Sportlerinnen haben einen Fettanteil von etwa 18 Prozent, vergleichbare Sportlerkollegen einen von etwa elf Prozent. Die durchschnittliche Frau hat einen Fettanteil von etwa 25 Prozent, der durchschnittliche Mann kommt auf etwa 15 Prozent.

Mit all diesen biologischen Faktoren lässt sich im Groben erklären, warum die Wien-Marathon-Gewinnerin Andrea Mayr Mitte April 2009 eine Zeit von 2:30:43 gelaufen ist, während der männliche Gewinner Gilbert Kirwa nach 02:08:21 das Ziel passierte. Trotzdem: „Selbst wenn die Marathonläuferinnen 15 oder 20 Minuten langsamer sind als die Marathonläufer: Sie spielen immer noch in der oberen Liga mit – auch in der Männerwelt“, sagt Niebauer. „Wichtig ist: Jede Form der Bewegung, die Spaß macht, ist gut – egal ob für Mann oder Frau.“

Wettkampf und Plauderlauf

Neben Hormonen und Muskulatur gebe es zwei weitere zusammenhängende Faktoren: Evolution und Erziehung, sagt Niebauer und erzählt die Geschichte vom attraktiven mammuterlegenden Jäger, der nur dann eine Frau in Aussicht hatte, wenn er ihr versichern konnte, sie und ihre Kinder gut zu versorgen. Auch heute würden Burschen noch zu harten Indianern erzogen und nähmen Rollen ein, die sich auch in der Wahl der Sportart niederschlügen, so Niebauer: „Das Gros der Männer ist auf Leistung aus, auf Wettkampf. Die meisten Frauen treiben Sport weniger, um sich zu messen, sondern, weil sie es gern machen oder der Gesundheit wegen. Frauen achten eher auf ihren Körper, Männer dagegen sind in den Verletzungsstatistiken überproportional vertreten.“

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Tipps für Frauen

Beim Laufen kurze Sprints einbauen

Läuferinnen, die schneller werden möchten, haben das Intervalltraining auf ihrer Seite: ein paar 100 Meter moderat laufen, auf ein paar 100 Metern Gas geben. Immer im Wechsel.

Muskelaufbau besser in der ersten Zyklushälfte

Laut Forschern der Ruhruniversität Bochum können Frauen den positiven Effekt von Sport möglicherweise steigern, wenn sie ihr Training am Menstruationszyklus orientieren und die Termine fürs Krafttraining in die erste Zyklushälfte setzen. Unabhängig von den Forschern der Uni Bochum raten der Sportmediziner Prof. Dr. Georg Neumann und der Trainingswissenschafter Prof. Dr. Kuno Hottenrott, Aus­dauertraining eher in die zweite Zyklushälfte zu verlegen, intensivere Belastungen eher in die erste Zyklushälfte. Dogma ist das jedoch keines: Wer in der zweiten Zyklushälfte Gewichte stemmen möchte, tut das in der zweiten Zyklushälfte.

Während der Menstruation bei Bedarf Auf Schongang stellen

Auch wenn die Menstruation in Schulzeiten als Grund für die Turnbefreiung galt: Es gibt keinen medizinischen Grund, der ein Sportverbot während der Tage rechtfertigen würde. Im Gegenteil: Bewegung kann Krämpfe lösen und vertreibt trübe Gedanken. Dennoch ist es mitunter sinnvoll, das Training während der Menstruation anzupassen, also ruhig einmal langsamer laufen, wenn es gut tut, oder eine kürzere Strecke wählen als üblich.

Tipps für Männer

Beim Laufen einen Gang runterschalten

Die Hausrunde stets Vollgas zu laufen, hat keinen leistungssteigernden Effekt. Klar gehören auch schnelle Läufe zum Training, als Basis dient jedoch die Grundlagenausdauer, die durch kontinuierliches, moderates Training im Wechsel mit schnelleren Intervallen oder schnelleren Läufen erreicht wird.

Kraftausdauer trainieren statt Maximalkraft

Auf Maximalkraft trainierte Muskeln sehen zwar knackig und attraktiv aus, im Alltag sind sie jedoch nur eingeschränkt zu brauchen, schließlich geht es nicht nur darum, die Kiste Bier zu stemmen, sondern auch darum, sie zum Auto zu tragen. Und dafür braucht es Kraftausdauer. Die fördert man mit Gewichtheben im Kraftausdauerbereich und mit Ausdauersport.

Foto: iStock, Tomwang112

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