Von Mag. Sabine Stehrer
(1) Welcher Lärm ist für das Gehör besonders gefährlich?
„Jeder Lärm, der eine bestimmte Stärke übersteigt und dem man längere Zeit ausgesetzt ist, ist für das Gehör gefährlich“, sagt Univ. Prof. Dr. Walch. Als bedenkliche Lautstärke definiert der Experte 85 Dezibel, was in etwa dem Schallpegel an einer belebten Straße entspricht. „Gefährlich lang ist eine Einwirkdauer ab acht Stunden“, sagt Walch und ergänzt: „Lärm oder laute Musik ab 88 Dezibel sollten nur vier Stunden auf das Gehör einwirken, Lärm oder laute Musik ab 91 Dezibel, wie sie in einer Disko oder bei einem Konzert oft erreicht
werden, nur zwei Stunden.“ Eine oft unterschätzte Gefahr für das Gehör ist das Hören von Musik über MP3-Player: Diese Geräte können eine Lautstärke von bis zu 100 Dezibel erreichen. Aber auch laute Haushaltsgeräte wie Mixer oder Staubsauger sowie Rasenmäher, Rasentrimmer oder Schneefräsen sind nicht gut für die Ohren, sagt Walch: „Wer keine Hörschäden riskieren möchte, sollte bei diesen Tätigkeiten einen Gehörschutz tragen.“
In Acht nehmen sollte man sich schließlich noch vor lauten Knallgeräuschen – wie sie etwa bei einem Feuerwerk entstehen oder beim Böllerschießen. Sie können zu vorübergehenden, aber auch dauerhaften Beeinträchtigungen des Hörvermögens führen.
(2) Wie kommt es zu einem Hörschaden?
Damit wir hören, wandeln die Härchen an den Sinneszellen im Ohr die Schallwellen in elektrische Impulse um und leiten sie ans Gehirn weiter. Durch Überbelastung werden diese Härchen abgenützt – und sie werden nach und nach weniger. „Kommt es nur einmalig zur Überbelastung, etwa während eines Disko- oder Konzertbesuchs, hält die Schädigung meistens nur einige Stunden an“, sagt Walch. „Besteht aber eine permanente Überbelastung, weil zum Beispiel bei Arbeiten auf einer Baustelle kein Gehörschutz getragen wird, oder kommt es wiederholt zu Überbelastungen, etwa weil jeden Tag stundenlang und laut Musik über einen MP3-Player gehört wird, dann ist damit zu rechnen, dass sich das Hörvermögen chronisch verschlechtert.“ Ebenfalls möglich: Ein Tinnitus entwickelt sich, das heißt, man hört Geräusche, die real nicht existieren, wie ein Pfeifen, Klopfen, Rauschen oder Sausen.
(3) Wie kann man Hörschäden frühzeitig erkennen?
„Viele Betroffene bemerken die Verschlechterung, wenn sie in eine Cocktailpartysituation kommen, das heißt in die Lage, sich mit einem Menschen zu unterhalten, während rundherum ebenfalls gesprochen wird“, erklärt Walch. „Da erkennen sie, dass sie ihr direktes Gegenüber nur noch dann gut hören können, wenn dieses Gegenüber sehr laut spricht.“ Andere bemerken die Verschlechterung daran, dass sie hohe Töne nicht mehr so gut hören.
(4) Was soll man tun, wenn man bemerkt, dass man schlechter hört?
Walch: „Es ist wichtig, dass man sofort zu einem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten geht und sich untersuchen lässt.“ Oft kann das Hörvermögen durch die Einnahme von Medikamenten, die die Durchblutung fördern oder durch die Einnahme von entzündungshemmenden Präparaten verbessert werden. Ist die Verschlechterung schon weiter fortgeschritten, kann ein Hörgerät helfen – oder auch ein operativer Eingriff. „Dabei werden je nach Ursache für die Schwerhörigkeit entweder die Teile des Gehörs, die nicht mehr so funktionieren, wie sie funktionieren sollten, ersetzt, wie die Gehörknöchelchen, Hammer, Amboss und Steigbügel“, sagt Walch. „Oder es werden Elektroden eingesetzt, die die Hörnerven stimulieren.“ Stark Schwerhörigen und sogar Gehörlosen kann – sofern die Hörnerven noch funktionieren – das „Cochlea-Implantat“ zum Wiedererlangen eines guten Hörvermögens verhelfen. Dieses besteht aus mehreren Teilen, die in die Hörschnecke und hinter dem Ohr unter die Haut eingesetzt werden.
(5) Wie kann man Hörschäden vorbeugen?
„Zum einen, indem man die erwähnten Überbelastungen des Gehörs vermeidet“, sagt Walch. Denn: „Wir wissen, dass sowohl die altersbedingten Hörschäden als auch das schlechte Hören im Alter auf die Summe der Hörschäden zurückgehen, die wir im Lauf des Lebens erleiden.“ Ebenfalls empfehlenswert: Kommt es, etwa durch den Besuch einer Disko oder eines Konzertes doch einmal zur Überbelastung des Gehörs, sollte man einmal einen Tag lang bewusst darauf achten, sich nur leisen Tönen auszusetzen.
(6) Tragen professionelle Ohrenreinigungen zur Ohrengesundheit bei?
Walch: „Eine Ohrenreinigung ist nur dann notwendig, wenn durch eine Entzündung der Ohren der Abtransportmechanismus des Ohrschmalzes nach außen gestört ist und sich ein Pfropfen gebildet hat.“ Gesunde Ohren sind sich selbst reinigende Organe. „Deswegen reicht es aus, nur die Ohrmuscheln zu reinigen und nur so weit in die Ohren hineinzufahren, wie man mit dem kleinen Finger kommt“, erklärt Walch. Wattestäbchen sollten nicht benützt werden, weil die Gefahr groß ist, sich beim Hantieren mit den Stäbchen das Trommelfell zu verletzen.
(7) Kann man das Gehör trainieren?
„Wie gut jemand hört, wird vererbt“, sagt Walch. Besser zu hören oder das sogenannte absolute Gehör kann man nicht trainieren. „Das einzige, was man tun kann, ist das Gehör ein wenig zu schulen“, sagt Walch. Ein spezielles Hörtraining wird dann notwendig, wenn man Hörgeräte-Träger geworden ist. „Nur durch das Training, das im Wesentlichen daraus besteht, darauf zu achten, in welchen Situationen man besser oder schlechter hört, kann das Hörgerät optimal den Bedürfnissen seines Trägers angepasst werden.“
(8) Welche sind die häufigsten Ohrenkrankheiten?
Walch: „Am häufigsten ist die Mittelohrentzündung, die mit Antibiotika und Nasentropfen sehr gut behandelbar ist.“ Auf Platz zwei folgt der Tinnitus, also das Hören von Geräuschen, die nur für den Betroffenen existieren. Dieses Leiden kann auf Gehörschäden oder eine psychische Belastungssituation zurückgehen und wird vom Facharzt für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten mit durchblutungsfördernden Medikamenten behandelt. Platz drei belegt die chronische Mittelohrentzündung, die mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt wird – und in manchen Fällen auch mit einer Operation, bei der die Gehörknöchelchen ersetzt werden.
(9) Was ist ein Hörsturz?
„Ein Hörsturz ist eine plötzliche Abnahme des Hörvermögens, die mehr oder weniger ausgeprägt ausfallen kann und vom simplen schlechten Hören über den Verlust des Vermögens, bestimmte Frequenzen zu hören, bis hin zur völligen Ertaubung reichen kann“, erklärt Walch. Zwar sind die Ursachen für das Auftreten eines Hörsturzes noch unbekannt, man weiß aber, dass er gut behandelt werden kann: mit Medikamenten, die die Durchblutung des Gehörs fördern, und entzündungshemmenden Präparaten. „Bei 70 Prozent der Betroffenen kommt es aber auch kurz nach dem Hörsturz und noch ohne Behandlung zu einer Spontanheilung“, sagt Walch.
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