Starkes Übergewicht und seelische Belastungen gehen häufig Hand in Hand – mit Folgen für Lebensqualität und Therapieerfolg.
Adipositas und Depression treten häufig gemeinsam auf – und sie verstärken sich gegenseitig. Studien zeigen: Wer stark übergewichtig ist, hat ein deutlich erhöhtes Risiko für Depressionen. Umgekehrt kann eine depressive Verstimmung das Risiko für Übergewicht erhöhen. Betroffene kämpfen daher nicht nur mit gesundheitlichen Herausforderungen, sondern auch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung – eine doppelte Belastung, die auch in der medizinischen Versorgung oft zu wenig beachtet wird.
Wechselwirkung von Übergewicht und Depression
Die Zahlen sind deutlich: Etwa jeder vierte bis fünfte Mensch mit Adipositas ist auch depressiv. Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) geht mit einem um bis zu 50 % höheren Risiko für Depressionen einher – und umgekehrt. Menschen mit Depressionen haben ein ähnlich erhöhtes Risiko, adipös zu werden.
Typische Symptome einer Depression wie Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug, Schlafstörungen oder Appetitveränderungen erschweren zusätzlich eine erfolgreiche Behandlung der Adipositas. Hinzu kommt: Viele Betroffene erleben ihr Leiden als persönliches Versagen – dabei handelt es sich um ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das ärztliche Hilfe erfordert.
Wichtig zu wissen:
- Beide Erkrankungen müssen getrennt, aber nicht isoliert voneinander behandelt werden.
- Eine alleinige Behandlung der Depression führt nicht automatisch zur Gewichtsreduktion.
- Umgekehrt verbessert eine Gewichtsabnahme depressive Symptome nur vorübergehend.
- Bei der Auswahl von Antidepressiva sollte auf Medikamente geachtet werden, die nicht zusätzlich die Gewichtszunahme fördern.
Psychosoziale Belastung und unzureichende Versorgung
Übergewichtige Menschen werden häufig gesellschaftlich diskriminiert – auch im Gesundheitswesen. Kommt eine Depression hinzu, wird die Versorgungslage oft noch schwieriger. Die Ausbildung von Medizinerinnen und Psychologinnen müsste diesem wachsenden Problem stärker Rechnung tragen. Denn: Die Mehrheit der Bevölkerung ist übergewichtig, ein Viertel sogar adipös.
Hormonelle Botenstoffe als möglicher Schlüssel
Forschende haben zunehmend hormonelle Verbindungen zwischen Adipositas und Depression im Blick. Dabei stehen sogenannte Adipokine im Zentrum. Diese hormonähnlichen Botenstoffe werden vom Fettgewebe produziert und steuern unter anderem den Zucker- und Fettstoffwechsel – aber offenbar auch die Stimmung.
Wichtige Adipokine im Überblick:
- Leptin: Reguliert Appetit und Energieverbrauch
- Adiponektin: Wirkt entzündungshemmend und fördert Insulinsensitivität
- Resistin: Hängt mit Insulinresistenz zusammen
Bei Übergewicht ist das Gleichgewicht dieser Stoffe gestört – was nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch die Psyche beeinträchtigen kann.
Darm-Hirn-Achse: Wie der Bauch das Gehirn beeinflusst
Auch der Darm scheint bei der Verbindung von Adipositas und Depression eine wichtige Rolle zu spielen. Die Darmflora – also die Gesamtheit der Darmbakterien – beeinflusst nicht nur die Verdauung, sondern auch das zentrale Nervensystem. Über verschiedene Signalwege (z. B. über das Immunsystem oder hormonelle Reize) kann der Darm direkten Einfluss auf die Stimmung und das Verhalten nehmen.
Einige Studien deuten darauf hin, dass:
- eine gestörte Darmflora mit depressiven Episoden in Zusammenhang steht,
- Entzündungen im Gehirn durch Fettleibigkeit begünstigt werden,
- der Mangel an bestimmten Bakterienarten mit schlechter Stimmung korreliert.
Neurotransmitter und Hormone in der Kommunikation von Körper und Psyche
Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin spielen bei Stimmung und Appetitkontrolle eine entscheidende Rolle. Veränderungen im Gleichgewicht dieser Botenstoffe – etwa durch Stress, schlechte Ernährung oder Schlafmangel – können sowohl depressive Verstimmungen als auch Heißhunger fördern.
Ein weiterer interessanter Kandidat ist das Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1). Es wirkt nicht nur appetitzügelnd, sondern scheint auch einen positiven Einfluss auf Entzündungsprozesse im Gehirn und die Stimmungslage zu haben.
Fazit: Adipositas und Depression sind zwei Seiten derselben Medaille
Adipositas und Depression sind eng miteinander verwoben – auf biologischer, psychischer und gesellschaftlicher Ebene. Für eine erfolgreiche Behandlung ist es daher essenziell, beide Erkrankungen ganzheitlich zu betrachten. Therapeutische Maßnahmen sollten individuell abgestimmt und interdisziplinär durchgeführt werden. Nur so kann man dem Teufelskreis aus Übergewicht und psychischer Belastung langfristig entkommen.
Fotos: istock Dima Berlin