Infektionen & Immunsystem

Ungebetene Badegäste

Selbst bei der lustigsten Poolparty können Viren, Bakterien oder Parasiten im Wasser zu Spaßverderbern werden. Warum die unsichtbaren Bösewichte am liebsten zwischen Liegewiese und Toiletten zuschlagen, Corona im Badewasser jedoch kaum eine Chance hat.

von Wolfgang Kreuziger

Rein die Badehose und ab ins kalte Nass: Wenn die brütende Sommerhitze uns jetzt gnadenlos in den Schwitzkas­ten nimmt, lechzt der Körper nach ein paar Schwimmzügen durch kühle Wellen.
„Wasser erfrischt uns, ist gesundheitsfördernd und vermittelt das unglaubliche Gefühl von Schwerelosigkeit“, weiß Univ. Prof. Mag. Dr. Franz Mascher vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin an der Medizinischen Universität Graz, selbst ein großer Badefreund.

Damit steht er nicht alleine da, im Sommer zieht es Herrn und Frau Österreicher samt Wasserball und Schwimmflügerl fast magisch hin zum Spritzen, Plantschen und Schwimmen in eines der etwa 400 heimischen Freibäder oder 50 öffentlichen Seen. Wenn der vermeintlich lustige Badetrip dennoch mit Schmerzen in einer Arztpraxis endet, sind statistisch am häufigsten Stürze und Unfälle außerhalb des Wassers die Gründe dafür. Völlig unsichtbar und mysteriös hingegen bleibt stets die mikroskopisch kleine Gefahr durch Viren, Bakterien oder Pilze, die uns vielleicht weniger ernste, aber dafür doppelt so lästige Probleme bereiten können.

Krankheitserreger überleben 30 Sekunden

Auch wenn das Becken gähnend leer und die Liegewiese vereinsamt ist: In jeder Sekunde teilen wir unser Vergnügen mit einer Millionenschaft kleiner potenzieller Bösewichter. „Deswegen versetzen öffentliche Bäder ihr Wasser mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Anteil von 0,3 bis 2,0 Milligramm Chlor pro Liter, der auch problemlos trinkbar wäre“, so Mascher. „Dies bewirkt, dass die meisten Keime, darunter das Coronavirus, darin in nur 30 Sekunden um 99,9 Prozent reduziert werden.“ Dies und das große Volumen von Seen und Meeren bestärken die Weltgesundheitsorganisation WHO darin, eine Infektion mit Covid beim Schwimmen als „extrem unwahrscheinlich“ einzustufen. „Andererseits, schwimme ich direkt hinter einem Erkrankten her, so ist eine Übertragung dennoch denkbar“, warnt Mascher. „Zudem kann ich auch im Schwimmbad aus nächster Nähe ,angespuckt‘ oder angeatmet werden. Das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern hält auch diese Gefahr sehr klein.“ Einige Mikroorganismen können allerdings eine Chlorresistenz entwickeln oder eingehüllt in einem Schmutzpartikel überleben, manche Becken sind schlecht gewartet. „Daher bleibt stets ein Restrisiko“, gibt Mascher zu. Vor allem, weil die kleinen Krankmacher oft geradezu unglaubliche Überlebenskünstler sind.

Beckenwasser als ­vermeintlicher Übeltäter

Selbst im Umfeld eines perfekt chlorierten Badewassers finden Pseudomonas, Shigellen und Co noch geeignete Nischen für ihre eigene Poolparty. Damit machen sie nasse Beckenränder, von triefenden Badehosen vollgetropfte Toilettenböden oder feuchte Badetücher zur vorders­ten Front aller Arten von Keimen. Manche Erreger stammen sogar aus unserem eigenen Körper. „Eine der häufigsten Erkrankungen durch das  Baden ist die Entzündung des mittleren und äußeren Gehörganges“, nennt Mascher ein Leiden, das wenig überraschend auch als „Taucherohr“ bekannt ist.

„Die auslösenden Pseudomonas-Baktererien stammen oft nicht aus dem Badewasser, sondern dem körpereigenen Keimmilieu, das im stundenlang nassen Ohr eine ideale Brutkammer vorfindet, um sich massenhaft zu vermehren.“ Das Bakterium dringt in die aufgeweichte Haut ein, Rötungen, Schwellungen und Schmerzen sind die Folgen, die durch antibiotische Ohrentropfen behandelt werden.

Schwimmbad-Klassiker Fußpilz

Das oft nach dem Baden einsetzende Jucken und Kribbeln ist vor allem für Hautärzte eine Herausforderung. „Wasser trocknet generell un­sere Haut aus, beeinträchtigt ihren pH-Wert und ihren schützenden Säureschutzmantel“, verrät Univ. Prof. Dr. Tamara Kopp, Fachärztin für Haut und Geschlechtskrankheiten im Wiener Ärztezentrum Juvenismed. „Oft ist sie vom Wasser aufgeweicht und weist kleine Wunden auf, wodurch Krankheitserreger noch leichteres Spiel haben.“ Wer an empfindlicher Haut, Neurodermitis oder einem geschwächten Immunsystem leidet, gilt im Wasser sowieso als Risikokandidat. Besonders häufig klagen nach dem Bäderbesuch Kinder über Dellwarzen, sie äußern sich in rötlich bis hautfarbenen, stecknadelkopfgroßen und eingedellten Papeln an allen möglichen Körperstellen, die stark jucken. „Viel Körperkontakt exponiert hier besonders die Kinder“, erklärt Kopp. Die Warzen selbst entstehen durch hochansteckende, auch über nasse Badetücher übertragene Viren. Die Warzen können therapeutisch, je nach Schweregrad, vereist, mit Warzentinktur oder auch chirurgisch abgetragen werden. Ein weiterer Schwimmbad-Klassiker ist Fußpilz, der, spät bemerkt, auch in Nagelpilz umschlagen kann. Kopp: „Ihn fängt man sich vor allem beim barfuß gehen am Beckenrand oder in Hygienebereichen ein.“ Um ihn einzudämmen, werden vorrangig pilzabtötende Mittel (Antimykotika) verschrieben, Schuhe und Socken müssen desinfiziert werden.

„Nass“ kühlt den Körper aus

Nicht selten eröffnen Wind und Temperaturen im Bad ein weiteres Problemfeld. „Nasse Badekleidung und ausgekühlte Unterkörper bereiten oft Blasenentzündungen oder Harnwegsinfekten den Weg“, weiß Kopp. „Die Veränderung des pH-Werts und der schützenden  Milchsäurebakterien wiederum begünstigt bei Frauen die Entstehung von unangenehm juckendem Scheidenpilz.“ Behandelt wird dieser mit antiseptischen Cremes oder Antipilzmitteln. Mitunter kann selbst das eigentlich „gute“ desinfizierende Chlor zum Übeltäter werden. Zumeist verursacht gar nicht das Chlor selbst, sondern die bei seiner Verbindung mit Schweiß oder Urin entstehenden Chloramine die Reizung.

„Irritierte Schleimhäute und rote Augen gehören zu den häufigsten Beschwerden nach einem Bäderbesuch“, berichtet Kopp. Vereinzelt sorgen dort auch Adenoviren für grippeähnliche Symptome und Durchfall, besonders selten, dafür doppelt bedrohlich ist die Legionärskrankheit. „Verursacht wird sie durch Legionellen, die etwa in der Toilette über Aerosole in der Luft eingeatmet werden und eine Art Lungentzündung auslösen“, sagt Mascher.

Meere und Seen gelten neben Freibädern aufgrund ihres großen Volumens und des hohen Verdünnungsgrads als ebenfalls ungefährliche Badeplätze und werden scharf kontrolliert. Bei stehenden Freigewässern sollte man dennoch auf Wasservögel und deren Stege und Ufer verunreinigenden Kot achten, der auch eine sogenannte Badederma­titis auslösen kann. „Dabei heften sich Zerkarien, über die Ente als Wirt ins Wasser gelangte Larven von Saugwürmern, im  seichten Wasser an die Haut und erzeugen juckende Ausschläge“, sagt Kopp. Diese heilen meistens nach wenigen Tagen von selbst ab.

Größte Gefahr auf Nebenschauplätzen

Egal ob nun „Taucherohr“, Dellwarzen oder Fußpilz, für die Experten ist in den meisten Fällen gar nicht das Wasser, in dem man schwimmt, die größte Gefahrenquelle. „In heimischen Bädern und Seen ist die Wasserqualität durchgehend so hoch, dass die Wahrscheinlichkeit, darin zu erkranken, statistisch geringer ist als jene, auf dem Hinweg einen Autounfall zu erleiden“, bringt es  Mascher auf den Punkt.

Anders sieht es am Beckenrand, den Hygienebereichen, beim Würstelstand oder bei nassen Handtüchern auf der Liegewiese aus. „Diese Nebenschauplätze sind die wirklich gefährlichen Krisenherde“, glaubt Kopp. „Dort könnte alleine schon die Verwendung von Badeschuhen, Badekleidung zum Wechseln und trockener Handtücher auf der Liegewiese das Risiko zu erkranken stark minimieren.“

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Von Fluss bis Plantschbecken

Fast allerorts gilt Baden als ungefährlich, nicht jedoch in Flüssen. „Durch Wetter und Fließbewegung werden viele Verunreinigungen hineingespült, zudem landen geklärte und ungeklärte Abwässer darin“, warnt
Franz Mascher davor. Ebenso gefährlich sind Flussmündungen in Meeren, aber auch Hafenregionen, die mitunter durch Schiffe verschmutzt sind.

Im eigenen Garten können am ehesten kleine Kinderplantschbecken zur Keimschleuder werden, wenn das zumeist unchlorierte Wasser tagelang drinbleibt, sich aufgrund der geringen Tiefe erwärmt und einen  idealen Nährboden für Keime bietet. Hier wird empfohlen, das Wasser alle zwei Tage zu wechseln.

„Dass Salzwasser in Ozeanen desinfizierend wirkt, ist ein Mythos“, erläutert Mascher zum Strandurlaub, „dennoch ist durch die starke Verdünnung in Meeren nur wenig Gefahr gegeben.“ Allerdings bleibt in natürlichen Gewässern wie Ozeanen, Seen und Teichen immer ein leichtes Risiko, etwa dass nur wenige Meter weiter ein treibender Tierkadaver Krankheitserreger abgibt. Unter den allersichersten Badeplätzen rangieren gut gewartete Freibadbecken, nur private, chlorierte Pools sind aufgrund der geringen Zahl Badender noch ungefährlicher.

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Verhaltenskodex: 7 Tipps für gesundes Baden

  1. Vor jedem Badegang duschen. Dies verhindert, dass Spuren von Schmutz und Urin ins Wasser gelangen. Nach dem Abtrocknen schützen feuchtigkeitspendende Cremes die Haut.
  2. Badeschuhe oder -schlapfen schützen vor Fußpilz und Bakterien auf nassem Boden, insbesondere in Hygienebereichen, Duschen und Toiletten.
  3. Besonders empfindliche Menschen können mit Schwimmbrillen entzündeten Augen und mit Ohrenstöp­seln dem „Taucherohr“ (Gehörgangsentzündung) vorbeugen.
  4. Niemals in nasser Badekleidung bleiben. Das feuchte Milieu begünstigt Infektionen im Intimbereich und kühlt den Unterleib aus, was Harnwegsinfekte begünstigt. Für die Damen gilt: Nasse Tampons wechseln.
  5. Stets aus­reichend Wasser trinken. Ein guter Flüssigkeitshaushalt spült die Niere und hilft, Schadstoffe wieder über die Haut auszuschwitzen.
  6. Für jeden Besucher ein Handtuch zum Abtrocknen sowie eines zum Liegen mitnehmen. Auf gemeinsamen nassen Badetüchern können Krankheitsereger weitergegeben werden.
  7. Badestellen an Seen und Meeren meiden, wo Wasservögel auszumachen sind. Oft hinterlassen sie dort ihren Kot mit Krankheitserregern im Wasser oder an Stegen.

Foto: iStock, mgstudyo

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