Wenn das Baby weint und krampft, leidet oft die ganze Familie mit. Die Ursachen für Bauchschmerzen und Blähungen sind vielfältig und betreffen viele Säuglinge. Doch was steckt dahinter?

„Der enge Zusammenhang zwischen Eltern-Kind-Beziehung und Koliken wird oft unterschätzt.“
Ein typischer Fall: Der Bauch des Babys ist gespannt, hart, die Beine werden krampfhaft angezogen, und Winde gehen ab – typische Anzeichen für Blähungen, die bei etwa 25 bis 50 Prozent aller Säuglinge in den ersten Lebensmonaten auftreten. „Man spricht hier auch von den Dreimonatskoliken, da die Symptome oft in den ersten drei bis vier Lebensmonaten auftreten und danach nachlassen“, erklärt DDr. Peter Voitl, Kinderarzt in Wien.
Warum kommt es zu Blähungen?
Die genauen Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Fest steht jedoch: Der Stoffwechsel von Säuglingen unterscheidet sich grundlegend vom Stoffwechsel Erwachsener. „Besonders in den ersten Monaten entwickeln sich die Organfunktionen erst, darunter auch der Darm“, erläutert Voitl. „Einige Enzyme wie die Milchzucker spaltende Laktase sind noch nicht voll funktionsfähig, und die Darmflora befindet sich erst in der Aufbauphase.“ Durch Abbauprozesse im Magen-Darm-Trakt entstehen die häufig schmerzhaften Blähungen. Weitere Auslöser können etwa Laktose- oder Glutenunverträglichkeiten sowie psychosomatische Faktoren sein: „Der enge Zusammenhang zwischen Eltern-Kind-Beziehung und Koliken wird oft unterschätzt“, betont Voitl. „Das Schreien eines Babys ist einer der größten Stressfaktoren für Eltern, und dieser Stress kann sich unbewusst auf das Kind übertragen.“ Darüber hinaus neigen Schreibabys dazu, mehr Luft zu verschlucken, was wiederum Blähungen begünstigt.
Symptome richtig deuten
Ein typisches Merkmal von Blähungen und Koliken ist, dass die Beschwerden meist zu denselben Tageszeiten auftreten, oft nachmittags oder abends. Das Baby wird unruhig, schreit und macht typische Bewegungen: Es zieht die Beine an und streckt sie wieder weg. Auch wenn diese Symptome auf Koliken hinweisen können, ist eine ärztliche Abklärung wichtig, um andere Ursachen wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder seltenere Erkrankungen auszuschließen. „Dieser Bewegungsablauf tritt allerdings auch bei allgemeiner Unruhe und starker Verkrampfung beim Schreien eines Säuglings auf und ist somit nicht zwangsläufig ein Hinweis auf Koliken“, erklärt Voitl. Wenn ein Baby trotz Bauchschmerzen gut gedeiht und trinkt, können Eltern zunächst beruhigt sein.
„Treten die Beschwerden jedoch nach jeder Mahlzeit auf oder gibt es Probleme wie schaumigen bzw. sehr festen Stuhl oder eine geringe Gewichtszunahme, sollte man sich unbedingt an die Kinderärztin oder den Kinderarzt wenden und gegebenenfalls auch Unterstützung in erstsprechenden Einrichtungen, Schreiambulanzen oder bei darauf spezialisierten niedergelassenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten oder Psychologinnen und Psychologen suchen“, betont der Experte.
Vorbeugung und Behandlung
Auch im Alltag können Eltern einiges tun, um die Beschwerden ihres Säuglings zu lindern oder ihnen vorzubeugen. Ein erster Schritt ist eine ruhige und entspannte Atmosphäre während des Fütterns. Wird das Baby gestillt, sollten Mütter auf blähende Lebensmittel wie Kohl oder Hülsenfrüchte sowie Kuhmilch verzichten. „Wenn Sie die Flasche geben, lassen Sie das Fläschchen nach der Zubereitung so lange stehen, bis sich der Schaum vom Schütteln gesetzt hat“, rät Voitl. In der Behandlung von Blähungen und Krämpfen haben sich unter anderem Fenchel-Kümmel-Anis-Tees, wie beispielsweise der Stilltee aus der Apotheke, Kümmelzäpfchen, sanfte Bauchmassagen oder der Fliegergriff, bei dem das Baby in Bauchlage auf dem Unterarm getragen wird, bewährt. In einigen Fällen können auch spezielle Säuglingsnahrungen wie lactosearme oder probiotische Milchprodukte helfen, die Beschwerden zu reduzieren. „Wichtig ist, vorher den Rat einer Kinderärztin oder eines Kinderarztes einzuholen, um die richtige Nahrung auszuwählen. Die alleinige Umstellung auf eine lactosefreie Ernährung ist meist nicht erforderlich, da dies in der Regel mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt“, so Voitl, der Eltern dazu ermutigt, Ruhe zu bewahren: „In den allermeisten Fällen haben Kinder die Kolik-Phase etwa im vierten Lebensmonat hinter sich.“
Erste Hilfe bei Blähungen
- Lassen Sie Ihr Baby während der Mahlzeit häufiger aufstoßen, um Luftansammlungen zu vermeiden.
- Sanfte Bauchmassagen, warme Bäder oder ein Kirschkernkissen wirken entspannend.
- Achten Sie auf die richtige Saugergröße und einen guten Mundkontakt beim Füttern.
- Nähe und Geborgenheit beruhigen Ihr Baby.
- Lassen Sie das Baby nicht jede halbe Stunde trinken. Kommt ständig neue Milch hinzu, bevor die vorherige Mahlzeit verdaut ist, kann das Verdauungsprobleme nach sich ziehen.
- Nehmen Sie bei starken Beschwerden professionelle psychologische Unter-stützung in Anspruch! Die Situation kann sehr belastend sein.
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