Bisphenol A in Babyschnullern nachgewiesen: Erst kürzlich machte diese Meldung Schlagzeilen. Doch auch andere Chemikalien in Bausteinen, Entchen, Puppen, Teddys & Co verunsichern Eltern und Großeltern: Wie erkennt man die Gefahren aus der Spielzeugkiste? Lesen Sie, worauf Sie bei Material, aber auch bei Form und Funktion achten sollten, wenn Sie Kindern bis sechs Jahren wirklich gesundes Spielzeug schenken wollen.
Von Mag. Sabine Stehrer
MATERIAL
Was ist gesund?
Ob Holz, Plastik oder Textilien wie Plüsch: „Grundsätzlich gilt, dass das Material, aus dem Spielzeug besteht, so weit wie möglich frei von Zusatzstoffen sein sollte. Die Zusatzstoffe sorgen zwar dafür, dass die Spielsachen bunt, leicht zu reinigen, schwer entflammbar und weich sind, können aber die Gesundheit gefährden“, sagt Univ. Doz. DI Dr. Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Schwerpunkt Umweltmedizin am Institut für Umwelthygiene der Universität Wien.
Holzspielzeug sollte daher aus unbehandeltem Holz hergestellt worden sein, so Hutter. „Dann sind die Bausteine, Figuren, Puzzles weitgehend schadstofffrei und ungefährlich für Babys und Kleinkinder.“ Wer Spielzeug aus Plastik kauft, sollte darauf achten, dass keine giftigen Grundstoffe wie Bisphenol A darin enthalten sind und auch keine Zusatzstoffe wie Phthalate, die z. B. Quietschenten so weich machen, dass sie leicht zusammengedrückt werden können. Bei Spielzeug aus Textilien wie z. B. Plüschteddys sollte man an die mögliche Gefahr durch Flammschutzmittel denken.
Allerdings sind die Spielzeughersteller nicht dazu verpflichtet, anzugeben, welche Substanzen sie für die Produktion verwendet haben. Wer Stücke kauft, die ein Prüfsiegel haben, könne aber laut Hutter sicher sein, eine gute und gesunde Wahl getroffen zu haben (siehe: So erkennen Sie gesundes Spielzeug).
Was ist nicht gesund?
„Wenn Kinder Spielsachen in den Mund nehmen, daran lecken oder saugen, können sich die Chemikalien lösen und über den geschluckten Speichel in den Blutkreislauf des Kindes gelangen“, warnt Hutter. Das macht die Kleinen zwar nicht sofort krank, doch wirkt sich „die Aufnahme von Phthalaten, Bisphenol A und auch von Flammschutzmitteln mittel- und langfristig negativ auf die Gesundheit aus“, sagt Hutter.
Phthalate wirken, so der Experte weiter, wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Bei Mädchen, die in ihren ersten Lebensjahren die Substanzen über Plastikspielzeug aufnahmen, kann die Menstruation früher einsetzen bzw. die Pubertät früher beginnen. Der Konsum von Bisphenol A wiederum wird bei Frauen mit einem früheren Eintreten der Pubertät und einem gesteigerten Brustkrebsrisiko in Verbindung gebracht, bei Männern mit einem Nachlassen der Fortpflanzungsfähigkeit. „Von Flammschutzmitteln wird vermutet, dass sie neurotoxisch wirken, also das Nervensystem schädigen, die geistige Entwicklung beeinträchtigen, und manche stehen im Verdacht, krebserregend zu sein“, sagt Hutter.
FORM
Was ist gesund?
„Eher größer und nicht so leicht zerlegbar“: Das sind laut Hutter die wesentlichen Kriterien, wenn es um die richtige Form von Spielsachen für Kinder bis sechs Jahre geht. „So lässt sich weitgehend verhindern, dass das Spielzeug geschluckt oder eingeatmet bzw. in die Nase oder die Ohren gesteckt wird.“ Um die Verletzungsgefahr zu minimieren, hat gutes Spielzeug für die Kleinsten unter den Kleinen außerdem abgerundete Ecken, Kanten oder Spitzen.
Was ist nicht gesund?
„Spielzeug mit scharfen Ecken, Kanten oder Spitzen ist gefährlich für kleine Kinder“, sagt Hutter, denn damit können sie sich kleine Schnitte oder Stiche zufügen. Auch zu kleines oder leicht zerlegbares Spielzeug, das ganz oder teilweise in Nase oder Ohren landen kann, sollte nicht in die Spielzeugkiste: „Dadurch kann die Nasenschleimhaut oder das Trommelfell verletzt werden“, sagt Hutter. Letzteres kann schlimmstenfalls zu bleibenden Hörschäden führen. Und verschluckte Sachen werden zwar meistens wieder ausgeschieden, ohne Probleme zu bereiten, können aber auch den Verdauungstrakt verletzen. Wird ein Teil eines Spielzeugs eingeatmet und bleibt es in der Luftröhre stecken, kann das die Kleinen in eine lebensbedrohliche Situation bringen.
Auch für die ideale Form eines Spielzeugs gilt: Wer auf Nummer sicher gehen möchte, hält sich an die Prüfsiegel (siehe: So erkennen Sie gesundes Spielzeug).
FUNKTION
Was ist gesund?
Hutter: „Spielzeug ist von der Funktion her gesund, wenn durch das Spielen die Entwicklung des kleinen Kindes gefördert wird.“ Gutes Spielzeug kann viele Fähigkeiten des Kindes verbessern. So lassen sich motorische Fähigkeiten wie Beweglichkeit und Koordination beim Ballspielen genauso trainieren wie durch Spielzeug, mit dem man sich fortbewegt, also etwa durch einen Roller oder ein Mini-Fahrrad. Geistige Fähigkeiten wie Merkfähigkeit, Konzentration und Kreativität können mit altersgerechten Bausteinsätzen oder Puzzles gefördert werden. Die soziale Kompetenz oder die Kommunikationsfähigkeit der Kleinen lässt sich mit Gemeinschaftsspielen wie Kartenspielen steigern.
Was ist nicht gesund?
„Spielzeug, tut kleinen Kindern dann nicht gut, wenn es die geistig-körperliche Entwicklung in eine bedenkliche Richtung treibt“, sagt Hutter. Als Beispiele nennt der Experte Elektroautos, bei deren Nutzung die Kleinen passiv bleiben und sich nicht bewegen. Kinder, die sich von ihren ersten Lebensjahren an wenig bewegen, weil sie z. B. statt auf dem Fahrrad im Elektroauto sitzen, werden ungelenk und unbeweglich und haben auch im Erwachsenenalter wenig Lust auf körperliche Aktivität. Bewegungsarmut wirkt sich wiederum nachweislich negativ auf die Gesundheit eines Menschen aus. Hutter: „Daher ist es besonders wichtig, den Bewegungsdrang von Kindern nicht zu bremsen.“
Für Kinder unter sechs Jahren ebenfalls nicht gut: Spielzeug, das ohrenbetäubende Lautstärken erzeugen kann. Wer auf das Schenken von lauten Tröten & Co verzichtet, schont nicht nur die Nerven der Eltern, sondern auch die empfindlichen Kinderohren. Von zu großem Lärm aus der Spielzeugkiste können die Kleinsten bleibende Hörschäden davontragen.
Die Gütesiegel stellen auch hinsichtlich der gesunden Funktion eine Richtlinie dar (siehe so erkennen Sie gesundes Spielzeug).
Bisphenol A
EU-Verbot zumindest für Babyflaschen fix
Während Phthalate, also jene Chemikalien, die Plastikspielzeug weich machen, zumindest innerhalb der EU seit 2006 für die Herstellung von Spielzeug verboten sind, stehen solche Verbote für andere Zusatzstoffe oder Grundstoffe wie Bisphenol A noch aus. Bisphenol A wurde bei einer Untersuchung, die von Konsumentenschützern in Auftrag gegeben wurde, kürzlich in Schnullern aus China nachgewiesen, die auch in Österreich erhältlich waren. Die Substanz löst sich im Speichel und wird so vom Körper der Kleinen aufgenommen. Sie wirkt wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und bewirkt, dass bei Mädchen die Pubertät früher auftritt und sie später ein größeres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken. Bei Männern kann Bisphenol A zu Unfruchtbarkeit führen.
Nun hat sich die EU zu einem Verbot von Bisphenol A zumindest in Babyflaschen durchgerungen. Ab 1. März 2011 ist die Produktion und ab 1. Juni 2011 der Verkauf von Babyflaschen aus Polycarbonat, welche Bishpenol A enthalten, in den Ländern der Europäischen Union verboten. Umweltschutzorganisationen fordern eine Ausweitung des Verbots auf sämtliche Produkte für Kleinkinder sowie auf sämtliche Gebrauchsgegenstände, die Bisphenol A enthalten.
Fotos: © istock Onfokus