Krebserkrankungen, Männergesundheit

Leben mit Prostatakrebs

„Ich hatte Todesangst!“ Vor 21 Jahren wurde Ekkehard Franz Büchler mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert. Im Interview mit MEDIZIN POPULÄR erzählt der heute 73-Jährige, wie er mit der Krankheit und ihren Folgen fertig geworden ist.

Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN POPULÄR: Herr Büchler, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als bei Ihnen Prostatakrebs diagnostiziert wurde?

Ekkehard Franz Büchler:
Die Diagnose war ein Hammer für mich, wie wahrscheinlich für alle Betroffenen. Zunächst hatte ich richtige Todesangst. Werde ich überleben? – war die erste Frage, die mir in den Kopf geschossen ist. Werde ich weiter arbeiten können? – war die nächste Frage, um die meine Gedanken gekreist sind. Zugleich habe ich mir gewünscht, so bald wie möglich operiert zu werden, denn ich wollte das Zeug, also die bösartigen Zellen, schnell loswerden. Die Nachwirkungen des Eingriffs waren für mich zuerst kein Thema. Insofern hat es mich als damals 52-Jährigen schwer getroffen, dass ich nach der Operation von einem Tag auf den anderen inkontinent und impotent war.

Was hat das für Sie bedeutet?

Bei der Hälfte der betroffenen Männer legt sich die Inkontinenz nach einiger Zeit. Ich habe aber zur anderen Hälfte gehört, und weiter unfreiwillig Harn verloren. Das hat letztendlich dazu geführt, dass ich meinen Beruf nicht mehr ausüben konnte und in Frühpension gehen musste. Dank stimulierender Mittel vom Arzt, die es damals auf Krankenschein gegeben hat, hatte ich wenigstens mit der Impotenz bald kein Problem mehr. Ich weiß aber, dass es Patienten gibt, die längere Zeit und sehr darunter leiden, vor allem, weil es Frauen gibt, die ihren Männern davonrennen, wenn die nicht mehr können.

Einige Jahre nach Ihrer Operation haben Sie die Selbsthilfegruppe für Männer mit Prostatakrebs gegründet. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Betroffener eigentlich nur mit anderen Betroffenen offen über die Krankheit und über alles, was damit verbunden ist, sprechen kann. Allein die Gespräche sind schon sehr befreiend, und die Möglichkeit dazu bietet sich in der Selbsthilfegruppe. Außerdem laden wir immer wieder Ärzte, die sich auf die Behandlung von Prostatakrebs spezialisiert haben, zu unseren Gruppentreffen. Sie beantworten medizinische Fragen, das ist natürlich auch äußerst hilfreich.

Welche Fragen werden häufig gestellt?

Meistens geht es darum, welche Behandlung am erfolgreichsten ist, und durch welche Therapie Lebensqualität, Kontinenz und Potenz erhalten bleiben können.

Und nach der Therapie?

Da geht es meistens um die Fragen, wie man Potenz und Kontinenz wiedererlangen kann, oder wie man besser damit umgehen kann, beides verloren zu haben.

Die Angst, dass der Krebs erneut ausbricht, ist kein Thema?

Oh ja, natürlich! Jeder Prostatakrebs-Patient weiß, wie ungut das Gefühl ist, wenn wieder eine Kontrolluntersuchung bevorsteht, oder wenn er nach einer Untersuchung das Kuvert mit dem Befund in der Hand hält und es aufmachen soll.

Haben auch Sie dieses ungute Gefühl?

Ja, und ich habe auch schon einmal erlebt, wie grausam es ist, wenn man liest, dass der Krebs wiedergekommen ist.

Sind Sie dann noch einmal operiert worden?

Nein, das ist bei kaum jemandem möglich. Nach einer OP bleibt fast immer nur die Möglichkeit einer Strahlentherapie. Bei mir war die Strahlentherapie mit gröberen Nebenwirkungen verbunden, ich hatte Blutungen der Schleimhäute, einen akuten Blasenverschluss, und die Inkontinenz hat sich verschlimmert. Letztendlich waren die Krebszellen aber verschwunden, und der Einsatz eines künstlichen Blasenschließmuskels hat mir wieder zu einer ganz guten Lebensqualität verholfen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Der Prostatakrebs ist zwar nicht mehr so ein Tabuthema wie früher, aber ich wünsche mir, dass er weiter enttabuisiert wird. Ich wünsche mir, dass Männer in Zukunft zur Prostatakrebsvorsorge genauso eingeladen werden wie Frauen heute schon zur Brustkrebsvorsorge. Und ich wünsche mir, dass sich die Medizin so weiterentwickelt, dass die Nebenwirkungen der Behandlung weiter abnehmen.

Foto: iStock, Nature

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