Von Mag. Sabine Stehrer
Mit dem Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken haben wir alle unsere fünf Sinne beieinander – und auch schon nach Wichtigkeit gereiht. Denn etwa 80 Prozent aller Informationen aus unserer Umwelt erhalten wir über die Augen. Doch ausgerechnet unsere wichtigsten Sinnesorgane versagen mehr und mehr ihren Dienst: Bei den Jüngeren steigt die Zahl der Kurzsichtigen dramatisch an, da sie schon von Kindesbeinen an viel Zeit vor dem Computer verbringen und die Augen durch das ständige In-die-Nähe-Schauen weiter entfernte Eindrücke bald nur noch verschwommen wiedergeben können. Weil es aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer mehr Ältere gibt, sind im Vergleich zu früher auch altersbedingte Augenveränderungen stärker verbreitet, und die trüben ebenfalls den Blick auf die Welt. So ist hierzulande mittlerweile jeder Zweite auf Brillen oder Kontaktlinsen angewiesen, um gut sehen zu können.
Doch immer mehr Betroffene nehmen ihr Schicksal nicht als gegeben hin und suchen Hilfe beim Chirurgen: Augen-Operationen sind zunehmend gefragt, wohl auch deshalb, weil die Medizin auf diesem Gebiet große Fortschritte gemacht hat. Wie die hierzulande häufigsten Augenprobleme heute operativ behandelt werden können:
Lichtimpulse gegen Grauen Star
Ins Licht zu schauen, wird immer unangenehmer; immer öfter sind Doppelbilder zu sehen; alles, was fern ist, erscheint verschwommen: Grauer Star (Katarakt) lautet dann die Diagnose. „In unseren Breitengraden ist der Katarakt eine Alterserscheinung“, erklärt Univ. Doz. Dr. Navid Ardjomand von der Augenklinik der Medizinischen Universität Graz. In der Generation 65 plus ist beinahe jeder betroffen, und jeder Zweite fühlt sich durch die altersbedingten Augenveränderungen in seiner Lebensqualität beeinträchtigt. Ist das der Fall, rät Ardjomand zur Operation, denn, so der Mediziner: „Ohne Eingriff wird das Sehvermögen beim Katarakt nach und nach immer schlechter und geht schließlich ganz verloren.“ Für die Operation ist es aber nie zu spät. Selbst wenn die Erblindung bereits eingetreten ist, kann das Augenlicht wieder hergestellt werden.
„Bei dem Eingriff werden zuerst die Hornhaut und die Linsenkapsel aufgeschnitten, dann wird die erkrankte Linse zerkleinert, aus dem Auge entfernt und durch eine zusammengefaltete Acryllinse ersetzt, die sich im Auge entfaltet“, beschreibt Ardjomand den Ablauf. Am schonendsten sei die Methode, wenn für den Schnitt ins Auge der sogenannte Femtosekundenlaser verwendet wird, ein Gerät, das computergesteuert ultrakurze Lichtimpulse setzt. Ardjomand: „Mit diesen Impulsen können winzig kleine Schnitte gemacht werden, die sich nach dem Eingriff rasch wieder schließen.“ Auch der Eingriff selbst dauert nur kurze Zeit, wenn der Femtosekundenlaser eingesetzt wird, denn dieser hilft beim Zerkleinern der Linse. So brauchen nach den Erfahrungen des Arztes selbst Empfindliche selten Beruhigungsmittel: „Schmerzstillende Augentropfen reichen meistens aus.“
Die Operierten können gleich nach dem Eingriff wieder gut sehen, Fehlsichtige sogar besser als vorher, wenn sogenannte Mono-Multifokallinsen oder torische Linsen verwendet werden, die die Fehlsichtigkeit korrigieren. „Manchmal ist die Lichtempfindlichkeit größer als vor dem Eingriff“, nennt Ardjomand ein Risiko der Maßnahme. Und eine neuerliche Operation wird nötig, wenn sich ein sogenannter Nach-Star bildet, eine Trübung der Linsenkapsel, was jedem vierten Betroffenen passiert. Doch auch diese Trübung kann mit dem Laser gut und schonend entfernt werden.
Kurz- und Weitsichtigkeit weghobeln
Schlecht in die Ferne und schlecht in die Nähe sieht je ein Viertel der Österreicher. „Kurzsichtigkeit, beziehungsweise Myopie, und Weitsichtigkeit, die Hyperopie, sind mit Brillen oder Kontaktlinsen meistens gut korrigierbar“, weiß Univ. Doz. Dr. Josef Ruckhofer von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. Doch immer mehr Österreicher wollen ohne Sehhilfe auskommen und entscheiden sich für eine Operation gegen ihre Fehlsichtigkeit. Zuletzt waren es rund 6000 im Jahr, und das, obwohl die Hilfe vom Chirurgen meist aus eigener Tasche bezahlt werden muss und nicht ganz billig ist: 4900 Euro für beide Augen kostet der Eingriff z. B. an der Salzburger Augenklinik. Nur bei jenen, die so schlecht sehen, dass ihnen Sehhilfen nicht ausreichend nützen, bezahlen Krankenkassen den Eingriff.
Ruckhofer über Chancen und Risiken der operativen Korrektur: „Eine Fehlsichtigkeit kann nur beseitigt werden, sofern sich die Augen dafür eignen.“ Die Voraussetzung ist eine ausreichend dicke Hornhaut, denn diese muss dabei abgehobelt werden, bei Kurzsichtigkeit an der Oberfläche, bei Weitsichtigkeit am Rand. Je dicker die Hornhaut, desto schärfer kann der Blick durch den Eingriff werden. Ruckhofer über den Ablauf der beiden gängigen OP-Methoden, bei denen mit dem Laser gearbeitet wird: „Bei LASEK wird die oberste Schicht der Hornhaut mit einer Alkohollösung abgelöst, ehe gelasert wird. Bei Femto-LASIK wird mit dem Femtosekundenlaser ein Schnitt gesetzt, und die oberste Hornhautschicht wird weggeklappt, ehe gelasert wird.“
LASEK sei laut dem Experten schmerzhafter und könne bei hohen Dioptrien zur Bildung von Narben führen. FemtoLASIK sei weitgehend schmerzfrei, und nach dem Eingriff verbessere sich das Sehvermögen schnell. Allerdings bestehe die Gefahr, dass sich die Hornhaut verzieht. Ob dieses Risiko gegeben sei, könne aber durch eine genaue Voruntersuchung abgeklärt werden, so Ruckhofer.
Bei Kurzsichtigkeit mit mehr als minus zehn oder Weitsichtigkeit mit mehr als plus vier Dioptrien stoße der Laser an seine Grenzen. „Eine derart starke Fehlsichtigkeit kann aber mit dem Einsatz einer Kunststofflinse in das Auge korrigiert werden“, ergänzt Ruckhofer die Liste der sich bietenden Möglichkeiten. Die zusätzliche Linse wird entweder vor oder hinter der Pupille implantiert.
Mit dem Skalpell gegen Grünen Star
Wie der Graue ist auch der Grüne Star (Glaukom) eine Alterserscheinung: Jeder Zehnte über 80-Jährige leidet daran. „Dabei fließt das Augenwasser nicht mehr ausreichend ab, wodurch sich der Augeninnendruck erhöht“, beschreibt Experte Ardjomand das Problem. Das stört wiederum die Durchblutung des Sehnervs und schädigt ihn, was an einer Einschränkung des Blickfelds merkbar ist, die immer weiter fortschreitet.
„Wenn Augentropfen, die den Augendruck senken, nicht mehr helfen, muss operiert werden, um eine Erblindung zu vermeiden“, appelliert Ardjomand. Durch die Maßnahme bleibt die vorhandene Sehleistung erhalten, eine Verbesserung ist allerdings nicht mehr möglich. Der Mediziner über den Ablauf des Eingriffs: „Nach einem Schnitt mit dem Skalpell in die Bindehaut wird entweder ein Filterkissen in den Augapfel gesetzt oder ein kleines Kunststoffröhrchen.“ Röhrchen und Kissen dienen dazu, Augenwasser abzuleiten, was den Augeninnendruck wieder normalisiert. „In seltenen Fällen bildet sich über dem Kissen oder Röhrchen neues Gewebe, und der Abfluss funktioniert nicht mehr“, nennt Ardjomand das Risiko. Dann hilft nur eine Wiederholung der OP.
Bei Schielen OP mit dem Mikroskop
Etwa fünf Prozent aller Österreicher schielen. „Dass die Seeachsen der Augen nicht parallel sind, sondern voneinander abweichen, geht auf eine Störung im Zusammenspiel der Augenmuskeln zurück“, erläutert Dr. Theresia Keindl, die sich an der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg auf die Behandlung von Schielen spezialisiert hat. Die Störung kann angeboren sein, von einer Fehlsichtigkeit ausgehen oder durch Erkrankungen, die zu einer Lähmung eines Augenmuskels führen, verursacht werden, z. B. durch einen Schlaganfall.
Wenn sich das Schielen weder von selbst bessert noch durch eine Brille behoben werden kann, empfiehlt Keindl eine Operation: „Bei der neuesten Methode werden die Augenmuskeln durch winzige Bindehautschnitte, die mithilfe eines Mikroskops oder einer Lupenbrille gesetzt werden, so ausgerichtet, dass der Schielwinkel verringert wird.“ Nach dem Eingriff kann es sein, dass einige Tage lang Doppelbilder gesehen werden, weil sich das Gehirn an die neue Augenstellung gewöhnen muss. „Manchmal bleibt ein Restschielwinkel übrig, oder das Schielen tritt nach Monaten oder Jahren neuerlich auf“, so Keindl über weitere Risiken, die aber oft durch eine zweite OP gut beseitigt werden können.
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Inlay gegen Alterssichtigkeit
Preisschilder und Ablaufdaten auf Lebensmitteln sind nur noch unter Mühen erkennbar, und der Arm ist zu kurz, um die Zeitung so weit wegzuhalten, dass sie lesbar ist: So macht sich Alterssichtigkeit (Presbyopie) bemerkbar, und irgendwann trifft sie jeden. „Das Problem entsteht, weil die Linse mit zunehmendem Alter immer starrer wird und sich daher immer weniger gut krümmen kann, um das scharfe Sehen in die Nähe zu ermöglichen“, erläutert Ruckhofer. Eine neue Methode kann das Defizit wettmachen: Die Implantierung eines speziellen Inlays. Die Kunststoffscheibe, die in die Hornhaut eines Auges geschoben wird, bewirkt, dass die Operierten wieder gut in die Nähe sehen und keine Lesebrille mehr benötigen.
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Makuladegeneration: Spritze statt Operation
Jeder dritte über 50-Jährige leidet hierzulande an einer sogenannten Makuladegeneration. Dabei heben sich Zellen im Bereich der Makula ab. „Da dieser Bereich der Punkt des schärfsten Sehens auf der Netzhaut ist, führt dies dazu, dass man zunächst gerade Linien gewellt sieht“, veranschaulicht Univ. Prof. Dr. Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Wiener Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie. Manchmal bleibt es bei dieser Veränderung, meist wachsen jedoch im Anschluss an die Schädigung der Sehpigmentzellen unter der Makula Gefäße, die bluten. Schmidt-Erfurth: „Unbehandelt führt das zu einer immer größeren Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur Erblindung.“
Mit verschiedenen Substanzen, die im Abstand von ein bis zwei Monaten ins Auge injiziert werden, wird die Makuladegeneration heute gestoppt. „Bei einem Drittel der Patienten wird das Sehvermögen wieder besser, bei zwei Drittel erreicht man, dass es so gut erhalten bleibt, wie es zu Beginn der Therapie bestand“, weiß Schmidt-Erfurth, die zu den Pionieren der Methode zählt. Die Behandlung hat nur einen Nachteil: Die Injektionen müssen lebenslang gegeben werden. Noch vor einigen Jahren bestand die einzige Möglichkeit, die Makuladegeneration zu behandeln, in einer Operation. Dabei wurden die blutenden Gefäße mit dem Laser verödet, wodurch zwar die Verschlechterung des Sehvermögens aufgehalten wurde. Nur blieben vom Eingriff Narben auf der Makula zurück, wodurch die Patienten nach der Operation schlechter sahen als davor.
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Lebenslang gut sehen: Ein Blick in die Zukunft
- Bereits in Entwicklung sind Brillen und Linsen, die aufgrund eines speziellen Schliffs die Verschlechterung von Kurzsichtigkeit verzögern, sowie Augentropfen mit derselben Wirkung.
- Auch gegen Alterssichtigkeit könnte es in Zukunft eine Alternative zu Lesebrille oder Operation geben: Forscher arbeiten an einer Substanz, mit der die Linsen der Augen elastisch gehalten werden können. Lassen sich die Linsen bis ins hohe Alter gut krümmen, bleibt das Lesen von Kleingedrucktem lebenslang problemlos möglich.
- Sogar gegen den Grünen Star könnte in einigen Jahren ein anderes Mittel zur Verfügung stehen als Augentropfen oder Skalpell: In Entwicklung ist eine Linse, die ins Auge gesetzt wird und kontinuierlich Tropfen abgibt, die den Augeninnendruck senken.
- Gegen Netzhautveränderungen wie die altersbedingte Makuladegeneration könnten wiederum spezielle Chips auf die Netzhaut gesetzt werden, die zerstörte Sinneszellen ersetzen und die Sehkraft wieder bringen.
Stand 02/2014