Von Mag. Sabine Stehrer
Die Nase rinnt oder ist verstopft, die Augen brennen, man hustet, bekommt schwer Luft und mitunter asthmaartige Anfälle – auch nachts, was wiederum zu Schlafstörungen bzw. zu Müdigkeit und Konzentrationsschwächen am darauffolgenden Tag führen kann: Das sind die typischen Beschwerden, die jenen 1,3 bis 1,7 Millionen Österreicherinnen und Österreichern, die aktuell an einer Pollenallergie leiden, ab Frühlingsbeginn und mitunter auch noch während der gesamten warmen Jahreszeit das Leben schwer machen. Nach einer Befragung für den Österreichischen Allergiebericht 2006 fühlen sich denn auch nicht weniger als 43 bis 63 Prozent der Betroffenen durch die Allergie sehr oder ziemlich beeinträchtigt. Schlimm ist: „So wie die Zahl der Neuerkrankungen in den vergangenen 20 Jahren seit 1990 um 50 Prozent gestiegen ist, wird sie vermutlich auch in Zukunft weiter ansteigen“, weiß Ass. Prof. Dr. Siegfried Jäger, Pollenallergie-Experte an der HNO-Klinik des Wiener AKH. Bald werden 25 Prozent der Österreicher betroffen sein, das ist dann jeder Vierte. Jäger über die wahrscheinlichen Gründe: „Als Ursache vermuten wir ein Zusammenspiel zwischen der zunehmenden allergischen Potenz der Pollen und der ebenfalls zunehmenden Sensibilität der Menschen.“
Sofort behandeln lassen
Bei Allergikern reichen schon wenige Pollen pro Kubikmeter Luft aus, um die genannten Symptome auszulösen. Unbehandelt kann, was mit Heuschnupfen, Augenbrennen und Husten und asthmaartigen Anfällen anfängt, zum chronischen Asthma werden. „Deswegen ist es wichtig, bei Auftreten der Beschwerden sofort ärztliche Hilfe zu suchen, um abtesten zu lassen, auf welche Pollen man allergisch reagiert, und sich behandeln zu lassen“, sagt Jäger. Dafür spricht auch eine Studie, die 2005 am Institut für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin mit 6791 Pollenallergikern gemacht wurde. Deren Beschwerden besserten sich durch die Behandlung umso mehr, je früher mit der Behandlung begonnen wurde. Bei jenen 7,8 Prozent der Befragten, die sich erst nach Jahren des Erduldens der Allergie in Behandlung begaben, war der Therapieerfolg um zehn Prozent geringer.
Birke und Ragweed immer aggressiver
Die weitaus meisten Pollenallergiker sind gleich auf mehrere Pollenarten allergisch: Bei der großen Mehrheit, 60 bis 70 Prozent, lösen Gräserpollen die Beschwerden aus – und das wird nach Meinung des Experten auch bis auf weiteres so bleiben. Der Anteil der Birkenpollenallergiker unter den Betroffenen nahm in den vergangenen 20 Jahren hingegen um 15 Prozent zu, wodurch ihr Anteil auf 50 Prozent an allen Pollenallergikern stieg – und weiter steigen wird. Ebenfalls im Wachsen begriffen ist die Zahl der Ragweedpollen-Allergiker. Noch liegt ihr Anteil an allen Pollenallergikern hierzulande bei 20 bis 30 Prozent, in den USA aber bereits bei 50 Prozent. Und das werde, so Jäger, vermutlich bald auch in Österreich der Fall sein.
Von Antihistaminika bis Akupunktur
Welche Behandlungen eignen sich am besten, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen? Im Wesentlichen hänge das vom Ausmaß der Beschwerden ab, so Jäger. „Wer nicht so stark leidet, ist mit der Einnahme von Antihistaminika gut beraten, womit die Entzündungsreaktionen und die nachfolgenden Beschwerden gemildert oder auch verhindert werden.“ Gegen den sogenannten Heuschnupfen an sich helfen außerdem das regelmäßige Ausspülen der Nase mit Kochsalzlösungen von zwei bis drei Esslöffeln Salz auf einen Liter Wasser, die Anwendung von salzhältigen Nasensprays oder auch Nasensprays, die das entzündungshemmende Cortison enthalten. Für Gräserpollen-Allergiker gibt es inzwischen auch Mittel in Tablettenform, Vergleichbares soll bald auch für Birken- und Ragweed-Allergiker erhältlich sein. In manchen Fällen können auch pflanzliche Mittel helfen. Reichen diese Möglichkeiten nicht aus, um die Symptome zu lindern, könne man versuchen, das Leiden ergänzend mit einer Akupunktur-Serie zu bekämpfen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Methode vielen Betroffenen hilft“, sagt Jäger.
Heilung mit Impfkur möglich
Wenn die Beschwerden trotz alldem unerträglich bleiben, rät Jäger zur spezifischen Immuntherapie, kurz SIT, die auch Hyposensibilisierung genannt wird. Das ist eine Impfkur, die während der belastungsfreien Zeit im Herbst und Winter durchgeführt wird und sich über zwei bis drei Jahre hinzieht. Dabei werden die allergieauslösenden Substanzen einmal monatlich in immer höheren Dosen in den Oberarm gespritzt, wodurch das Immunsystem nach und nach lernt, dem Allergen gegenüber toleranter zu werden. „Beim Großteil der Patienten können damit die Beschwerden um zwei Drittel auf ein Drittel reduziert werden“, sagt Jäger. „Das ist dem subjektiven Empfinden nach eine deutliche Verbesserung.“ Ein kleiner Teil der Betroffenen erlebe durch die Hyposensibilisierung sogar, dass das Immunsystem gänzlich damit aufhört, das Allergen zu bekämpfen, was die Heilung von der Pollenallergie bedeute. Zu jeder Zeit begonnen werden kann eine Impfkur mit Tabletten oder Tropfen, die täglich genommen werden und genauso wie die Spritzen wirken.
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Freizeit und Urlaub als Chance
Kontakt meiden kann sogar Heilung bringen
Ein gutes Mittel, um die Beschwerden bei Bestehen einer Pollenallergie zeitweise zu lindern, ist, den Kontakt zu den Pollen zu meiden. Pollenfrei sind z. B. die Berge ab einer Seehöhe von 1500 Metern. Jäger: „Die Wirkung tritt nach 15 bis 20 Minuten Aufenthalt in dieser Höhe ein und besteht in einer weitgehenden bis gänzlichen Beschwerdefreiheit.“ Der Wermutstropfen: Sobald man die Höhe verlassen hat, lässt die Wirkung nach derselben Zeit wieder nach. Andere pollenfreie Zonen sind Berghöhlen, Bergstollen oder Grotten.
Wer sich im Urlaub von den Birkenpollen entfernen möchte, ist mit einem Aufenthalt in Süditalien oder Spanien gut beraten. „Aber auch an der Adria spüren viele Betroffene eine Erleichterung“, weiß Jäger. Wer die Möglichkeit hat, in jener Zeit, in der in Österreich die Pollen fliegen, jedes Jahr in pollenfreien Gegenden Urlaub zu machen, ist nicht nur währenddessen beschwerdefrei, sondern habe, so der Experte weiter, sogar „gute Chancen, dass das Immunsystem nach mehreren Jahren nicht mehr feindlich auf Birkenpollen reagiert“.
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Problem Kreuzallergie
Vorsicht vor Nüssen, Obst & Co
Mit den Pollenallergien nehmen auch sogenannte Kreuzallergien zu. So reagieren Pollenallergiker sehr häufig auch auf Nahrungsmittel allergisch, deren Eiweiß in der Struktur jenem ähnelt, das in den Pollen vorkommt, auf die sie reagieren.
Wer gegen Gräser allergisch ist, sollte Erdnüsse, Kartoffeln, Roggen, Soja, Weizen und Tomaten mit Vorsicht genießen. Wer auf Birke, Erle oder Hasel allergisch ist, sollte auf Haselnüsse, Mandeln, Paranüsse und Walnüsse verzichten, auch auf Äpfel, Avocados, Birnen, Pfirsiche, Kartoffeln, Kiwis. Wer auf Ragweed reagiert, passt am besten beim Verzehr von Bananen, Gurken und Melonen auf.
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Wie entsteht eine Pollenallergie?
Das Immunsystem reagiert auf den Eiweißstoff, der sich in den Pollen befindet, wie auf einen Feind und versucht, diesen abzuwehren. In der Folge kommt es zu einer Ausschüttung von Histamin und anderen Substanzen, die Entzündungsreaktionen auslösen und zu den genannten Symptomen von Heuschnupfen über Augenbrennen bis hin zu Husten und Asthma führen. Die Neigung, eine Pollenallergie zu entwickeln, ist bis zu einem gewissen Grad vererbt. Andere Auslöser könnten psychische Faktoren sein, wie das Erleben einer Stresssituation.
Buchtipp: Schimmer Helga, Allergien. Erkennen – behandeln – damit leben
ISBN 978-3-902552-39-6, 126 Seiten, € 14,90 Verlagshaus der Ärzte
Webtipp:
Täglich aktualisierte Informationen über den Pollenflug in Österreich und Europa sowie über das Ausmaß der Belastung für Allergiker bietet der Österreichische Pollenwarndienst auf: www.pollenwarndienst.at
Stand 03/2010