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Darmgrippe

Wie man sich schützen kann
 
Sie können ganze Betriebe, Schulen, Altenheime, Kreuzfahrtschiffe lahmlegen und sind gerade jetzt im Winter besonders gefährlich: jene Viren, die die Magen-Darm-Grippe auslösen. Was vor dem Leiden schützt, und was es lindert.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Von einer Minute auf die andere geht es los – und dann kann man nur hoffen, dass eine Toilette in der Nähe ist. Auf Erbrechen folgt Durchfall, auf Durchfall folgt Erbrechen, dazu kommt auch noch Fieber: In etwa dieser Reihenfolge zeigt sich das Elend bei der Darmgrippe, auch Magen-Darm-Grippe und in der Fachsprache Gastroenteritis genannt. „Bei den Beschwerden handelt es sich um Abwehrmechanismen des Körpers, die dazu dienen, die Erreger loszuwerden“, erklärt Assoc. Prof. Dr. Christoph Steininger, Internist und Virologe am AKH in Wien. Schließlich ist die Infektion mit Entzündungen des Magen-Darm-Trakts verbunden.
Erreger der Magen-Darm-Grippe sind in 90 Prozent der Fälle Noroviren. Benannt wurden die Übeltäter nach der US-Stadt Norwalk, wo man sie 1968 entdeckte, als der Großteil der Bevölkerung von Brechdurchfall heimgesucht wurde. Massenhaft Menschen erkranken zu lassen, ist eine Spezialität der Noroviren. Ihren vorläufigen Rekord erreichten sie 2012, als sie gleich 11.000 Deutsche auf einmal befielen. Dass sich Hunderte Menschen auf einen Schlag mit Noroviren anstecken, kommt indes öfter vor. Regelmäßig sorgen die gefährlichen Erreger für Schlagzeilen, wenn sie ganze Betriebe, Schulen, Kindergärten, Altenheime, Kreuzfahrtschiffe, Flüge lahmlegen.

Widerstandsfähig und hoch ansteckend

Warum Noroviren immer gleich so viele Menschen erwischen? „Das liegt an ihren besonderen Eigenschaften“, erläutert Steininger, der in der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie die Arbeitsgruppe für Infektiologie leitet. „Sie sind besonders resistent und lassen sich mit Reinigungsmitteln und sogar manchen Desinfektionsmitteln nicht unschädlich machen.“ Auch wenn man Toiletten und andere Räume, in denen sich ein Erkrankter aufhielt, putzt und schrubbt, können sich Noroviren etwa auf Tischoberflächen oder Türklinken bis zu zwei Wochen lang halten. Zudem halten sie extremer Kälte und Hitze stand – selbst bei Temperaturen bis zu minus 20 und plus 60 Grad Celsius bleiben sie gefährlich. „Außerdem können Noroviren auf mehreren Wegen übertragen werden“, so Steininger. Oral geraten sie über Hände und Mund in den Körper, manchmal auch beim Essen verunreinigter Lebensmittel oder beim Einatmen kontaminierter Tröpfchen, die in die Luft geraten, wenn ein Kranker erbricht. Damit nicht genug: Hat man die Viren einmal im Körper, sind sie hoch infektiös. Man erkrankt auf alle Fälle.

Auch andere Viren haben leichtes Spiel

Jetzt im Winter hat die Magen-Darm-Grippe Hochsaison. Das hat aber nichts damit zu tun, dass Noroviren bei Kälte noch infektiöser sind als sonst, sondern damit, dass aufgrund der kühlen Temperaturen die Anfälligkeit für Krankheiten generell größer ist. Wenn es kalt ist, haben viele Menschen ein geschwächtes Immunsystem und infizieren sich öfter mit Erkältungs- und Grippeviren, was sie doppelt schwächt. So haben abgesehen von den Noroviren auch noch andere Viren leichtes Spiel, die ebenfalls zu schwerem Brechdurchfall mit Fieber und einem Schwächegefühl führen: Adenoviren, Astroviren, Rotaviren – wobei Rotaviren die einzigen Erreger einer Gastroenteritis sind, vor denen man sich mit einer Impfung schützen kann.

Händewaschen oberstes Gebot

Was man noch tun kann, um sich zu schützen? Da alle Viren, die Brechdurchfall auslösen, hauptsächlich über die Hand in den Mund und anschließend in den Magen-Darm-Trakt geraten, ist gründliche Handhygiene oberstes Gebot. „Vor allem wer viel in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist oder im Lauf des Tages vielen Menschen die Hände schüttelt,  sollte sich die Hände so oft wie möglich gründlich mit Wasser und Seife waschen und zwischendurch mit einem Desinfektionsspray reinigen“, empfiehlt Steininger. Die besonders widerstandsfähigen Noroviren lassen sich so zwar nicht immer abschütteln, doch schützt die Handhygiene gut vor weiteren möglichen Erregern der Magen-Darm-Grippe wie Bakterien. Steininger: „Aufgrund von Stuhluntersuchungen weiß man, dass Bakterien in etwa sechs Prozent der Erkrankungen verursachen.“ Unternimmt man eine Reise in Regionen, in denen andere Hygienestandards als hierzulande herrschen und deswegen die Ansteckungsgefahr mit Bakterien besonders groß ist, sollte man auch beim Essen und Trinken vorsichtig sei. „Dann isst man am besten nur gekochte Speisen, aber keinen Salat und kein geschältes Obst, und trinkt lieber kein Wasser oder andere offene Getränke“, so Steininger.  

Elektrolytgetränke helfen

Hat es einen trotz der Schutzmaßnahmen erwischt, behandelt man eine Darmgrippe „am besten, indem man den Selbstreinigungsprozess des Körpers unterstützt“, rät Experte Steininger. Der Körper befreit sich von den Erregern vor allem durch den Ausstoß von Flüssigkeit beim Erbrechen und beim Durchfall.  Darum gilt es, viel zu trinken, auch um sich vor Austrocknung zu schützen, die besonders für Ältere sowie für Babys und Kleinkinder gefährlich ist. „Empfehlenswert sind elektrolythaltige Getränke, entweder solche, die speziell für Durchfallpatienten produziert wurden, oder solche, die für Sportler gedacht sind “, so Steininger. Diese füllen nicht nur das Flüssigkeitsreservoir auf, sondern liefern zudem wertvolle Nährstoffe wie Natrium, Kalium, Kalzium und Vitamine, die beim Brechdurchfall im Übermaß verloren gehen.

Medikamente nur im Notfall nehmen

„Statt Elektrolytgetränke kann man aber auch stark gezuckerte Tees trinken oder stark gesalzene, klare Suppen essen“, empfiehlt Steininger. Die Klassiker Salzstangerln und Cola hält Steininger für gut, wenn dazu viel Wasser getrunken wird: „Das Wasser kann durch den Zucker im Cola und das Salz auf den Salzstangerln gut vom Körper aufgenommen werden. Und die Stangerln bieten Kohlenhydrate, die leicht sind, aber dennoch etwas sättigen.“ Gänzlich abzuraten ist Erkrankten von fettreichen Speisen, da sie den Magen-Darm-Trakt nur zusätzlich belasten, sowie von Milchprodukten, da eine Magen-Darm-Infektion oft eine vorübergehende Laktose-Unverträglichkeit mit sich bringt. Medikamente, die den Durchfall stoppen, sollte man laut Steininger nur im Notfall nehmen, also wenn man z. B. im Urlaub erkrankt ist und die Heimreise ansteht. Der Grund: Die Mittel hindern den Körper an seinem Selbstreinigungsprozess und können so die Krankheit verlängern. Dasselbe gilt für Antibiotika, die deswegen nur in Ausnahmefällen und nur bei nachweislich durch Bakterien verursachten Formen der Magen-Darm-Grippe empfehlenswert sind.

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Brechdurchfall:
Welcher Erreger steckt dahinter?

Eine Gastroenteritis (Darmgrippe, Magen-Darm-Grippe) kann durch Noroviren, Rotaviren, Adenoviren und Astroviren verursacht werden, aber auch durch Bakterien wie etwa Salmonellen. Welcher Erreger hinter der Infektion steckt, ist nicht einfach zu erkennen und nur durch eine Stuhlanalyse möglich, so der Internist und Virologe Assoc. Prof. Dr. Christoph Steininger. Starkes Erbrechen und wässriger Durchfall treten z. B. sowohl bei einer Infektion mit Noroviren als auch bei einer Lebensmittelvergiftung durch Bakterien auf. Der einzige Unterschied: Bei einer bakteriellen Infektion ist die Übertragung von Mensch zu Mensch nicht möglich, das heißt, die Erkrankten stecken anders als nach einer viralen Infektion niemanden an.

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Impfung: Bald auch Schutz vor Noroviren?


Babys und Kleinkinder werden besonders häufig von Rotaviren attackiert. Der Grund: Ihr Immunsystem hat noch nicht gelernt, sich gegen diese Erreger zu wehren. Wer hingegen einmal von Rotaviren erwischt wurde und daran erkrankt ist, ist für immer immun dagegen. Das ist bei der großen Mehrheit der Erwachsenen der Fall. Lebenslang geschützt sind auch Babys und Kleinkinder, die gegen Rotaviren geimpft wurden.
Bald könnte auch der häufigste Auslöser der Gastroenteritis durch eine Impfung in die Schranken gewiesen werden, stellt Experte Assoc. Prof. Dr. Christoph Steininger in Aussicht: „Es ist damit zu rechnen, dass schon binnen der nächsten Jahre eine Norovirus-Impfung auf den Markt kommt, die zumindest gegen die häufigsten Noroviren-Typen schützt.“

Stand 01/2014

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