Das Alter bringt es mit sich, dass verschiedene körperliche Funktionen nachlassen. So verhält es sich auch mit dem Hörvermögen. Doch mit dem altersbedingten Hörverlust sollte man sich nicht so einfach abfinden. Denn das Gehör hat eine bedeutende soziale Funktion, ohne Gehör ist man von der Mitwelt abgeschnitten. Für das soziale Wesen Mensch mitunter eine seelische Katastrophe!
Von Mag. Wolfgang Bauer
Das Alter zwischen 40 und 50 Jahren ist für viele Frauen und Männer die Zeit, in der man sich für die erste Brille entscheidet, weil das Sehvermögen nachlässt. In diesem Alter kann auch das Hörvermögen bereits merkbar abnehmen. Zwischen 60 und 70 ist dann rund ein Drittel der Menschen von Höreinbußen betroffen, wie Zahlen aus England beweisen. Bei den 70- bis 80jährigen sind es bereits rund 60 Prozent.
„Bei einer altersbedingten Schwerhörigkeit ist die Schallempfindung gestört“, sagt Dr. Thomas Hofstetter, HNO-Arzt in Oberndorf bei Salzburg. „Das heißt, dass die Sinneszellen im Innenohr nur mehr eingeschränkt in der Lage sind, die Schallwellen in Nervenimpulse umzuwandeln.“ Die Betroffenen sind dann nicht mehr in der Lage, hohe Frequenzen entsprechend zu hören. Später werden dann auch mittlere und tiefere Töne schlechter wahrgenommen (siehe „Die zwei Arten von Schwerhörigkeit“, unten).
Ursachen abklären lassen
Freilich können auch andere Ursachen als das Alter hinter einer Hörverminderung stehen, etwa eine jahrelange Lärmexposition am Arbeitsplatz oder entzündliche Prozesse wie eine Mittelohrentzündung. Auch Ohr-Operationen kommen in Frage oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes bzw. erhöhte Cholesterinwerte. Wenn die feinen Gefäße im Ohr verkalken, kann das die Mikrodurchblutung beeinträchtigen und zu Höreinbußen führen. „Darum ist es so wichtig, die Ursachen genau abklären zu lassen“, so Hofstetter. Zur Abklärung stehen denkbar einfache diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung. Da ist zunächst einmal die Erhebung der Krankengeschichte zu erwähnen, die Anamnese. Sie ergibt bereits wichtige Hinweise, etwa ob die Betroffenen zu viel Lärm ausgesetzt waren, oder ob sie eine entzündliche Erkrankung durchgemacht haben. Das Audiogramm, ein spezieller Hörtest, gibt genauen Aufschluss über das Ausmaß der Schwerhörigkeit. Mit diesem Test kann man feststellen, welche Frequenzen nur mehr eingeschränkt wahrgenommen werden.
Hemmschwelle überwinden
Trotz dieser einfachen und schmerzfreien Möglichkeiten nehmen viele Betroffene das diagnostische Angebot erst sehr spät wahr. Sie nehmen zum Teil über viele Jahre hinweg die Probleme in Kauf, die sich durch die Einschränkung ergeben. Die Betroffenen hören ja noch vieles, können aber nicht mehr alles verstehen. Wenn sie nachfragen, nerven sie mitunter die Angehörigen und Bekannten. Eine weitere mögliche Folge: Weil sie etwas falsch oder schlecht verstanden haben, geben sie die falschen Antworten. Und da das Nicht-Verstehen und Nicht-verstanden-Werden auf Dauer frustrierend ist, ziehen sich Schwerhörige oft zurück, brechen Kontakte ab, besuchen zum Beispiel keine Stammtische mehr. Durch die Schwerhörigkeit drohen also unnötige Konflikte, soziale Isolation oder zumindest eine Einbuße an Lebensqualität.
Hilfreiche Geräte
Eine altersbedingte Schwerhörigkeit ist letztlich nicht heilbar. Sie ist aber durch das Tragen eines Hörgerätes gut behandelbar. Hören wird wieder möglich, auch wenn es sich nicht um jenes „normale“ Hören handelt, wie man es aus früheren Zeiten in Erinnerung hat. Es ist ein durch Technik unterstütztes Hören, das aber für die Lebensqualität der Betroffenen immens wichtig ist, sagt HNO-Arzt Hofstetter. „Die Betroffenen gewöhnen sich sonst an den Hörverlust, es kommt zu einer Hörentwöhnung.“ Wenn sie sich dann eines Tages doch für das Tragen eines Hörgerätes entschließen, sind sie häufig damit überfordert, da sie mit einem Mal wieder Sinneseindrücke wahrnehmen, die ihnen über Jahre hinweg verwehrt waren. Und die sie dann einfach nur als „zu laut“ empfinden. Nicht selten verschwindet dann ein Hörgerät unbenützt in der Schublade.
Wichtige Anpassung
Hörgeräte sind High-Tech-Geräte in Miniaturform, sie sind sozusagen Empfänger bzw. Mikrofon, Verstärker und Lautsprecher in einem. Sie verstärken allerdings nicht nur den sogenannten Nutzschall, etwa die Stimme des Partners oder das nette Vogelgezwitscher aus dem Garten. Auch der sogenannte Störschall wird verstärkt, zum Beispiel der Lärm des Straßenverkehrs oder der nahen Baustelle. Und von diesen lauten Gesamteindrücken sind viele überrascht, vor allem, wenn sie durch das abnehmende Hörvermögen jahrelang keinen Störschall registrieren konnten. Daher ist es so wichtig, dass man sich bei Schwerhörigkeit frühzeitig für das Tragen eines Hörgerätes entscheidet und für die Auswahl und nötige Anpassung die entsprechende Geduld mitbringt. „Man benötigt dafür mehr Zeit und Geduld als für die Gewöhnung an eine Brille“, sagt Thomas Hofstetter. Bis ein Gerät zum jeweiligen Hörvermögen passt, müssen Betroffene vielleicht mehrmals zum Akustiker, um die Einstellung zu optimieren.
Ein Aufwand, der sich lohnt. Denn durch das Tragen eines Hörgerätes können die Betroffenen wieder verstehen, was das Enkerl mitteilen möchte, was am Stammtisch diskutiert wird oder wenn ein Auto naht. Und noch etwas: auch die lästigen Ohrgeräusche, der sogenannte Tinnitus, wird durch das Tragen eines Hörgerätes weniger wahrgenommen. 50 Prozent der Schwerhörigen sind ja auch mit einem dauerhaften Sausen, Summen oder Brummen konfrontiert. Es gibt sogar spezielle Hörgeräte für Tinnitus-Patienten, die einen sanften Dauerton abgeben, der etwa wie angenehmes Meeresrauschen klingt, womit das Ohrensausen in den Hintergrund gedrängt wird.
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Die zwei Arten von Schwerhörigkeit
Beim Hören werden Schallwellen von der Ohrmuschel aufgenommen und in Richtung Innenohr weitergeleitet, wo sie in elektrische Impulse umgewandelt werden, die wiederum über Nervenbahnen ins Gehirn gelangen. Dabei kann es zu zweierlei Beeinträchtigungen kommen:
Bei einer gestörten Schallempfindung bzw. einer Schallempfindungsschwerhörigkeit ist die Funktion der Sinneszellen des Innenohrs eingeschränkt oder ausgefallen. So können die mechanischen Vibrationen der Schallwellen nicht mehr ausreichend in Nervenimpulse umgewandelt werden. Und so werden bestimmte Frequenzen, meist die hohen, nicht mehr so gut wahrgenommen. Bei einer stärker ausgeprägten Form der Schwerhörigkeit kann der Hörverlust alle Frequenzen in verschiedener Ausprägung betreffen. In solchen Fällen kann man nur durch Hörgeräte eine deutliche Verbesserung erzielen.
Bei der Schallleitungsschwerhörigkeit ist der Weg des Schalls zur sogenannten Schnecke im Innenohr behindert – zum Beispiel durch Ohrenschmalz oder chronisch entzündliche Mittelohrerkrankungen. Dies kann der Arzt beheben.
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Hörgeräte – die gängigsten Modelle
Der Weg zu einem Hörgerät führt über den HNO-Arzt. Er stellt den Grad der Schwerhörigkeit fest und verordnet ein Hörgerät, das man nach der erwähnten Anpassung bei einem Akustiker erhält. Diese Experten informieren auch über die Kosten eines Gerätes (Selbstbehalt, Zuschuss durch die Krankenkasse). Im Grunde stehen zwei Gerätetypen zur Verfügung:
• Geräte, die hinter dem Ohr angebracht werden (HdO-Geräte):
Ihre technische Ausstattung befindet sich hinter der Ohrmuschel, wo der Schall aufgenommen und über einen dünnen kurzen Schlauch in den Gehörgang geleitet wird. Ein Ohrpassstück fixiert das Ende des Schlauchs im Ohr. Die Geräte sind einfach zu bedienen, was den Ein- und Ausschalter und die Batterielade betrifft. Sie bieten auch eine gute Belüftung des Gehörgangs und eignen sich besonders bei stärker ausgeprägter Schwerhörigkeit.
• Geräte, die im Ohr angebracht sind (IO-Geräte):
Sie sind etwas unauffälliger und ermöglichen die Aufnahme des Schalls direkt in der Ohrmuschel. Aufgrund des kurzen Weges vom Empfänger bis zum Gehörgang kommt es zu einem geringen Verlust an Klangqualität. Sie eignen sich bei leichter bis mittlerer Schwerhörigkeit, bieten aber eine schlechtere Durchlüftung des Gehörganges, was mitunter zu lokalen Komplikationen führen kann.
Ebenfalls hilfreich im Haushalt:
• ein Telefon mit Hörverstärker,
• spezielle Hörsysteme bzw. Kopfhörer zum Fernsehen oder
• Türklingeln, die beim Läuten auch Lichtsignale (Blinken) aussenden.
Stand 03/2016