Mund & Zähne

Die bewährten „Dritten“

Müssen mehrere Zähne ersetzt werden, geschieht dies in vielen Fällen durch eine Zahnprothese – welche Vor- und Nachteile dieser Ersatz hat und was bei der Pflege zu beachten ist.

von Mag. Wolfgang Bauer

Prothesen kommen in Frage, wenn die entstandene Lücke so groß ist, dass ein festsitzender Zahnersatz wie etwa eine Brücke nicht mehr ausreicht, um die Zahnreihe wieder zu vervollständigen. Oder wenn alle Zähne eines Kiefers ersetzt werden sollen“, sagt Dr. Walter Keidel, Zahnarzt in Grödig bei Salzburg und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ÖGZMK). Durch Karies geschädigte und nicht mehr sanierbare Zähne, Zahnfleischentzündungen oder der Abbau von Kieferknochen sind zum Beispiel Gründe, die für einen herausnehmbaren Zahnersatz sprechen. Auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle, die Kosten für die meisten Prothesen werden zu einem großen Teil von den Krankenkassen übernommen.

Welche Arten von Prothesen gibt es?

Im Grunde gibt es zwei Arten eines herausnehmbaren Zahnersatzes: die Teilprothese und die Voll- oder Totalprothese.

  • Teilprothese:
    es sollten noch intakte Zähne vorhanden sein, an denen die Teilprothese befestigt werden kann. Die einfachste Art besteht aus einem Grundgerüst aus rosa Kunststoff. Darauf sind das künstliche Zahnfleisch und mehrere künstliche nebeneinander stehende Zähne befestigt, die die fehlenden natürlichen Zähne ersetzen. Diese Kunststoffprothese wird an den Nachbarzähnen mit Hilfe von Drähten befestigt. Die Drähte sind jedoch häufig sichtbar, womit viele Patienten unzufrieden sind. Zusätzlich können die Drahtklammern Karies an den natürlichen Zähnen verursachen. Sie dienen daher – vor allem bei plötzlichem Zahnverlust – als vorübergehender Zahnersatz.
    „Als langfristige Alternative bieten sich Teilprothesen an, die nicht mit Drähten, sondern mit Kronen und Geschiebe an den Restzähnen befestigt werden“, sagt Zahnarzt Keidel. Ein Geschiebe ist eine spezielle Art der Verankerung, mit einer entsprechenden Vorrichtung an einer Zahnkrone. Über diese Krone wird dann die Prothese mit dem passenden Gegenstück geschoben. Ihr Grundgerüst aus Metall ist stabiler als Kunststoff, eine Geschiebeprothese kann außerdem nicht verrutschen. Zusätzlich sind die überkronten Restzähne durch die Kronen gut geschützt. Besonders wichtig: der Druck, der beim Kauen von Nahrung entsteht, kann gleichmäßig auf die gesamte Teilprothese verteilt werden, was möglichen Druckstellen vorbeugt.
    Es gibt auch Kombinationen aus natürlichen Zähnen und Implantaten (sog. Hybridprothesen), die als Pfeiler für die Verankerung von Teilprothesen fungieren. Das sind Möglichkeiten, die einen guten Halt der Prothesen gewährleisten sowie den ästhetischen Ansprüchen vieler Patienten entsprechen, die aber von den Kassen nur teilweise übernommen werden.

  • Vollprothese:
    Eine Vollprothese ersetzt alle Zähne des Ober- oder des Unterkiefers oder beider Kiefer. Sie besteht ebenfalls aus einer Basis aus Kunststoff in der Farbe des Zahnfleisches. Darauf sind die Zähne verankert, die auch aus Kunststoff oder Keramik sind. Im Allgemeinen haften Prothesen im Oberkiefer besser, da sie eine größere Auflagefläche am Gaumen aufweisen. Oberkieferprothesen können sich dadurch an der Schleimhaut des Gaumens festsaugen, da der Speichel wie ein natürlicher Kleber wirkt. Im Unterkiefer wiederum hält die Vollprothese aufgrund der geringeren Auflagefläche weniger gut. Dort hat sich der Einsatz von zwei oder mehreren Implantaten bewährt, die eine Prothese entsprechend verankern, damit sie beim Kauen nicht verrutschen kann.
    Welche Art der Versorgung auch immer in Frage kommt: „Bei der Herstellung einer Prothese arbeiten wir Zahn­ärzte intensiv mit Zahntechnikern zusammen, damit der Zahnersatz wirklich gut sitzt und den ästhetischen Ansprüchen der Patienten genügt“, sagt Keidel. Kieferabdrücke, Wachsmodelle sowie exakte Messdaten und Herstellungsverfahren machen es möglich.


Wichtige Gewöhnung

Wie alle anderen Prothesen stellen Zahnprothesen einen Fremdkörper im Organismus dar, an den sich die Betroffenen erst gewöhnen müssen. Die Phase der Gewöhnung verläuft individuell verschieden und hängt von mehreren Faktoren ab: etwa dem Alter der Patienten und dem Gesundheitszustand. So kann nach einem Schlaganfall die Motorik eingeschränkt sein, was das Herausnehmen und Einbringen einer Prothese erschwert.

Um die Gewöhnung zu erleichtern, empfiehlt Zahnarzt Walter Keidel:

  • Tragen Sie die Prothese so oft wie möglich. So gewöhnen Sie sich rascher an den neuen Zahnersatz.
  • Regelmäßige Sprechübungen – wenn Sie allein und ungestört sind – helfen, um anfängliche Probleme beim Sprechen (vor allem von Zischlauten) rascher in den Griff zu bekommen. Lesen Sie zum Beispiel Ihre Zeitung laut.
  • Wenden Sie sich an Ihren Zahnarzt, wenn der neue Zahnersatz irgendwo drückt oder Schmerzen bereitet.


Information und Beratung

Lassen Sie sich von Ihrem Zahnarzt beraten, welche Art eines herausnehmbaren Zahnersatzes für Sie in Frage kommt, wie die Behandlung verlaufen wird und welche Kosten entstehen können. Informationen über Kosten bzw. einen Kostenzuschuss erhalten Sie auch von Ihrer Versicherung oder privaten Zusatzversicherung. Im Allgemeinen haben Patienten alle sechs Jahre Anspruch auf eine neue Teil- oder Vollprothese.


Vor- und Nachteile einer Prothese


Vorteile:

  • Herausnehmbarer Zahnersatz erfüllt wichtige Funktionen des Gebisses, etwa das Zerkleinern der Nahrung oder die Lautbildung beim Sprechen.
  • Die Versorgung geht relativ rasch vor sich, ist zumeist weniger aufwändig und kompliziert wie beim festsitzenden Zahnersatz (man denke etwa an die lange Phase der Einheilung bei Implantaten).
  • Die Kosten werden zum großen Teil von der Krankenkasse übernommen.
  • Die Reinigung kann sehr effizient und gründlich durchgeführt werden, da man zu diesem Zweck die Prothese herausnehmen kann.
  • Aus ästhetischer Sicht sind „dritte Zähne“ kaum mehr von natürlichen zu unterscheiden.

Nachteile:

  • Das Fremdkörpergefühl im Mund kann irritieren.
  • Beim Kauen harter Nahrungsmittel (z.B. von Nüssen) muss man vorsichtig sein, herausnehmbarer Zahnersatz ist nicht so belastbar wie natürliche Zähne.
  • Die Lebensdauer einer Prothese ist meist kürzer als bei einem festsitzenden Zahnersatz (mehr darüber in MEDIZIN populär 5/2018). Entsprechende Hygiene und Pflege kann die Lebensdauer wesentlich verlängern.

So werden Prothesen gereinigt

Grundsätzlich gilt, dass Prothesen wie natürliche Zähne regelmäßig und gründlich gereinigt werden sollen, am besten zweimal täglich, empfiehlt Zahnarzt Keidel. Bakterien und andere Keime können sich auch an künstlichen Zähnen ansiedeln und Schaden anrichten. Ebenso wichtig: die Prothese mindestens einmal im Jahr durch den Zahnarzt kontrollieren und professionell reinigen lassen. So kann  zum Beispiel Zahnstein entfernt werden. Dieser lagert sich genauso wie am natürlichen Zahn ab. Außerdem empfiehlt Walter Keidel:

  • Bürste, fließendes Wasser und eventuell ein spezielles Reinigungsmittel halten die Prothese sauber.
  • Reinigen Sie auch die Innenseite der Prothese sowie Drähte von Teilprothesen gründlich.
  • Achten Sie bei einer Teilprothese auch auf die regelmäßige und gründliche Pflege der gesunden Restzähne.

Foto: iStock, sasirin pamai

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