Leben nach dem Herzinfarkt

Juni 2013 | Medizin & Trends

„Angst ist mein ständiger Begleiter“
 
Helmut Rieder war erst 42 Jahre alt, als er einen Herzinfarkt erlitt. Im Interview mit MEDIZIN populär erzählt der heute 72-Jährige Tiroler, wie die Krankheit sein Leben bis heute prägt.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN populär
Herr Rieder, es ist jetzt 30 Jahre her, seit Sie einen Herzinfarkt hatten.
Können Sie sich noch erinnern, was damals passiert ist?

Helmut Rieder
Einen Infarkt vergisst man nie. Ich weiß noch genau, dass ich damals als Techniker bei den ÖBB den ganzen Tag in Vorarlberg unterwegs war. Am Nachmittag hatte ich plötzlich ein Engegefühl in der Brust und Schmerzen im linken Arm, und es ist mir sehr schlecht gegangen. Ein Kollege wollte mich sofort ins nächstgelegene Spital fahren, aber ich habe gesagt, ich will lieber nachhause und bin stur geblieben, ich war halt noch jung. So hat er mich mit dem Auto heim nach Wörgl gebracht. Rückblickend betrachtet, war das natürlich ein Wahnsinn.

Was ist dann passiert?
Daheim ist es mir immer schlechter gegangen. Also habe ich den Hausarzt gerufen, und der hat mich wegen des Verdachts auf Herzinfarkt ins Krankenhaus Kufstein bringen lassen, wo der Verdacht bestätigt wurde und ich ein paar Tage auf der Intensivstation gelegen bin. Danach wurde ich in die Klinik in Innsbruck gebracht, wo bei einer Herzkatheteruntersuchung verengte Gefäße aufgedehnt wurden. Nach diesem Eingriff war ich ein paar Wochen auf Rehabilitation. Arbeiten konnte ich lange Zeit nicht.

Haben Sie vor dem Infarkt nie Beschwerden gehabt?
Doch, aber die Anzeichen habe ich immer auf etwas anderes geschoben. Zum Beispiel habe ich gemerkt, dass ich mir beim Berggehen schwer tue. Aber da habe ich mir gedacht, momentan fehlt mir halt die Kondition. Und der linke Arm hat mir auch öfter wehgetan. Das habe ich auf meine Haltung beim Sitzen im Auto und die Zugluft geschoben.

Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass Sie einen Herzinfarkt bekommen haben?
Der Beruf hat mir zugesetzt. Ich war ständig unterwegs. Dadurch habe ich mich auch schlecht ernährt. Das heißt aber nicht, dass ich dauernd Schnitzel und Schweinsbraten gegessen habe, sondern eher viele Mehlspeisen. Auch habe ich immer viel Kaffee und literweise Cola getrunken, dazu Schnitten genascht. Ich hatte 20 Kilo Übergewicht, schlechte Cholesterinwerte und einen hohen Blutdruck. Geraucht habe ich aber nie, und Alkohol habe ich so gut wie keinen getrunken. Vielleicht waren noch die Gene schuld. Mein Vater hat auch einen Herzinfarkt gehabt.

Wie ist Ihr Leben nach der Rehabilitation weitergegangen?

Die ersten vier, fünf Jahre danach habe ich große Angst gehabt, dass ich wieder einen Herzinfarkt bekomme und alles noch einmal erleben muss. Angst ist immer noch mein ständiger Begleiter, und mit ihr zu leben, ist nicht einfach. Aber neben der großen Unterstützung, die mir meine Familie gegeben hat, hat mich die Angst dazu motiviert, einiges zu verändern. Um abzunehmen, habe ich nur noch die Hälfte von den davor üblichen Portionen gegessen. Und ich habe mich viel bewegt, war oft Mountainbiken, Langlaufen und Wandern. Das alles vorwiegend in der Herzsportgruppe, die ich inzwischen leite. So habe ich 20 Kilo abgenommen. Außerdem habe ich gelernt, alles, was ich mache, entspannter anzugehen und nicht mehr so wie früher dauernd perfekt sein zu wollen.

Und Sie sind nie mehr in Ihre alten Muster zurückgefallen?
Einmal strengt man sich mehr an, das zu tun, wozu einem die Ärzte raten, einmal weniger, das ist klar. Aber gänzlich zurückgefallen in die alten Muster bin ich nicht. Vielleicht auch, weil mir mein Körper vor 15 Jahren neuerlich ein Warnzeichen gegeben hat. Da habe ich beim Spazierengehen mit dem Kinderwagen und meinem Enkerl drin gemerkt, dass ich mich beim Schieben auf einmal so anstrengen muss. Damals bin ich aber gleich zum Arzt, weil ich mir gedacht habe, ich will mein Enkerl schon noch groß werden sehen. Es war dann auch tatsächlich wieder ein Herzgefäß verstopft. Um es zu umgehen, wurde mir ein Bypass gelegt.

Müssen Sie Medikamente nehmen?
Seit mittlerweile 30 Jahren Blutverdünner, Mittel gegen Bluthochdruck und Cholesterinsenker. Ich muss auch jedes halbe Jahr zur Kontrolle. Aber das macht mir nicht so viel aus, es hilft mir eher.

Wozu würden Sie anderen Menschen nach einem Herzinfarkt raten?
Dazu, sich einer Gruppe ebenfalls Betroffener anzuschließen, ähnlich meiner Herzsportgruppe. Durch den Austausch fällt es einem wesentlich leichter, seinen Lebensstil zu ändern.

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