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Die Knochen-Räuber

Wie neue medizinische Erkenntnisse zeigen, können verschiedene Krankheiten den Knochen gehörig an die Substanz gehen und zu Osteoporose führen. Ob Rheuma, Diabetes oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Warum diese und andere Leiden regelrechte „Knochenräuber“ sind, erklärt ein Experte für MEDIZIN POPULÄR.

Von Mag. Sabine Stehrer

Es sind die Frauen der Generation 60 plus, die hierzulande den Löwenanteil der rund 700.000 Menschen mit Osteoporose ausmachen, jener Menschen also, die an Knochenschwund leiden. Jenseits der 70 wird für sie die Gefahr, Knochenbrüche zu erleiden, immer größer. Oberschenkelhalsbrüche, Wirbel-, Rippen- und Armbrüche aus geringem Anlass bereiten nicht nur große Schmerzen, sie zwingen meistens zu längeren Krankenhausaufenthalten und führen nicht selten zum Tod: Jeder fünfte Betroffene stirbt in Folge einer derartigen Verletzung.
Doch nicht nur das weibliche Geschlecht, die Umstellung des Hormonhaushalts in den Wechseljahren und ein Alter über 60 Jahren sind Risikofaktoren für Osteoporose. Wie neue medizinische Erkenntnisse zeigen, können auch verschiedene Krankheiten den Knochen gehörig an die Substanz gehen und zu Osteoporose führen. Dieses Leiden, das als Begleiterscheinung zu diversen Erkrankungen auftritt und daher sekundäre Osteoporose genannt wird, macht nicht nur älteren Frauen zu schaffen, sondern auch jüngeren. Und Männer erkranken ebenfalls daran, sogar noch deutlich öfter als Frauen.

Das nagt am Knochen

Welche Krankheiten zu Osteoporose führen können? „Das sind an vorders­ter Stelle rheumatische Erkrankungen“, erläutert Prim. Dr. Peter Bernecker, Internist und ärztlicher Leiter des Pflegewohnhauses Leopoldstadt in Wien. Knochenschwund können aber auch Diabetes mellitus Typ 2, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, eine Schilddrüsenüberfunktion, entzündliche Darmerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn und die chronisch fortschreitende Lungenerkrankung COPD bewirken.
Warum diese Krankheiten die Knochen schädigen? „Bei COPD, bei entzündlichen Darmerkrankungen und rheumatischen Erkrankungen finden permanent entzündliche Prozesse im Körper statt“, sagt Bernecker. Durch diese Prozesse verändert sich der Knochenstoffwechsel. Zellen, die dem Knochenaufbau dienen, werden weniger. Zellen, die die Knochen abbauen, werden mehr. So verringert sich nach und nach die Knochenmineraldichte, und es kommt zum Knochenschwund. Bernecker: „Die Entwicklung einer sekundären Osteoporose wird oft noch durch die Einnahme von Cortison, die bei der Grunderkrankung häufig notwendig ist, extrem beschleunigt und verstärkt.“ Cortisonhältige Medikamente hemmen zwar die Entzündung, erschweren aber oft auch die Aufnahme von Nährstoffen, die für die Knochen wichtig sind, wie z. B. von Kalzium. Außerdem hemmen sie massiv die Knochenneubildung. Beides führt ebenfalls zum für den Knochen schädlichen Ungleichgewicht zwischen knochenaufbauenden und -abbauenden Zellen.
Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Zöliakie, Laktose- oder Fruktose-unverträglichkeit können zu Osteoporose führen. Grund dafür ist die verringerte Aufnahmefähigkeit der Darmschleimhaut für Kalzium und dazu noch für Vitamin D, beides Substanzen, die den Knochen gut tun. Bei Diabetes mellitus Typ 2 nagen andere Faktoren am Knochen: „Wenn der Blutzuckerspiegel zu hoch ist, beschleunigt sich der Knochenabbau“, sagt Bernecker. Dadurch verlieren die Knochen allmählich ihre Festigkeit.“

Vor dem Verfall retten

So wie die normale oder primäre Osteoporose, die für sich genommen besteht, spürt man auch die sekundäre Osteoporose nicht, und man kann sie selbst auch nicht sehen. Weil aber eine Früherkennung und eine rasch danach einsetzende Therapie den „Knochenräubern“ Paroli bieten und so die Knochen vor dem Verfall retten können, rät Bernecker Menschen mit den genannten Krankheiten, sich entsprechend untersuchen zu lassen. „Die Diagnose der sekundären Osteoporose ist einfach“, so der Experte. „Sie erfolgt durch ein Gespräch, eine Blutuntersuchung im Labor und gegebenenfalls ein bildgebendes Verfahren, das die Knochendichte sichtbar macht.“
Egal, welches Leiden schuld am Knochenschwund ist: Die Therapie der sekundären Osteoporose wird immer auf die Behandlung der Grunderkrankung abgestimmt. „Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Medikamente gegen die Grunderkrankung gegen solche ausgetauscht werden, die zwar gegen die Grunderkrankung helfen, den Knochenstoffwechsel aber weniger oder gar nicht beeinflussen.“

Geduld bei der Behandlung

Die sekundäre Osteoporose selbst wird mit denselben Mitteln bekämpft wie die primäre Osteoporose: Tabletten, die den Knochenaufbau fördern und gleichzeitig den Knochenabbau hemmen. Wer die Tabletten nicht verträgt, kann sich Injektionen geben lassen, die dieselbe Wirkung haben, aber nur zwei- bis viermal im Jahr nötig sind. Stellt sich bei der Blutuntersuchung heraus, dass ein Mangel an Nährstoffen besteht, die für die Knochen wichtig sind, hilft es, zusätzlich diese Nährstoffe einzunehmen. Wichtig ist, so Bernecker weiter, dass die Kombi-Therapie aus der Behandlung der Grunderkrankung und der Therapie der sekundären Osteoporose immer wieder auf individuelle Gegebenheiten abgestimmt wird und ohne Unterbrechung erfolgt. „Nur so kann sie auch wirken.“ Um im Kampf gegen den Knochenschwund Behandlungserfolge zu erzielen, braucht es allerdings etwas Geduld – sie sind erst nach etwa zwei Jahren Therapie zu bemerken.

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Was die Knochen stärkt

Richtige Ernährung
Wer bereits an (primärer oder sekundärer) Osteoporose leidet oder aber der Krankheit vorbeugen möchte, kann mit dem richtigen Essen und Trinken viel beitragen, um die Knochen zu stärken. Das knochengesunde Rezept: viel magnesiumreiches Mineralwasser trinken, viel Kalziumreiches wie Hartkäse oder Joghurt und viel Fisch essen, was in Kombination mit regelmäßigen Aufenthalten im Freien den Vitamin-D-Spiegel erhöht. Die genannten Substanzen unterstützen die Arbeit der knochenaufbauenden Zellen und machen so die Knochen stark. Gemieden werden sollten Cola, denn das darin enthaltene Phosphat schwächt die Knochen, und Alkohol, der – im Übermaß konsumiert – ebenfalls ein Knochenräuber ist.

Regelmäßige Bewegung
Auch Sport hilft gegen Knochenschwund: Denn wird regelmäßig ein Druck oder Zug auf die Knochen ausgeübt, erhöht das die Knochendichte. Insofern ist Krafttraining besonders empfehlenswert für Osteoporose-Patienten. Doch auch simples Ausdauertraining wie Nordic Walking kann die Knochen stärken.

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Was Männerknochen schwächt

Dass Männer deutlich öfter als Frauen an sekundärer Osteoporose erkranken, erklärt Prim. Dr. Peter Bernecker mit dem meist höheren Alkoholkonsum der Männer. „Wenn viel Alkohol konsumiert wird, muss der Körper ständig viel Alkohol abbauen. Das beschäftigt ihn so sehr, dass er Substanzen wie Kalzium oder Magnesium, die für die Knochengesundheit wichtig sind, weniger gut aufnehmen kann.“ Zudem wirken Bier, Wein, Schnaps & Co wie ein Gift auf die knochenaufbauenden Zellen ein – und behindern diese in ihrer Aktivität, wodurch die Knochen automatisch schwächer werden.
Dieselbe Wirkung hat auch ein hoher Nikotinkonsum, zu dem Männer nach wie vor eher als Frauen neigen. Ebenfalls eine Ursache für Osteoporose bei Männern ist ein Mangel am männlichen Sexualhormon Testosteron, der mitunter mit dem Alter einhergeht.
Warum das so ist, weiß man nicht, aber die Krankheit ist offenbar für Männer im fortgeschrittenen Stadium viel gefährlicher als für Frauen: „Kommt es bei Männern zu einem osteoporosebedingten Knochenbruch, sterben sie in der Folge wesentlich häufiger als Frauen“, so Bernecker.

Foto: iStock, CreVis2

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