Warum mehr Frauen als Männer an Depressionen leiden, und wie sich die Seelentiefs jeweils äußern, erklärt im Folgenden die Public Health Gender Expertin der Universität Wien und Präsidentin des Berufsverbands Österreichischer Psycho-log*innen (BÖP) ao. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger.
MEDIZIN POPULÄR: Woran liegt es, dass depressive Verstimmungen und Depressionen eher weiblich sind?
Beate Wimmer-Puchinger: Gründe dafür, warum mehr Frauen als Männer an depressiven Verstimmungen und Depressionen leiden, gibt es viele. Einer davon ist, dass Frauen meistens mehrere Rollen auf einmal erfüllen müssen, weniger selbstbestimmt leben können und daher oft überlastet sind. Depressionen sind aber auch weiblich, weil Frauen in der Gesellschaft einen niedrigeren sozialen Status haben und auch deswegen oft Gewalt ausgesetzt sind.
Selbst dann machen sie meist beherrscht weiter, aber irgendwann können sie nicht mehr. Frauen, die ein Kind bekommen haben, beginnen außerdem oft noch bis zu einem Jahr nach der Geburt an einer postnatalen Depression zu leiden, die unerkannt und unbehandelt oft chronisch wird.
Wie äußern sich Seelentiefs bei Frauen, wie bei Männern?
Bei Frauen in Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Mutlosigkeit. Auch darin, dass sie keine Freude mehr empfinden, teilnahmslos sind, in der Früh nur noch schwer aufstehen können, keinen Sinn im Leben mehr sehen und sich selbst die Schuld dafür geben. Ein weiteres typisches Symptom von Depressionen bei Frauen sind Essstörungen von der Magersucht über die Ess-Brech-Sucht bis hin zum Binge-Eating, dem anfallsartigen übermäßigen Essen.
Männer mit Depressionen neigen stattdessen eher zu Alkoholmissbrauch oder anderem Suchtverhalten, auch zu aggressivem Verhalten gegenüber anderen.
Suchen Frauen eher Hilfe?
Eher als Männer, ja. Aber Männern fällt es oft gar nicht auf, wie schlecht es ihnen geht, weil sie nicht gelernt haben, auf ihr Inneres zu hören. Sie haben gelernt, immer stark sein zu müssen. Und auch Frauen warten oft zu lange, bis sie sich helfen lassen. Durchs Warten verschlimmert sich aber die Lage.
Deswegen sollten Angehörige es ansprechen, wenn ihnen auffällt, dass es jemandem nicht gut geht, aber nett ansprechen.
Wie geht das?
Indem man so etwas sagt, wie: „Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut, ich glaube, du brauchst jemanden, der dir hilft?“ Und Hilfen gibt es genug und in Form von unterschiedlichen ambulanten und stationären Therapien. Welche Therapie sich empfiehlt und wo man dafür hingeht sollte man mit dem Hausarzt klären, oder in einer spezialisierten Anlaufstelle.
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