Kinderkrankheiten

Der gesunde Kinderteller

Im Restaurant kommt meist ein kleines Schnitzel mit reichlich Pommes auf den Kinderteller. Doch im Alltag daheim möchten Eltern den Kleinen und Kleinsten gesunde Ernährung schmackhaft machen. Was alles dazugehört? Verena Heu, Diaetologin am Universitätsklinikum für Kinder- und Jugendheilkunde der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg, beantwortet Fragen unserer Leserinnen und Leser.

von Mag. Alexandra Wimmer

1. Mein Kind kann sich in der Schule oft nicht richtig konzentrieren.
Kann das an der Ernährung liegen?

Meist hat es damit zu tun, dass das Kind in der Früh nichts zu sich nimmt – ein sehr häufiges Problem. Um leistungsfähig zu sein, muss das Gehirn aber ausreichend versorgt sein. Wird nicht gefrühstückt, sackt der Blutzuckerspiegel ab und mit ihm die Konzentrationsfähigkeit.
Damit die Aufmerksamkeit in der Schule erhalten bleibt, braucht es neben dem Frühstück auch die richtige Jause am Vormittag. Im Idealfall enthält sowohl die erste als auch die zweite Kindermahlzeit des Tages komplexe Kohlenhydrate, wie sie z. B. ein Vollkornbrot mit Käse oder Schinken liefert. Das wiederum kombiniert man am besten mit Gemüse, z. B. mit Paprika, Gurken- oder Tomatenscheiben oder einem Salatblatt. Ein Stück Obst liefert dem Gehirn wertvollen Fruchtzucker sowie Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Auch die in Nüssen enthaltenen Omega 3-Fettsäuren fördern die Gehirnleistung.

2. Erst Nudeln mit Sugo, dann Würstel mit Senf: Mein Kind will immer  das Gleiche essen – was soll ich tun?

Darüber klagen viele Eltern. Das oft einseitige Essverhalten der Kleinen hat zum einen damit zu tun, dass sie alles Unbekannte prinzipiell zuerst ablehnen. Sie essen nur, was sie schon kennen und für schmackhaft befunden haben. Zum anderen setzt bei ihnen die sogenannte spezifisch sensorische Sättigung später ein: Wenn ein Erwachsener nach drei, vier Tagen Italienurlaub genug von Pasta und Pizza hat, ist dies bei Kindern erst viel später der Fall.
Solange es sich bei den einseitigen Vorlieben um vorübergehende Phasen handelt, ist dies nicht bedenklich. Wenn die Kinder nicht ganze Lebensmittelgruppen vollständig meiden und wenn sie neben der Lieblingsspeise auch etwas Obst, Gemüse, Milchprodukte, etwas Fleisch, Fisch, Eier essen, muss man sich keine Sorgen machen.

3. Süßes, Süßes, Süßes – wie kann ich meine kleinen Naschkatzen bändigen?

Kindern im Vorschulalter könnte man einmal täglich eine Kleinigkeit gönnen – nicht mehr. Bei Schulkindern empfiehlt sich eine süße Schatzkiste, in die man die Naschration für eine Woche gibt, also für jeden Tag etwa einen kleinen Schokoriegel oder andere Süßigkeiten in kleinen Verpackungseinheiten. Damit lernen die Kinder, sich den Wochenvorrat einzuteilen. Und sie begreifen: Wenn ich bis Mittwoch alles aufesse, habe ich an den restlichen Tagen nichts mehr zu naschen.
Wenn die Kinder darüber hinaus nach Süßem verlangen, ist vor allem Beharrlichkeit gefragt: Man kann ihnen ein Stück Obst oder ein Fruchtjoghurt anbieten – aber konsequenterweise keine Süßigkeit mehr. Außerdem wichtig: Naschereien sollten nicht zum Belohnen oder Bestrafen eingesetzt werden.

4. Ich habe den Eindruck, meine siebenjährige Tochter trinkt zu wenig. Was kann ich tun?

Dass Kinder regelmäßig trinken, ist, wie bei Erwachsenen auch, eine Frage der Gewohnheit. Deshalb sollte man – freilich, ohne dabei zu nerven – regelmäßig daran erinnern und auch unterwegs immer eine Trinkflasche dabei haben. „Trinkfaulen“ Kindern könnte man mit einem einfachen Vergleich die Bedeutung der Flüssigkeit erklären: So wie das Auto Benzin braucht, damit es funktionieren kann, benötigt dein Körper Wasser.
Strohhalme, bunte Flaschen, Becher oder Gläser regen zum Trinken an. Wenn man am Wochenende den Tag mit den Kindern zuhause verbringt, könnte man alle zur vollen Stunde zusammentrommeln und mit einem Getränk anstoßen. Haben die Kinder es sich erst angewöhnt, werden sie regelmäßig nach Flüssigkeit verlangen. Volksschulkinder sollten zumindest einen Liter Flüssigkeit pro Tag zu sich nehmen, im Idealfall Wasser oder stark verdünnten Fruchtsaft.

5. Ich habe leider nicht jeden Tag Zeit, für meine Kinder zu kochen, und serviere ihnen mehrmals pro Woche ein Fertiggericht. Ist das wirklich so schlimm?

Das kommt auf das Fertiggericht an. Tiefkühlgemüse beispielsweise ist durchaus günstig; man könnte es mit Vollkornreis zu einem bunten Gemüsereis vermischen, oder man röstet es ab und kredenzt es mit Nudeln und Tomatensauce.
Anders, wenn es sich bei den Gerichten hauptsächlich um Fast Food wie Pizza oder Burger handelt: Sie enthalten viel Fett, vor allem gesättigte Fettsäuren, und meistens zu viel Salz. Statt komplexer beinhalten sie meist viele einfache Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen und wieder sinken lassen. Deshalb hält Fast Food nicht lange satt. Wird ausnahmsweise doch einmal eine Pizza verspeist, lässt sich mit der richtigen Kombination einiges wettmachen: Indem man dazu eine große Schüssel Salat serviert, beinhaltet die Mahlzeit immerhin eine Portion wertvoller Ballaststoffe.

6. Brauchen Kinder jeden Tag eine warme Mahlzeit?

Es ist durchaus zu empfehlen, dass zumindest einmal am Tag eine warme Mahlzeit auf den Tisch kommt. Während man ein belegtes Brot oder einen anderen Snack jederzeit und nebenbei essen kann, findet sich bei einer warmen Mahlzeit eher die ganze Familie zusammen. Neben dem wichtigen sozialen Aspekt haben warme Mahlzeiten tendenziell den Vorteil, dass man dabei weniger isst. Bei einer kalten Jause tischt man mehr oder weniger den ganzen Inhalt des Kühlschranks auf: verschiedene Aufstriche, Wurst, Käse und Gebäck. Und je größer die Auswahl, desto später setzt die sogenannte spezifisch sensorische Sättigung ein.
Wird hingegen ein Gemüseeintopf mit Salat oder ein Currygericht mit Reis serviert, fühlt man sich eher satt. Außerdem gibt es Stoffe in Nahrungsmitteln, die erst nach dem Erhitzen gut aufgenommen werden können bzw. verfügbar werden, so z. B. das gesunde Lycopin aus Tomaten.

7. Meine Kinder können sich nicht für Vollkornprodukte erwärmen. Wie kann ich ihnen Appetit darauf machen?

Erstens sollte man Vollkornprodukte nicht speziell als „gesund“ anpreisen. Die besseren Argumente sind zum Beispiel: Das schmeckt gut, das ist was Neues – das probieren wir. Man könnte auch nach und nach den Vollkornanteil erhöhen, indem man z. B. für ein Gericht eine Hälfte normalen und die andere Naturreis nimmt, oder indem man helle und Vollkornnudeln mischt. Damit Vollkornprodukte für Kinder ansprechender aussehen, kann man sie z. B. mit Tomatensauce knallrot einfärben.
Punkto Brot könnte man es übergangsweise mit Grahamweckerln oder Mehrkorntoast versuchen: Sie ähneln optisch herkömmlichen Weißmehlprodukten, dennoch kommen damit Vollkornanteile ins Spiel.

8. Soll man schon Kinder an fettarme Milchprodukte gewöhnen?

Wenn Gewicht und Cholesterinwerte im Normalbereich liegen und Milchprodukte in normalem Ausmaß gegessen bzw. getrunken werden, kann man bei normalfetter Ware bleiben. Allerdings wird allgemein empfohlen, dass man jeweils jene Fettstufe wählt, die ungefähr in der Mitte liegt. Das heißt, man muss nicht immer das vollfette oder das zehnprozentige Joghurt wählen, es genügt die Halbfettstufe. Bei Käse könnte man zu Sorten mit 35 bis 45 Prozent Fett in der Trockenmasse (F. i. T.) greifen, es muss nicht die 60-prozentige Sorte sein.
Milchprodukte sind im Übrigen für Frühstücksmuffel eine gute und gesunde Alternative: Indem sie zumindest Milch oder Buttermilch trinken, führen Kinder sich nicht nur Flüssigkeit, sondern auch wertvolle Nährstoffe zu.

9. Gibt es bestimmte Vitamine oder andere Nährstoffe, die für Kinder besonders wichtig sind?

Laut österreichischem Ernährungsbericht sind viele (und nicht nur) Kinder nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt. Um den Bedarf zu decken, sollte man zu Fisch und Milchprodukten greifen. In Verbindung mit Vitamin D brauchen Kinder außerdem ausreichend Kalzium, das ebenfalls in Milchprodukten enthalten ist. Kalzium ist wichtig für den Knochenaufbau in der Jugend – die maximale Knochendichte kann man nur bis zu einem Alter von ungefähr 25 Jahren aufbauen.
Weil es Einfluss auf das Wachstum nimmt, ist außerdem Eisen, das z. B. in Fleisch und Vollkornprodukten enthalten ist, ein bedeutender Nährstoff. Außerdem wichtig sind Vitamin C und Zink. Bei Kindern, die sich ausgewogen ernähren, muss man sich aber wegen der Versorgung mit diesen Nährstoffen keine Sorgen machen.

10. Mein Kind isst generell sehr wenig. Wie kann ich ihm das Essen schmackhaft machen?

Entscheidend ist nicht nur, was man isst, sondern auch, wie man isst. Das gesunde Essverhalten – dass  man gemeinsam in einer angenehmen Atmosphäre speist und jedes Familienmitglied nach Hunger und Sättigung und ohne Druck oder Zwang essen kann – geht in den Familien leider zunehmend verloren. Was außerdem häufig zu kurz kommt, ist der Genuss. Bei Kleinkindern ist das Essen mit allen Sinnen – Anschauen, Riechen, Schmecken – noch stark ausgeprägt. Wenn sie dann in den Kindergarten kommen, muss alles schnell gehen, besonders in der Früh. Das ist oft auch der Grund, warum Kinder mit dem Frühstücken aufhören: Man gibt ihnen nicht mehr die Chance, sich der Mahlzeit mit Genuss hingeben zu können. Es ist also wichtig, ausreichend Zeit für die Mahlzeiten einzuplanen.
Und mit allen Sinnen zu essen ist etwas, das wir Erwachsene von unseren Kindern lernen können und sollten.

Foto: iStock, kmk-vova

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