Krebserkrankungen

Krebs: Große Hoffnung Chemotherapie

Die Chemotherapie, also die medikamentöse Behandlung von Krebs, bringt Patienten die Chance auf Heilung ihrer Krankheit oder zumindest auf eine Verlängerung der Lebenszeit bei guter Lebensqualität. Die Nebenwirkungen, die in der Vergangenheit vielen zu schaffen machten, können die Mediziner dank neuer Substanzen meist so weit lindern, dass die Beschwerden entweder gar nicht auftreten oder erträglich sind.

von Dr. Kurt Markaritzer

„Wann die Chemotherapie bei der Krebsbehandlung eingesetzt wird und welche Methoden dabei angewendet werden, hängt von den individuellen Voraussetzungen des Patienten und seiner Krankheit ab“, sagt der Onkologe Univ. Prof. Dr. Robert Pirker von der Medizinischen Universität Wien, der als Wissenschafter maßgeblich an der Entwicklung von Medikamenten beteiligt war, die heute standardmäßig bei Chemotherapien eingesetzt werden.
Große Fortschritte in der Therapie ermöglichte der Einsatz sogenannter Zytostatika, das sind Medikamente, die vor allem auf Zellen wirken, die sich rasch teilen. Das hohe Tempo der Zellteilung ist charakteristisch für Krebszellen, deshalb treffen die Zytostatika einen Tumor viel empfindlicher als die meisten gesunden Körperzellen. Auf diese Art kann oft nach einer Operation das Wiederauftreten der Krankheit verhindert werden, meist lässt sich auch die Gefahr der Bildung von Metastasen entscheidend verringern.
Die Erfolge sind beachtlich. So führt die Kombination von Operation und Chemotherapie bei Hodenkrebs im Anfangstadium in bis zu 100 Prozent der Fälle zur Heilung und auch in späteren Stadien der Krankheit sind die Erfolgsaussichten gut. Bei Leukämie hat sich die Chemotherapie als Mittel der Wahl bewährt und auch bei anderen Tumorerkrankungen wie zum Beispiel Lungenkrebs ist sie unterstützend (adjuvant) nach der Operation unverzichtbar.

Heilen oder lindern

Pirker: „Grundsätzlich verfolgen wir mit der Chemotherapie, abhängig von der Situation des Patienten, zwei Ziele: Entweder soll sie kurativ, also heilend wirken und eine Überlebensdauer von mehr als fünf Jahren nach der Diagnose sicherstellen. Wenn das nicht möglich ist, streben wir eine palliative Wirkung an, das bedeutet, dass die Beschwerden und die Symptome gelindert werden und auch die Chance steigt, das Leben zu verlängern.“ Eine Heilung wird in den meisten Fällen durch die adjuvante Therapie nach der Operation erreicht. Die lindernde Wirkung, die wesentlich häufiger eintritt, kann unter Umständen auch durch die Chemotherapie allein erzielt werden, die meist in mehreren Abschnitten mit dazwischenliegenden Erholungsphasen erfolgt.
Was die Therapie-Effekte für die Betroffenen bedeuten, sagt die Statistik zum Thema Lungenkrebs. Ohne moderne Chemotherapie leben 30 Prozent der Patienten, die bereits Metastasen aufweisen, länger als ein Jahr. Mit einer Chemotherapie, bei der neue, zielgerichtete Medikamente verwendet werden, sind es mehr als 50 Prozent. Pirker: „Gleichzeitig können 50 bis 60 Prozent der krebsbedingten Schmerzen und anderen Beschwerden so gebessert werden, dass die Patienten einen spürbaren Gewinn an Lebensqualität haben. Und: Fünf bis zehn Prozent der Patienten werden durch die Chemotherapie geheilt!“

Punktgenaue Wirkung

Entscheidend ist dabei, dass die modernen Medikamente „zielgerichtet“ wirken. Auf diesem Gebiet hat die Krebsforschung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt und Substanzen entwickelt, die möglichst punktgenau gegen den Krebs wirken, ohne gesundes Gewebe zu beeinträchtigen.
Manche dieser Substanzen blockieren beispielsweise Enzyme, welche die Krebszelle braucht, um leben zu können. Andere sind sogenannte alkylierende Zytostatika, welche die Vermehrung von Tumorzellen unterbinden. Häufig verwendet werden Platinverbindungen oder auch Taxane, das sind pflanzliche Wirkstoffe, die sich vor allem bei Brust- und Eierstockkarzinomen und auch bei Lungenkrebs bewährt haben.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Medikamente, die bei der Chemotherapie nicht nur das Wachstum des Tumors hemmen können, sondern sogar ein Absterben der Krebszellen bewirken. Welches Mittel bei welchen Patienten wie wirkt, kann man derzeit allerdings nicht mit Sicherheit vorhersagen. Deshalb bemühen sich die Mediziner, in ihrer Forschungsarbeit sogenannte Biomarker zu finden, die entweder typisch für den individuellen Patienten oder charakteristisch für seine individuelle Krebserkrankung sind. Pirker: „Das wäre dann der Weg zu einer maßgeschneiderten Chemotherapie, bei der man das Mittel gezielt jenen Patienten verabreichen könnte, bei denen es am besten wirkt. Damit könnte man Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren und den Effekt der Behandlung steigern – derzeit ist das allerdings für viele Krebserkrankungen noch Zukunftsmusik.“

Nebenwirkungen

Gegenwart dagegen sind die Nebenwirkungen einer Chemotherapie, die vielfach gefürchtet werden. Der prominente Onkologe beruhigt allerdings: „Die Verträglichkeit der Chemotherapie ist heute viel besser als seinerzeit. Die häufigsten und unangenehmsten Folgen der Therapie waren Übelkeit und Erbrechen, dagegen gibt es aber seit Jahren sehr gut wirksame Mittel, darunter muss kein Patient mehr leiden.“
Problematischer auswirken können sich Veränderungen im Blutbild der Patienten, die durch die Medikamente verursacht werden und die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen. Pirker: „Wir haben zum Glück Antibiotika und andere Mittel zur Verfügung, mit denen man eine effiziente Begleittherapie durchführen kann, so dass die Gefahr von zusätzlichen Erkrankungen gering ist.“
Bleibt die sichtbarste Nebenwirkung, nämlich der manchmal auftretende Haarausfall, der vielen Patienten zu schaffen macht, die sich mit dem unfreiwilligen Kojak-Look nicht abfinden wollen. Der erfahrene Krebsspezialist: „Die psychologische Wirkung des Haarverlustes darf man natürlich nicht unterschätzen. Für die Patienten ist es aber beruhigend zu wissen, dass die Haare nach dem Ende der Therapie wieder nachwachsen, es handelt sich also um einen temporären Schönheitsfehler, den man übrigens auf Kosten der Krankenkasse mit einer Perücke kaschieren kann.“

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Wie Studien zur Chemotherapie ablaufen

Eine Studie, mit der neue Einsatzmöglichkeiten und Medikamente für die Chemotherapie erforscht werden sollen, umfasst verschiedene Phasen. In der ersten Phase wird die maximal tolerierbare Dosis für den Patienten festgelegt. In Phase zwei wird er dann mit einer etwas niedrigeren Dosis behandelt und der Effekt beobachtet. In Phase 3 werden die Resultate der neuen Therapie mit jenen einer traditionellen Behandlung verglichen. Dabei geht es um die Überlebensdauer und die Verträglichkeit der Therapie. Wenn die neue Behandlung Erfolg versprechender ist als die alte, wird sie eingesetzt. Dann beginnt die Phase 4 der Langzeitbeobachtung, um allfällige Nebenwirkungen feststellen zu können, die vorher nicht aufgetreten sind.

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Wie der Erfolg gemessen wird

Für Krebsspezialisten gibt es mehrere Möglichkeiten, um den Erfolg einer Chemotherapie zu messen. Die wichtigste ist die Kontrolle der Symptome. Wenn die Schmerzen nachlassen und andere Beschwerden merklich reduziert sind, ist das für die Patienten ein wesentlicher Fortschritt. Andere Kennzeichen der erfolgreichen Therapie sind Gewichtszunahme, verbessertes Allgemeinbefinden und Erhöhung der oft eingeschränkten Mobilität. Aufschlussreich sind schließlich auch regelmäßige radiologische Kontrollen.

Univ. Prof. Dr. Günther Gastl von der Medizinischen Universität Innsbruck, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, empfiehlt folgende vorbeugende Untersuchungen:

  • Abstrichuntersuchung vom Gebärmutterhals (PAP-Abstrich): Frauen ab 20 einmal jährlich
  • Röntgen- und ggf. Ultraschalluntersuchung der Brust: Frauen ab 40 zumindest alle zwei Jahre
  • Blut-Untersuchung (PSA-Test) zur Früherkennung von Prostatakrebs: Männer ab 50 einmal jährlich
  • Darmspiegelung (Koloskopie): Männer und Frauen spätestens ab 50 zumindest alle zehn Jahre

Foto: iStock, Caiaimage/Martin Barraud

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