Medizin & Trends

Cholesterin natürlich senken

6 Schritte zu gesunden Werten
 
Jeder dritte Österreicher hat laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen zu hohen Cholesterinspiegel und lebt gefährlich. Denn damit steigt das Risiko für Gefäßverengungen, für Herzerkrankungen bis hin zum Herzinfarkt und für einen Schlaganfall. Doch anders als vielfach vermutet, sind nicht immer Medikamente nötig, um erhöhte Werte in den Griff zu bekommen. Oft reichen dafür auch andere Maßnahmen aus.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Schritt eins: Essen wie am Mittelmeer

Schweinsbraten und Schnitzel, Cremeschnitte und Chips: Fettreiches wie dieses und noch dazu oft große Mengen davon steht häufig auf dem Speiseplan von Herrn und Frau Österreicher. Das geht aus dem Österreichischen Ernährungsbericht hervor, der alle vier bis fünf Jahren erstellt wird – so auch aus dem aktuellen aus 2012. Zu den Folgen dieses Essverhaltens zählt unter anderem, dass der Fettgehalt im Blut ansteigt, sich also der Cholesterinspiegel im Blut erhöht. „Durch eine Ernährungsumstellung lässt sich der Cholesterinspiegel aber auch wieder senken“, erklärt Prim. Univ. Prof. Dr. Bernhard Föger, Präsident der Österreichischen Atherosklerose Gesellschaft (AAS) sowie Leiter der Internen Abteilung am Landeskrankenhaus Bregenz und ergänzt, wie die Umstellung im Wesentlichen aussehen soll: „Der Konsum von fetten Lebensmitteln, die reich an gesättigten Fettsäuren und an Transfetten sind, muss drastisch reduziert werden.“ Parallel zur größtmöglichen Abkehr von Schnitzel & Co, aber auch von Fast Food und Fertiggerichten sollte man sich laut Föger Essen hinwenden, das fettarm sowie reich an ungesättigten Fettsäuren, Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren ist und viel Pflanzliches enthält, da ungesättigte Fettsäuren und Phytosterine in Pflanzen dabei helfen, die Blutfette zu reduzieren. „Am einfachsten ist das, wenn man sich die mediterrane Kost zum Vorbild nimmt, also so isst wie am Mittelmeer“, sagt der Experte. Viel Fisch, viel Obst, Salat und Gemüse zu sich zu nehmen sowie hochwertiges Olivenöl, Leinöl oder Rapsöl zu verwenden, ist ein Schritt zu gesunden Cholesterinwerten.

Schritt zwei: Zusätzlich „Functional Food” konsumieren

Ob Sojaprodukte wie Tofu hierzulande viel verzehrte Speisen sind? Den Befragungen zufolge, die für die nationalen Ernährungsberichte getätigt werden, wohl kaum. Doch bei erhöhten Blutfettwerten sollte das so sein. Denn, wie der Internist, Stoffwechsel- und Hormonexperte Univ. Prof. Dr. Thomas Stulnig von der Medizinischen Universität Wien weiß, helfen Sojaprodukte besonders gut dabei, den Cholesterinspiegel zu senken. Auch Föger empfiehlt, ernährungsmäßig mit allen Mitteln zu arbeiten, wenn der Cholesterinspiegel erhöht ist und als Schritt zu gesunden Werten zusätzlich zur Kost wie am Mittelmeer gezielt „Functional Food“ zu konsumieren. Abgesehen von Soja und Ballaststoffreichem wie Vollkornprodukten und Gemüse sind laut dem Experten folgende Lebensmittel hilfreich auf dem Weg zu gesunden Werten: „Artischocken, Äpfel, Knoblauch, Tomaten, Walnüsse und Mandeln, Joghurts und Margarinen, denen Pflanzensterine zugesetzt wurden, und roter Hefereis.“

Schritt drei: Alkohol in Maßen genießen

Laut Health Statistics der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), ein Bericht, für den wiederholt die Menge an konsumiertem Alkohol in den 34 Mitgliedsstaaten erhoben wird, belegt Österreich stets Spitzenplätze. Auch verschiedenen Befragungen zufolge sind Bier, Wein, Schnaps & Co hierzulande beliebte Alltagsgetränke, man gönnt sich gern das eine oder andere Glaserl. Alkohol sollte generell, besonders aber bei erhöhten Blutfettwerten in Maßen genossen werden. Föger: „Mit diesem Maß sind maximal zehn Gramm Alkohol pro Tag als Richtmaß für Frauen und 20 Gramm für Männer gemeint, wobei höchstens an fünf Tagen pro Woche Alkohol getrunken werden sollte.“ Zehn Gramm entsprechen in etwa einem kleinen Bier oder einem Achtel Wein. Wird mehr Alkohol getrunken, beeinflusst das den Fettstoffwechsel ungünstig. Denn der Körper baut Alkohol vor Fett ab, und wenn er lang mit dem Alkoholabbau beschäftigt ist, steigt der Fettgehalt bzw. das Cholesterin im Blut.

Schritt vier: Ordentlich in Bewegung kommen

Ein Drittel der Österreicher betreibt nie Sport, und die große Mehrheit der übrigen zwei Drittel kommt lediglich einmal pro Woche ordentlich in Bewegung: Das zeigen wiederholte Online-Umfragen von marktagent.com. Bei einem erhöhten Cholesterinspiegel ist viel körperliche Aktivität aber ein empfehlenswerter Schritt zu gesünderen Werten. Denn bei Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Laufen, aber auch bei einem Training zur Kräftigung der Muskeln werden Prozesse in Gang gesetzt, die zur Reduktion der Blutfette beitragen. „Bei Sport wird der Fettstoffwechsel gesteigert, da die bewegten Muskeln mehr Blutfette verbrauchen“, erklärt Föger. Stulnig: „Zusätzlich werden bei der Bewegung Substanzen erzeugt, die das schädliche Cholesterin im Blut senken, aber das gute Cholesterin erhöhen.“ Dadurch reduzieren sich die Blutfettwerte.

Schritt fünf: Besser zum Nichtraucher werden

Ein Viertel der Österreicher raucht. Was für alle Raucher gilt, gilt insbesondere für jene, die einen erhöhten Cholesterinspiegel haben: Sie sollten sich das Rauchen abgewöhnen. Denn laut Stulnig „bewirken die Rauchinhaltsstoffe, dass sich Blutfette verstärkt an den Gefäßwänden ablagern“. Außerdem schädigen die Schwermetalle im Rauch, wie Blei und Kadmium, die Gefäßwände, was sie anfälliger für Ablagerungen macht.

Schritt sechs: Für genug Entspannung sorgen

Nach verschiedenen Umfragen fühlt sich fast die Hälfte der Österreicher gestresst, und das nicht nur hin und wieder, sondern nahezu dauerhaft. Mehrere Studien zeigen jedoch, dass lang anhaltender chronischer Stress den Cholesterinspiegel ansteigen lässt. Womit dies erklärbar ist, weiß man nicht genau. Vorstellbar ist etwa, dass der Körper bei ständigem Stress bzw. permanent zu hohem Pegel an Stresshormonen im Blut nicht in der Lage ist, Cholesterin ausreichend abzubauen. Oder, dass bedingt durch verschiedene Prozesse zu viel Cholesterin produziert wird. Für genug Entspannung zu sorgen, beispielsweise, indem man immer wieder auch einmal Ruhe gibt oder Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson betreibt, ist demnach ein Schritt zu gesunden Werten. Gelangt man akut in eine Stresssituation, lässt dies zwar meist den Blutdruck ansteigen, doch auf den Cholesterinspiegel wirkt sich dies laut Föger nicht negativ aus: „Bei akutem, vorübergehendem Stress haben die Stresshormone keinen Einfluss auf den Fettstoffwechsel.“

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Wenn Medikamente nötig sind …

  • … werden meist Statine, Hemmer der Cholesterinsynthese im Körper, verordnet: Sie senken den Spiegel des „bösen“ LDL-Cholesterins.
  • Cholesterinabsorptionshemmer stehen ebenfalls zur Verfügung: Sie hemmen die Aufnahme von Cholesterin im Darm.
  • Anionenaustauscherharze bzw. Gallensäurebinder sind eine Alternative: Sie regen den Abbau des LDL in der Leber an.
  • Neu sind PCSK9-Hemmer, die sich z.B. bei Statin-Unverträglichkeit oder familiärer Hypercholesterinämie eignen. Sie werden in Abständen von zwei Wochen injiziert.

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Fragen & Antworten

Was ist Cholesterin?

Prim. Univ. Prof. Dr. Bernhard Föger:
„Cholesterin, das teils über die Nahrung aufgenommen und teils vom Körper produziert wird, ist ein wesentlicher Baustein unserer Körperzellen, ein Baublock für die Bildung von Gallensäure und verschiedenen Hormonen, es ist also lebensnotwendig.“
Cholesterin ist aber nicht gleich Cholesterin. Das „böse“ Cholesterin LDL (low density lipoprotein) befördert Fette über das Blut zu den Körperzellen. Das „gute“ Cholesterin HDL (high density lipoprotein) transportiert Cholesterin, das an den Gefäßwänden abgelagert ist, zur Leber, danach wird es ausgeschieden. Zu den Blutfetten zählen auch die Triglyzeride, die als Energiereserve im Fettgewebe gespeichert werden.

Wann ist Cholesterin gefährlich?
Befinden sich zu viele Fette im Blut bzw. ist der Anteil von Tryglyzeriden und LDL im Vergleich zum Anteil an HDL höher, lagert sich Cholesterin an den Wänden der Blutgefäße ab. Über die Jahre und Jahrzehnte werden die Ablagerungen, Plaque genannt, an den Gefäßwänden immer dicker, was zu Atherosklerose, also Gefäßverengungen, führt. „Gefäßverengungen verursachen lang keine Beschwerden“, so Föger. Doch durch die Verengungen drohen Herzerkrankungen bis hin zum Herzinfarkt sowie ein Schlaganfall. Auch Durchblutungsstörungen der Beine und Potenzprobleme können Folgen von Gefäßverengungen sein.

Wie viel Cholesterin ist zu viel?

Als Normwert für das Gesamtcholesterin, also der Summe des Cholesterins, das im HDL und LDL enthalten ist, gilt eine Menge von 200 mg/dl (Milligramm pro Deziliter Blut). Der Grenzwert liegt bei 240 mg/dl. Beim LDL sollten die Werte bei Gesunden unter 130 mg/dl und nicht über 160 mg/dl liegen, beim HDL über 45 mg/dl, bei den Triglyceriden idealerweise unter 150 mg/dl. Für die Einschätzung des Risikos sind der LDL-Wert und der HDL-Wert nützlich. Der früher häufig verwendete Quotient wird laut Föger heute nicht mehr benötigt.

Sind erhöhte Werte für jeden gleich gefährlich?
Bei der Einschätzung der Gefahr von schlechten Cholesterinwerten spielen individuelle Gegebenheiten eine große Rolle, erklärt Föger. „Ein 70-jähriger Mann, der bereits gefäßkrank ist oder andere Risikofaktoren für Gefäßverengungen hat, wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus Typ 2, ist durch schlechte Cholesterinwerte weit mehr gefährdet, als eine 22-jährige Frau mit denselben Werten, die sich schlecht ernährt und eventuell übergewichtig ist, aber keine weiteren Risikofaktoren hat.“ Frauen sind zudem bis zu einem gewissen Grad und zumindest bis zu den Wechseljahren vor Schäden durch ein Zuviel an Cholesterin geschützt, da die weiblichen Sexualhormone Östrogene die Produktion des guten HDL ankurbeln.

Wie sehr lassen sich erhöhte Werte durch natürlich Maßnahmen senken?
Mit einer Lebensstiländerung lassen sich die Cholesterinwerte laut Föger um zehn bis 15 Prozent reduzieren. „Die individuelle Schwankungsbreite ist aber sehr stark.“

Wann benötigt man Medikamente?

„Wenn abgesehen von den erhöhten Werten noch weitere Risikofaktoren für Atherosklerose beziehungsweise Gefäßverengungen bestehen, wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus Typ 2“, so Föger. Aber auch, wenn Lebensstilveränderungen nicht möglich sind oder nicht ausreichend helfen, sind Medikamente nötig sowie bei einem vererbten zu hohen Cholesterinspiegel, also der familiären Hypercholesterinämie (siehe nächste Seite).

Können die Medikamente zu unerwünschten Nebenwirkungen führen?

Föger: „Jedes Medikament, das wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben, die nicht erwünscht sind, meistens werden die Cholesterinsenker aber gut vertragen.“ Nur extrem selten treten Muskelerkrankungen oder eine Leberentzündung auf.

Wie oft soll man das Cholesterin messen lassen?
Sind die Werte nach der ersten Messung normal, reichen laut Föger danach Messungen im Abstand von fünf Jahren. Sind sie erhöht, sollte der Cholesterinspiegel jährlich kontrolliert werden und bei Angehörigen einer Risikofamlie für ererbten erhöhten Cholesterinspiegel so oft, wie es der behandelnde Arzt empfiehlt.   

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Sonderfall „Familiäre Hypercholesterinämie”
Wie bei ererbtem erhöhtem Cholesterinspiegel natürliche Maßnahmen helfen

Wie viele Österreicher einen erhöhten Cholesterinspiegel sozusagen in die Wiege gelegt bekamen, ihn also erbten, weil auch die Mutter, der Vater oder andere enge Verwandte genetisch bedingt davon betroffen waren oder sind, lässt sich nur schätzen. „Vermutlich ist ein Kind von 200 Kindern von der sogenannten familiären Hypercholesterinämie betroffen“, sagt Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin sowie Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien. Der erhöhte Cholesterinspiegel bedingt durch die ererbte Stoffwechselerkrankung geht auf verschiedene Gendefekte zurück. Je nach Art des Gendefekts führt die Erkrankung langsamer oder schneller zu Atherosklerose, also Gefäßverengungen, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt. Widhalm: „Das Gefährliche ist, dass die familiäre Hypercholesterinämie so wie auch der erworbene erhöhte Cholesterinspiegel lang keine Symptome verursacht und daher meistens lang unentdeckt bleibt.“ Bei der großen Mehrheit, Widhalm meint, bei 90 bis 95 Prozent der Betroffenen, wird die Erkrankung erst dann diagnostiziert, wenn es bereits zu Herzbeschwerden gekommen ist, was bereits im Kindes- und Jugendalter der Fall sein kann. Wird die Krankheit früh entdeckt, sind derartige Folgen der Krankheit vermeidbar, denn sie ist sehr gut behandelbar, so der Experte. Dies auch schon mit natürlichen Maßnahmen, also einer Ernährungsumstellung und viel Bewegung. „Ein Drittel der Betroffenen schafft dies, erreicht durch diese Lebensstiländerungen normale Werte und benötigt daher auch keine Medikamente.“ Zumindest für einige Jahre lang nicht. Früher oder später sind Betroffene jedoch auf medikamentöse Cholesterinsenker angewiesen, um Gefäßverengungen und deren lebensbedrohliche gesundheitliche Folgen zu vermeiden, so Widhalm. Die diesbezüglich verbreiteten Ängste der Eltern, die Medikamente könnten die Entwicklung ihres Kindes stören, sind laut dem Experten unbegründet: „Cholesterinsenker beeinträchtigen weder das Wachstum noch die geschlechtliche Entwicklung und haben auch sonst äußerst selten unerwünschte Nebenwirkungen.“ Damit die Krankheit entdeckt wird, bevor sie zu Schäden führt, sollte bei Kindern aus Familien, wo frühzeitig Herzinfarkte oder Schlaganfälle vorkamen, also 30- bis 50-Jährige betroffen waren, unbedingt bereits im Kindesalter der Cholesterinspiegel gemessen werden.
Stellt sich bei einem Erwachsenen heraus, dass er von familiärer Hypercholesterinämie betroffen ist, was häufig durch Zufall im Rahmen anderer Untersuchungen geschieht, rät Univ. Prof.  Dr. Thomas Stulnig dringend zu „einem Familienscreening, um mögliche weitere Betroffene entdecken und behandeln zu können“. Außerdem ist eine sofortige medikamentöse Therapie unumgänglich, um die Alterung bzw. Verengung der Gefäße aufzuhalten, die bei unbehandelten Betroffenen doppelt so schnell abläuft als bei Gesunden, so Stulnig: „Ein 40-Jähriger mit familiärer Hypercholesterinämie hat Blutgefäße wie ein 80-jähriger Gesunder.“ Begleitend ist laut dem Experten jedoch auch eine entsprechende Lebensstiländerung aus Ernährungsumstellung, viel Bewegung etc. empfehlenswert.

Stand 01/2017

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