Derzeit haben Erkältungs- und Influenzaviren Hochsaison. Doch auch das übrige Jahr hindurch bleiben wir von Viren oder Bakterien nicht verschont. Wann welche Erreger „virulent“ sind und wie man sich dagegen wappnet.
– Von Mag. Alexandra Wimmer
Jedes Virus hat seine eigene epidemiologische Hochzeit“, schickt Priv. Doz. Dr. Monika Redlberger-Fritz, Virologin an der Medizinischen Universität Wien, voraus. Influenzaviren, die Erreger der Grippe, haben bei uns in der kalten Jahreszeit Hochsaison: Die Grippewelle startet meistens im Jänner oder Februar und dauert zwischen acht und zwölf Wochen. Auch andere Erkältungsviren, zum Beispiel das hochansteckende Respiratorische Syncytial-Virus (RS-Virus), kommen in der kalten Jahreszeit vor. Das RS-Virus verursacht Infektionen der Atemwege und tritt entweder gleichzeitig oder etwas zeitversetzt mit den Influenzaviren auf. „Alle im Winter vorkommenden Grippe- und Erkältungsviren werden vorwiegend durch Tröpfcheninfektion, zusätzlich aber auch via Schmierinfektion übertragen“, klärt Redlberger-Fritz auf.
Im Gegensatz zu den Grippe- und RS-Viren kursieren Schnupfenviren (Rhinoviren) das ganze Jahr hindurch. Die Enteroviren wiederum zirkulieren vorzugsweise in der warmen Jahreszeit. Sie sind für jene Beschwerden verantwortlich, die als „Sommergrippe“ bezeichnet werden: Husten, Schnupfen, Fieber und Unwohlsein. „Sie sind außerdem die Erreger der Hand-Fuß-Mund-Krankheit“, ergänzt die Expertin. Dabei handelt es sich um eine hochansteckende Erkrankung, die vorwiegend Kinder bis zum zehnten Lebensjahr betrifft: Die Symptome der harmlosen Infektion sind Fieber, Halsschmerzen und Bläschen an Händen, Füßen sowie im Mund.
Dass Enteroviren vor allem im Sommer auftreten, hängt mit ihrem Übertragungsweg, der fäkal-oralen Schmierinfektion, zusammen. Eine ideale Verbreitungsquelle des Virus stellen Sommerbäder, insbesondere Kinderschwimmbecken, dar. Ein weiterer Ansteckungsort sind Kindergärten: Erreger werden über die Hände weitergegeben – etwa weil ein Kind nach dem Stuhlgang die Hände nicht ausreichend wäscht – oder über den Speichel, der sich auf gemeinsamen Spielsachen befindet. Ein weiteres Problem sei, dass die Erreger auch nach Abklingen der Erkrankung lange Zeit ausgeschieden werden können, erklärt Redlberger-Fritz. „Selbst wenn die Erkrankung überstanden ist, können die Viren in manchen Fällen noch bis zu zwölf Wochen im Stuhl nachgewiesen werden.“
Frage der Abwehrkräfte
Wie gefährlich die unterschiedlichen Erreger für den Organismus werden, hängt vor allem davon ab, ob das Immunsystem gesund und funktionstüchtig oder geschwächt ist. „Die meisten für die Gesundheit relevanten Infektionen passieren dann, wenn Patienten eine mehr oder weniger große Abwehrschwäche haben – diese kann angeboren bzw. ein vorübergehender Zustand sein oder auf eine Grunderkrankung wie Diabetes zurückgehen“, betont der Immunologe Univ. Prof. Dr. Hermann Wolf von der Immunologischen Tagesklinik in Wien.
Dass eine Erregerart für das Immunsystem besonders schwierig zu handhaben sei, lasse sich nicht pauschal sagen, betont der Immunologe. „Letztlich versterben Menschen aber überwiegend an bakteriellen Erkrankungen wie einer bakteriellen Lungenentzündung oder einer systemischen bakteriellen Infektion wie einer Sepsis, einer Blutvergiftung.“
Anstatt sich vor einem „Superkeim“ zu fürchten, sollte man vor allem darauf achten, sich vor häufig auftretenden Keimen zu schützen. „Wir sollten die Möglichkeiten, die wir haben, um uns vor Erregern zu schützen, auch nutzen“, betont Wolf. Dazu zählt etwa die jährliche Grippeimpfung oder die Impfung gegen Pneumokokken ab dem 50. Lebensjahr. Pneumokokken sind Bakterien und können zu schweren Lungenentzündungen führen. „Diese Erreger verursachen bei nicht-geimpften Personen, deren Immunsystem zum Beispiel aufgrund einer Grunderkrankung weniger gut funktioniert, oft große Probleme“, warnt Wolf. Eine besondere Gefahr ist, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass ihre Abwehr eingeschränkt ist. Im Fall einer solchen Abwehrschwäche kann es aufgrund von an sich üblichen Erregern zu lebensbedrohlichen Infektionen kommen.
Vier Infekte pro Jahr
„Zwei Drittel jener, die eine Lücke im Abwehrsystem haben, haben ein Problem mit der Bildung von Antikörpern“, erklärt der Immunologe. Bei einer lückenhaften Abwehr gerät das Immunsystem durch eine Infektion aus der Balance und ist überlastet.
Einen wichtigen Richtwert, ob das eigene Immunsystem schwächelt, gibt die Infektionshäufigkeit: „Generell gilt, dass Kinder Infektionskrankheiten im respiratorischen Bereich – Husten, Schnupfen, Erkältung – bis zu 14 Mal im Jahr durchmachen, Erwachsene durchschnittlich vier Mal im Jahr“, informiert Redlberger-Fritz. Schließlich hat das ausgereifte Immunsystem von Erwachsenen bereits Immunität gegenüber vielen Erregern erworben. „Kinder kommen hingegen erstmalig mit den Erregern in Berührung. Bis sie alle diese Erkältungsverursacher durchgemacht haben, vergeht ein gutes Stück der Kindheit.“ Ab dem Teenager- und dem jungen Erwachsenenalter werden Infektionen immer weniger.
Eine Untersuchung des Immunsystems ist sinnvoll, wenn man als Erwachsener deutlich öfter als vier Mal jährlich einen leichten Infekt durchmacht oder aufgrund bakterieller Infektionen ständig Antibiotika benötigt. „Auch wenn man eine immunsuppressive Therapie bekommt – etwa im Rahmen einer Autoimmunerkrankung – ist es sinnvoll, die Funktionsfähigkeit des Immunsystems zu messen“, ergänzt Immunologe Wolf. Ohnehin sollten immunsupprimierte Menschen besonders großen Wert auf Prävention legen. Dass immer mehr Menschen eine geschwächte Immunabwehr haben, ist die Kehrseite einer an sich erfreulichen Entwicklung: „Autoimmunerkrankungen werden immer besser behandelt – das bedeutet mitunter längere und intensivere Behandlungen mit Immunsuppressiva“, erklärt Wolf. Die Betroffenen sollten beachten, dass aufgrund der Behandlung die Abwehr geschwächt sein kann und besondere Unterstützung – unter anderem durch die empfohlenen Schutzimpfungen – braucht. Ob die eigene Abwehr lückenhaft ist, lässt sich mithilfe spezieller Blutuntersuchungen in spezialisierten Laboratorien wie der Immunologischen Tagesklinik messen.
Gefahr der Superinfektion
Bekanntermaßen setzen auch einem gesunden Immunsystem verschiedene Erreger, allen voran die Grippeviren, erheblich zu. Die saisonale Grippeimpfung schützt nicht nur vor der Erkrankung, sondern bewahrt auch davor, dass es zu einer weiteren Infektion kommt, etwa zu einer bakteriellen Lungenentzündung. „Sind beispielsweise die Atemwege entzündet, ist die lokale Abwehr, welche das Virus zu bekämpfen versucht, teilweise herabgesetzt“, gibt Virologin Redlberger-Fritz ein Beispiel. „Durch einen viralen Infekt wird die Schleimhaut geschädigt. Und diese geschädigte Schleimhaut in Zusammenhang mit der geschwächten lokalen Abwehr stellt die idealen Ausgangsbedingungen für eine bakterielle Infektion dar.“ Nach sieben bis zehn Tagen kommt es zu Schmerzen, Fieber und Krankheitsgefühl. ‘
Eine solche Superinfektion ist nicht die einzige Gefahr, die von Grippeviren ausgeht. Besonders bei Menschen mit einer Grunderkrankung kann die Influenza sehr schwer verlaufen, was zu massiven Komplikationen, Krankenhausaufenthalten und in manchen Fällen zum Tod führen kann.
Schutz für die Schleimhäute
Um besser für den Angriff durch Erreger gerüstet zu sein, empfiehlt sich außerdem ein gesunder Lebensstil: ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf, viel Bewegung an frischer Luft. Zusätzlich sollte man auf gut durchblutete Schleimhäute achten, speziell auf das Rauchen sollte verzichtet werden: Indem es die Schleimhäute schädigt, fördert es erwiesenermaßen auch Infektionen, da über geschädigte Schleimhäute Erreger leichter eindringen können. „Die Atemwege von der Nase bis zu den Bronchien sowie der Darm sind jene Regionen, in denen wir der Umwelt ungeschützt durch physikalische Barrieren ausgesetzt sind“, ergänzt der Immunologe.
Speziell die Schleimhäute der Nase gelten als eine wichtige Eintrittspforte für Viren. „In der kalten Jahreszeit ist es deshalb besonders wichtig, auf eine gut gepflegte Nasenschleimhaut zu achten, um dem Eintritt von Erregern entgegen zu wirken“, betont Priv. Doz. Dr. Astrid Magele, Oberärztin an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten in St. Pölten. „Durch die kalte Luft, ist die Nasenschleimhaut schlechter durchblutet, was den Eintritt von Viren und Bakterien leichter macht.“ In Sachen „Schleimhautimmunität“ spielen bestimmte Abwehrstoffe, lokal an der Schleimhaut vorkommende Antikörper, Immunglobuline A (IgA), eine besondere Rolle. Als Teil des Immunsystems findet man sie im Blut und den Schleimhautsekreten. An den Schleimhäuten bilden sie eine Schutzbarriere gegen Krankheitserreger, damit diese möglichst nicht weiter in den Körper eindringen.
Von den empfohlenen Schutzimpfungen und Lebensstilmaßnahmen abgesehen können gesunde Menschen ihr Immunsystem nur bedingt stärken. Immunologe Wolf präzisiert: „Medikamente, die zur Stärkung des Immunsystems propagiert werden, haben eine schwache Wirkung, die jener von Placeboeffekts entspricht.“
Häufige Übertragungswege: via Tröpfchen oder Berührung
Bei einer Tröpfcheninfektion gelangen die Krankheitserreger beim Niesen, Husten, Sprechen in die Luft und werden dann von einem anderen Menschen etwa mit dem Einatmen aufgenommen.
Bei der Schmierinfektion werden die Erreger über eine Kette von Berührungen – von Mensch zu Mensch bzw. über Gegenstände – übertragen.
Bei der fäkaloralen Schmierinfektion gelangen Spuren von Stuhlresten über die Hand in den Mund.
Handhygiene ist Um und Auf
Um die Erkältungssaison unbeschadet zu überstehen, sollte vor allem Hygiene großgeschrieben werden. Achten Sie, um sich Erreger vom Leib zu halten, ganz besonders auf eine sorgfältige Handhygiene: Beim Händewaschen sollten alle Teile der Hand mit Wasser und Seife in Kontakt kommen und auch die mechanische Bewegung sollte alle Bereiche der Hand – auch Fingerzwischenräume, Handgelenke und den Bereich unter den Fingernägeln – erreichen. Daneben sollte man es vermeiden, sich mit ungewaschenen Händen ins Gesicht zu greifen. „Wenn man selbst Husten oder Schnupfen hat, sollte man das Risiko einer Schmierinfektion beachten und immer in die Ellenbeuge anstatt in die Handfläche husten oder niesen“, betont die Virologin Priv. Doz.Dr. Monika Redlberger-Fritz.
Sie erklärt, wie wenig es braucht, um sich via Schmierinfektion anzustecken: „Hustet oder niest jemand in die eigene Hand, befinden sich darauf ungefähr eine Million Viruspartikel. Greift der Betreffende danach eine Türklinke an, bleiben darauf rund zehn Prozent der Partikel, immerhin rund 100.000, haften.“ Öffnet nun jemand anderer diese Tür, nimmt derjenige wieder zehn Prozent davon auf – rund 10.000 Viruspartikeln. „Greift sich derjenige nun mit der Hand in die Augen oder in die Nase ist die Infektionskette perfekt“, betont die Virologin. „Schon 50 Viruspartikeln genügen, um sich mit der Grippe zu infizieren.“ Bedenken sollte man auch, dass Viren auf Türschnallen oder Haltegriffen einige Zeit vermehrungsfähig bleiben: Je kälter es ist, desto länger können Viren an Oberflächen aktiv bleiben.
Wie man sich sonst noch schützen kann? Ist ein Familienmitglied oder ein Arbeitskollege erkrankt, kann man – vorübergehend – ein Desinfektionsmittel verwenden. Hat es einen selbst erwischt, sollte man vor allem eins tun: sich zuhause auskurieren. Der Schongang unterstützt das Immunsystem bei der Bekämpfung der Erkrankung – und bewahrt die Mitmenschen vor einer Ansteckung.
Ohren in Gefahr
Eine Verkühlung trifft oft nicht nur die Atemwege, sondern kann auch die Ohrgesundheit beeinträchtigen. „Eine Infektion der oberen Atemwege kann sich aufgrund der Verbindung zwischen Nasenrachenraum und Mittelohr auf eine viral oder bakteriell bedingte Mittelohrentzündung ausbreiten“, informiert die HNO-Ärztin Priv. Doz.
Dr. Astrid Magele. Durch das Sekret im Mittelohr kommt es vorübergehend zu einer Hörminderung aufgrund einer Schallleitungsstörung. Diese bildet sich nach Abheilen der Infektion wieder zurück.
Komplikationen drohen im Rahmen einer Grippeotitis, einer Ohrentzündung während einer Grippe: Die aufgrund der Infektion gebildeten Giftstoffe, Toxine, können das Innenohr schädigen. Dadurch kann es zu einer – in manchen Fällen bleibenden – Schallempfindungsstörung kommen: Das Hörvermögen ist dauerhaft vermindert. Umso wichtiger, sich an einen HNO-Arzt zu wenden, wenn es bei einer Infektion zu Ohrenbeschwerden kommt. „Neben der Behandlung der akuten Infektion wird dieser das Gehör mittels Hörtest kontrollieren“, erklärt Magele. Ist auch das Innenohr betroffen, können eine zusätzliche Behandlung mit Kortison und manchmal eine Operation notwendig sein. Ob Grippe oder grippaler Infekt: Die Gesundheitsrisiken sind für Hörgesunde und für Menschen mit Hörgeräten dieselben.
Stand 10/2019