Medizin & Trends

Wenn Pollen zu Feinden werden

Für immer mehr Österreicher beginnt im Frühling die Zeit des Leidens
 
Schon jetzt haben hierzulande rund 1,7 Millionen Menschen eine Pollenallergie, doch die Zahl der Betroffenen steigt und steigt. Warum das so ist, beschäftigt die medizinische Forschung ebenso intensiv wie die Verbesserung der Therapiemöglichkeiten. Auch ein Impfstoff gegen die Pollenallergie ist bereits in Entwicklung. MEDIZIN populär über den aktuellen Stand.
 
Mag. Sabine Stehrer

Rund 1,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher freuen sich nicht auf den Frühling, denn mit dem Aufblühen der Natur und dem Pollenflug beginnt für sie die Zeit des Leidens. Die Nase rinnt, die Augen jucken, Hustenreiz entsteht: So reagieren sie – und immer mehr Menschen auf den Kontakt mit Blütenpollen. Warum das so ist? „Dazu gibt es bislang nur Vermutungen“, sagt Dr. Thomas Hawranek, Leiter der Allergieambulanz an der Universitätsklinik für Dermatologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg.
Da der Pollenallergie eine Funktionsstörung des Immunsystems zugrunde liegt, die Pollen als Feinde des Körpers erscheinen lässt, geht man davon aus, dass eventuell die immer strengeren Hygienemaßnahmen bei der Verbreitung des Leidens eine Rolle spielen. Wer seine Umgebung extrem sauber hält und sich selbst sehr oft wäscht, gibt den Abwehrkräften keine Chance, wahre Feinde in Gestalt von tatsächlichen Krankheitserregern zu erkennen und zu bekämpfen. Also stürzt sich das Immunsystem auf die falschen.
Andere Vermutungen: Durch die Zunahme an Schadstoffen in der Luft ist das Immunsystem derart auf den Kampf gegen gesundheitsschädliche Substanzen programmiert, dass es die harmlosen Pollen gleich mitbekämpft. Oder: Durch die zunehmende Schadstoffbelastung werden die Pollen immer aggressiver. Oder auch: Da die Zahl der Betroffenen in den vergangenen Jahrzehnten stieg und die Neigung zur Pollenallergie vererbbar ist, stieg die Zahl derjenigen gleich mit, die das Leiden sozusagen in die Wiege gelegt bekamen.

Vom Heuschnupfen zum allergischen Asthma

„Was man mit Sicherheit weiß, ist, wie sich die Pollenallergie am häufigsten äußert“, sagt Hawranek. „Die meisten Betroffenen klagen über Heuschnupfen und über rote, juckende Augen, wobei viele selbst dann solche Beschwerden bekommen, wenn sich auch nur ein paar wenige Pollen, auf die sie allergisch reagieren, in der Luft befinden.“
Bleiben die Beschwerden unbehandelt, kommt es bei mindestens einem Viertel der Betroffenen nach einigen Jahren zu einem sogenannten Etagenwechsel. Zum Niesen, zur rinnenden und verstopften Nase sowie zu den Augenproblemen gesellen sich dann ein Husten oder auch asthmatische Anfälle. Oft geht mit den genannten Beschwerden auch die Entwicklung einer Kreuzallergie einher, bei der der Körper nicht mehr nur gegen bestimmte Pollen kämpft, sondern auch gegen Nahrungsmittel. Häufig sind das Obst oder Nüsse, die dieselben eiweißartigen Substanzen wie die Allergie auslösenden Pollen enthalten.    ‘

Gräser- und Birkenpollen als häufigste Auslöser

Auch welche Pollen hierzulande am häufigsten eine Pollenallergie auslösen, ist bekannt. „Das sind Gräser- und Birkenpollen“, sagt Hawranek. Für Qualen sorgen aber auch die Pollen von Erle, Hasel, Weide, Pappel und Esche, die Pollen von Getreidesorten wie Roggen oder Weizen und von Kräutergewächsen wie Ragweed, Beifuß, Wegerich und Gänsefuß. Die meisten Allergiker reagieren gleich auf verschiedene Pollen allergisch, einzelne auch auf alle der genannten – sie haben dann zwischen Februar, dem Beginn der Haselblüte, und September zu leiden, wenn die Blüte des Gänsefußgewächses endet.

Sprays und Tabletten helfen

Wer das Leiden einmal hat, der hat es meist ein Leben lang. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zur Heilung. „Worauf die Heilungen zurückzuführen sind, weiß man nicht genau. Sie haben jedenfalls mit einer Art Toleranzentwicklung des Immunsystems zu tun, und die Pollenallergie geht so spontan wieder weg, wie sie gekommen ist“, sagt Hawranek. Den anderen Betroffenen könne, so der Experte weiter, kurzfristig geholfen werden, indem man die Symptome abschwächt. Gegen den Heuschnupfen helfen spezielle Nasensprays, gegen rote, juckende Augen Augentropfen, gegen allergischen Husten und allergische Asthma-Anfälle Anti-Asthmasprays. Auch Medikamente in Tablettenform, die während der Pollensaison eingenommen werden, können die allergischen Reaktionen abschwächen. Hawranek: „Diesen Effekt zeigen nach Erfahrungsberichten von Patienten auch Akupunktur-Serien.“ Und auch pflanzliche Mittel können helfen.

Pollen zu Freunden machen

Als mittel- und langfristig gut wirksame Methode im Kampf gegen Pollenallergien hat sich die sogenannte spezifische Immuntherapie oder Hyposensibilisierung erwiesen. Dabei führt man dem Körper die Allergene über drei bis fünf Jahre in der Zeit außerhalb des Pollenflugs in immer höherer Konzentration zu, wodurch sich der Körper langsam immer stärker an die Allergene gewöhnt, sie allmählich nicht mehr als Feind betrachtet und daher auch in der Pollenflugzeit nach und nach immer schwächer auf den Kontakt mit den reizenden Substanzen reagiert.

Impfung in Entwicklung

„In Zukunft wird die Behandlung der Pollenallergie noch leichter werden“, sagt Hawranek. So befinden sich etwa Substanzen in Entwicklung, die jedem einzelnen Patienten ganz spezifisch helfen. Geforscht wird auch in Richtung der Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Pollenallergie, der erblich Vorbelasteten zur Vorbeugung gegeben werden soll. Bis die Impfung auf dem Markt ist, vergehen, so Hawranek, aber sicher noch mindestens zehn Jahre.

Buchtipp:
Schimmer, Allergien erkennen, behandeln, damit leben.
ISBN 978-3-902552-39-6, 126 Seiten, € 14,90, Verlagshaus der Ärzte.

Webtipp:
Um sich vor den Beschwerden zu schützen, die eine Pollenallergie auslöst, kann man auch die Pollen meiden. Im Internet auf www.pollenwarndienst.at ist zu sehen, wann und wo der Flug der verschiedenen Pollen einsetzt und wie lang er in welcher Stärke anhält.

Share

Das könnte Sie auch interessieren:

Logo medizinpopulär