Medizin & Trends

Wie Männer länger leben

Die sieben Schwachstellen des starken Geschlechts
 
„Ein Mann hält sich so lange für kerngesund, bis er tot umfällt“ – und das tut er laut aktueller Statistik mit durchschnittlich 77,7 Jahren immer noch deutlich früher als die Frau mit durchschnittlich 83 Jahren. Männer gehen eben viel zu selten zum Arzt, und wenn sie ärztliche Hilfe suchen, dann oft erst reichlich spät. Dabei verlangen gerade die Problemzonen des Mannes besonderes Augenmerk. Und diese liegen auch, aber nicht nur unterhalb der Gürtellinie: Das Herz zählt genauso dazu wie die Seele, der Bauch genauso wie die Lunge. MEDIZIN populär über die sieben wichtigsten Schwachstellen des Mannes und Maßnahmen, die sein Leben verlängern können.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler &
Mag. Sabine Stehrer &
Mag. Alexandra Wimmer

Schwachstelle Nr. 1
Der Bauch

Der Bauch(umfang) gilt der aktuellen medizinischen Forschung zufolge als Nabel der Männergesundheit – und als wachsendes Problem: In Österreich sind nach Angaben der Statistik Österreich mehr als 50 Prozent der Männer übergewichtig oder adipös. Während sich das Fett bei übergewichtigen und adipösen Frauen vorwiegend um Taille, Hüften und Po ansammelt, haben dicke Männer zumeist einen zu dicken Bauch – und damit besonderes Pech.
Als zu dick gilt der Bauch nach aktuellen Richtlinien schon viel eher, als man denkt: „In Nabelhöhe gemessen, sollte der Bauchumfang nicht mehr als 94 Zentimeter betragen, und zwar unabhängig davon, wie groß der Mann ist“, sagt Univ. Prof. Dr. Hermann Toplak, Internist an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Ab 102 Zentimeter Umfang gilt ein Bauch laut Toplak als Gefahr für die Gesundheit.
Großangelegte Studien zeigten, dass ein zu dicker Bauch, bei dem sich auch um die Organe im Bauchinneren Fett angesammelt hat, das Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle bis hin zu Herzinfarkt, Potenzstörungen und Impotenz erhöht. Ein zu dicker Bauch kann aber auch zu Diabetes und Krebs, Depressionen und Alzheimer führen. Der Grund: Bauchfett sondert schädliche Fettsäuren ab, die im Körper zu Entzündungen führen und den Hormonhaushalt insofern durcheinanderbringen können, als die Produktion der männlichen Geschlechtshormone, der Androgene – allen voran des Testosterons – abnimmt.

Schwachstelle Nr. 2
Der Hormonhaushalt

Das Sinken des Testosteronspiegel ab dem 35. Lebensjahr ist das weitaus häufigste Hormonproblem der Männer. Wie sehr oder wie schnell das geschieht, ist von Mann zu Mann verschieden. „Bei dem einen geht es langsamer, beim anderen schneller“, sagt Univ. Prof. Dr. Andreas Jungwirth, Facharzt für Urologie in Salzburg. „Ab dem 50. Lebensjahr leidet meiner Erfahrung nach jeder Fünfte an einem Testosteronmangel, der dann meist auch mit einem Mangel an anderen Androgenen, also männlichen Sexualhormonen, einhergeht.“
Das Schlimme: Die Betroffenen verwechseln die Symptome oft mit einer altersbedingten Depression und halten die Beschwerden, die in Wahrheit auf die Drosselung der Hormonproduktion zurückzuführen sind, für unabwendbar. Jungwirth: „Dabei lässt sich ein Testosteronmangel durch eine Blutuntersuchung leicht erkennen und durch die Gabe von Testosteron in Form von Gels, Kapseln oder Injektionen ausgleichen.“ Schon binnen weniger Tage nach Therapiebeginn schwinden Konzentrations- und Gedächtnisschwächen, Leistungsschwächen, Schlafstörungen, Hitzewallungen, Depressionen, Libidoverlust und Potenzstörungen, so Jungwirth.
Noch ein Mangel ließe sich gut beheben: Die häufigste sexuelle Funktionsstörung, der vorzeitige Samenerguss, ist nach neuen Erkenntnissen auf einen Mangel an einem Botenstoff im Gehirn, dem Serotonin, zurückzuführen. „Auch dieser Mangel kann medikamentös behandelt, der Geschlechtsverkehr somit verlängert werden“, sagt Jungwirth. 

Schwachstelle Nr. 3
Das Herz

Laut Statistik Austria sterben die meisten Männer, nämlich die Hälfte, an Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems, allen voran an Herzinfarkt. Was Männern derart zu Herzen geht? „Übergewicht, zuviel Bauchfett, Bluthochdruck, wenig Bewegung, Rauchen“, fasst Toplak die Gefahren des männlichen Lebensstils – und die typischen Stationen auf dem Weg zum Herzinfarkt zusammen.
Männertypische Anzeichen für das Herannahen eines Herzinfarkts oder auch dafür, dass man einen hat, sind Schmerzen im Bereich der Brust und der Schultern, Schweißausbrüche und – im schlimmsten Fall – ein Gefühl von Todesangst.

Schwachstelle Nr. 4  
Die Prostata

Die Prostata bzw. Vorsteherdrüse produziert einen Teil der Samenflüssigkeit – und zählt in jedem Alter zu den wunden Punkten des Mannes. Häufigste Erkrankung der Prostata in jüngeren Jahren ist die Prostatitis, eine Entzündung der Drüse, zu der es meistens durch eine Infektion beim ungeschützten Geschlechtsverkehr kommt. Jungwirth: „Die Prostatitis ist mit Unterleibsschmerzen und Schmerzen beim Harnlassen verbunden, lässt sich aber gut mit Medikamenten ausheilen.“
Zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr wächst die Prostata. Wird der Harnstrahl immer schwächer und treten Schmerzen beim Wasserlassen auf, ist Blut im Harn, oder kommt es immer wieder zu Harnwegsinfekten, so ist es Zeit, einzugreifen: Die Palette der Therapiemöglichkeiten reicht von der Einnahme von Medikamenten bis hin zu einer Operation.
Oft bildet sich im Zuge des Wachstums der Prostata nicht nur neues, gutartiges Gewebe, sondern es entstehen bösartige Tumore. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern: Jedes Jahr werden hierzulande laut Statistik Austria fast 4500 Neuerkrankungen an Prostatakrebs diagnostiziert. „Vorausgesetzt, er wird früh erkannt und behandelt, ist Prostatakrebs heute aber sehr gut heilbar“, sagt Jungwirth.

Schwachstelle Nr. 5
Die Lunge

Jeder dritte Österreicher über 15 Jahren raucht. „Und Rauchen ist in 90 Prozent der Fälle der Auslöser für Erkrankungen der Lunge“, sagt Toplak. Bei jedem vierten Raucher über 40 tritt die sogenannte COPD (Chronik Obstructive Pulmonary Disease) auf, im Volksmund „Raucherlunge“ genannt. Die Krankheit führt dazu, dass man immer schlechter Luft bekommt und schließlich auf ein Sauerstoffgerät angewiesen ist. Das Rauchen ist auch der Auslöser der bei Männern am häufigsten zum Tod führenden Krebserkrankung: Lungenkrebs. Nur 15 Prozent der Erkrankten leben noch fünf Jahre nach der Diagnose. Und diagnostiziert wird Lungenkrebs hierzulande laut Statistik Austria jedes Jahr bei rund 2700 Männern.

Schwachstelle Nr. 6
Sexualität – Alarmsignale im Bett:

Penis & Herz

Der Penis ist wie eine Antenne von Körper und Seele des Mannes. Gibt es physische oder psychische Probleme, so kommt es auch zu sexuellen Funktionsstörungen, wobei die Palette von Libidostörungen bis hin zur Impotenz reicht. „Die sexuellen Funktionsstörungen sollten als Alarmsignale gesehen werden, denn sie sind oft ein Anzeichen für schwerwiegende Herz- und Kreislauferkrankungen“, weiß der Urologe Univ. Prof. Dr. Andreas Jungwirth. „In mehr als 70 Prozent der Fälle gehen die Funktionsstörungen auf körperliche Ursachen zurück, in 30 Prozent auf seelische Probleme oder eine Mischung aus körperlichen und seelischen Problemen.“

Samenerguss & Serotoninmangel

Leidet ein Mann an vorzeitigem Samenerguss, steckt oft ein Mangel des Botenstoffs Serotonin dahinter, der mit entsprechenden Medikamenten ausgeglichen werden kann. Manchen helfen auch Gels, die auf den Penis aufgetragen werden und ihn weniger empfindlich machen, wodurch der Samenerguss hinausgezögert werden kann. Auch das Anwenden der Stop-and-go-Technik (während des Geschlechtsverkehrs Pausen einlegen und entspannen) bzw. der Squeeze-Technik (kurz vor der Ejakulation die Eichel zusammendrücken) führen zum Erfolg. Ist der vorzeitige Samenerguss psychisch bedingt, kann das Erlernen von Entspannungsübungen oder eine Psychotherapie helfen.

Potenzprobleme & Krankheit

Die häufigsten Ursachen für Potenzstörungen sind Bluthochdruck, Diabetes, Gefäßerkrankungen und erhöhte Blutfettwerte. Mit Medikamenten und gegebenenfalls einer Änderung des Lebensstils (Übergewicht abbauen, auf Nikotin verzichten) kann diesen Ursachen entgegengewirkt werden. Klappt es mit dem Sex trotzdem nicht mehr wie gewünscht, so können Mittel Abhilfe schaffen, die die Potenz steigern.  

Impotenz & Stress

Negativer Stress im Übermaß ist eine immer häufiger werdende psychische Ursache von Potenzstörungen oder Impotenz. Dagegen können Entspannungsübungen helfen bzw. eine Einzel- oder Paartherapie.

Schwachstelle Nr. 7
Die Seele – Klischees als Feinde der Männerpsyche:
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“

Zwar werden psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft generell stigmatisiert, „für Männer gilt das aber noch viel stärker als für Frauen“, betont Prim. Univ. Prof. Dr. Michael Musalek, Psychiater, Psychotherapeut und ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts in Wien. Punkto Psyche haben Männer mit verschiedenen geschlechtsspezifischen Vorurteilen zu kämpfen. „Das erste Klischee lautet, dass ein Mann nicht psychisch krank werden darf“, so der Mediziner. Ein Indianer kennt eben keinen Schmerz. „Dabei haben Männer letztendlich all die psychiatrischen Erkrankungen, die auch Frauen haben.“

Alkoholkrankheit:
„Ich brauch’ meine paar Bier am Abend.“

Ein Bier zum Mittagessen, abends nochmals ein, zwei Krügerln – und das tagtäglich: Alkoholmissbrauch ist immer noch vorwiegend Männersache. „Die Alkoholkrankheit tritt bei ihnen wesentlich häufiger auf als bei Frauen“, berichtet Suchtexperte Musalek, „das Verhältnis liegt derzeit in etwa bei 3:1.“ Auch beim Trinkverhalten selbst zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede: „Männer trinken wesentlich mehr, häufiger und in höheren Dosen als Frauen.“

Suizid:
„Es hat eh alles keinen Sinn!“

Auch in Sachen Suizid sind Männer traurige Spitzenreiter, die Alkoholkrankheit hängt stark damit zusammen. „Wenn man Alkohol hoch dosiert oder regelmäßig zu sich nimmt, treten häufig depressive Syndrome und depressive Verstimmungen auf“, erklärt Musalek. Fatalerweise hat Alkohol außerdem eine enthemmende Wirkung. „Dadurch fallen die Barrieren, auch jene zur Selbsttötung“, so der Facharzt.

Angststörung:
„Angst ist etwas für Schwächlinge.“

Bei Angststörungen, die sie genauso häufig treffen wie Frauen, kommen Männer besonders spät in Behandlung. Auch hier bremst ein Vorurteil – „echte Männer haben keine Angst“ – sie aus. Schließlich suchen Männer bei Symptomen wie Schweißausbrüchen, Herzrasen etc. eher einen Internisten als einen Psychiater auf. Michael Musalek: „Wir haben sehr häufig körperliche Symptome, die insbesondere auf das Herz-Kreislaufsystem projiziert und etwa als Herzinfarkt interpretiert werden.“

Depression:
„Ich bin nur ein bisschen überlastet.“

Interesselosigkeit, Freud- und Lustlosigkeit, Schlafstörungen, aber auch Gereiztheit und Aggressivität – Symptome wie diese können auf eine Depression hinweisen, werden aber speziell bei Männern oft nicht als solche erkannt. „Sie werden häufig als etwas Vorübergehendes betrachtet und beispielsweise als Folge von Überarbeitung abgetan“, berichtet Psychiater Musalek. Hinzu komme, dass Männer dazu neigen, psychische Probleme zu negieren. „Viele bemerken durchaus, dass etwas nicht stimmt, aber sie wollen es nicht wahrhaben.“

Risikobereitschaft:
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

Ein weiteres Klischee, das die Männergesundheit gefährdet: Es gilt als männlich, riskant zu leben – ob im Straßenverkehr oder bei der Ausübung eines waghalsigen Hobbys. Das führt letztlich auch vermehrt zu Unfällen – ein weiterer lebensbedrohender Faktor. „Die Risikobereitschaft ist bei Männern insgesamt höher, was mit dem sozialen Image zu tun hat“, betont Psychiater Musalek. „Ein risikofreudiger Mann gilt leider in unserer Gesellschaft als etwas sehr Positives.“    

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Lebensverlängernde Maßnahmen

Frauen sind Männern gewissermaßen von der Zeugung an gesundheitlich überlegen, weil sie zwei X-Chromo­somen in sich tragen, während Männer als Träger der Erbinformationen ein X- und ein Y-Chromosom haben. Letzteres ist sozusagen unvollständig, was anfällig für Krankheiten – und lebensverlängernde Maßnahmen umso wichtiger macht:  

20plus: Viel Bewegung, Ernährung mit ausgewogener Mischkost, Vermeidung von Alkohol- und Nikotinmissbrauch und: einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung gehen, die in Österreich für jeden Versicherten und Angehörigen eines Versicherten kostenlos ist. Die Untersuchung dient dazu, Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetes etc. aufzuzeigen bzw. Krankheiten frühzeitig zu erkennen.

40plus: Sind Verwandte an Prostatakrebs oder Darmkrebs erkrankt, zusätzlich zur Vorsorgeuntersuchung einmal im Jahr zur Prostatauntersuchung und zur Darmspiegelung gehen. Besteht keine erbliche Vorbelastung für Prostatakrebs, genügt es, sich ab 45 Jahren jährlich die Prostata untersuchen zu lassen.

50plus: Ist noch niemand in der Familie an Darmkrebs erkrankt, reicht es, ab 50 Jahren zusätzlich zur Vorsorge- und Prostatauntersuchung jedes Jahr eine Darmspiegelung machen zu lassen.

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Wo Männer (Gesundheit) tanken:
Das besondere Service in Salzburg

Wo trifft man die meisten Männer regelmäßig zuverlässig an? Richtig – an der Tankstelle. Das machten sich auch die Initiatoren des Salzburger Männergesundheitsprogramms zunutze und hielten ihre Aktionswoche vergangenen November an 66 Tankstellen im gesamten Bundesland ab. Denn: Nicht nur das Auto braucht regelmäßig Treibstoff und Wartung, dasselbe gilt einmal mehr für den „Gesundheits- und Vorsorgemuffel Mann“.
„Unser Ziel ist, speziell bei den 35- bis 50-Jährigen das Bewusstsein für Gesundheitsvorsorge zu schärfen“, betont Dr. Peter Kowatsch, Allgemeinmediziner und Vorsorgereferent der Salzburger Ärztekammer. „Wir haben dabei Männergesundheit ganz bewusst nicht auf Sexualität und Prostata reduziert, sondern das Thema wesentlich umfassender aufbereitet.“ Für eine „klare Sicht auf die Gesundheit“ wurden insgesamt 30.000 Wischtücher und Service-Broschüren verteilt, an einigen Zapfstellen luden Ärzte und Medizinstudenten zu Beratungsgesprächen.
Die im Anschluss durchgeführte Gesundheitsumfrage gibt der Initiative recht: Das Thema sorgt für reges Interesse – und in vielen Haushalten für ergiebigen Diskussionsstoff. Auch die Statistiken lassen auf erste Erfolge der Aktion, die im Vorjahr bereits das zweite Mal stattfand, schließen: „2009 lag in Salzburg der Männeranteil bei Vorsorgeuntersuchungen noch bei rund 40 Prozent, 2010 beobachteten wir einen leichten Anstieg“, berichtet Kowatsch.
Da sich die Entwicklung zum „gesundheitsbewussten Mann“ nicht von heute auf morgen vollziehen kann, geht die Gesundheitsinitiative heuer in die dritte Runde.

Buchtipp:
Heufelder, Pape, Sommer, Rohrmoser, Die Wechseljahre des Mannes. Fit und vital bleiben, ISBN 978-3-902552-23-5, 106 Seiten, € 12,90
Verlagshaus der Ärzte

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