Männer leben nach wie vor ungesünder als Frauen, gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen und schieben sogar dringend anstehende Arztbesuche oft auf die lange Bank. Das sind die wesentlichen Gründe, warum Männer mit dem aktuellen Durchschnittsalter von 77,7 Jahren eine um 5,6 Jahre kürzere Lebenserwartung haben als Frauen. Der Experte in Sachen Männergesundheit Dr. Karl Dorfinger über Verhaltensweisen und Vorsorgetipps, die dem Mann ans Herz gelegt seien.
Von Mag. Sabine Stehrer
Männer ernähren sich nach wie vor weniger gesundheitsbewusst als Frauen, essen zu viel und zu viel Fettes, trinken mehr Alkohol, setzen sich Stress aus, ohne sich Zeit für die nötige Entspannung zu nehmen, rauchen mehr und bewegen sich zu wenig. Außerdem fallen sie durch ihre erhöhte Risikobereitschaft öfter Unfällen zum Opfer als Frauen und sind berufsbedingt häufiger von schweren körperlichen Belastungen betroffen. „Der größte Risikofaktor für die körperliche Gesundheit der Männer ist der männliche Lebensstil“, fasst Dr. Karl Dorfinger, Facharzt für Urologie und Andrologie in Wien, das Dilemma zusammen.
„Wenn es also darum geht, die Gesundheit des Mannes zu erhalten, steht die Pflege eines gesunden Lebensstils im Vordergrund.“ Und das heißt im Klartext? „Ausgewogene Ernährung, Abbau von Übergewicht, Verzicht auf Alkohol- und Nikotinmissbrauch und viel Bewegung. So können Männer nicht nur Krebs vorbeugen, sondern auch die Entstehung anderer Krankheiten vermeiden, von denen sie immer noch häufiger betroffen sind als Frauen.“ Das sind Bluthochdruck, Herzbeschwerden, Lungenerkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats, die durch Übergewicht bedingt sind.
Ich brauch’ keinen Arzt …
Außer am gesunden Lebensstil hapert es bei den Männern auch am Vorsorgebewusstsein. Dorfinger: „Das ist der zweite Risikofaktor für die männliche Gesundheit: dass Männer auch die so genannte sekundäre Prävention vernachlässigen, also nicht gern zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Und oft suchen sie selbst dann noch keinen Arzt auf, wenn sie bereits Beschwerden haben.“ Dies gelte leider, wie Dorfinger sagt, für jede Art von Beschwerden – egal, ob diese das Herz- und Kreislaufsystem, den Bewegungsapparat, die Augen, die Haut oder die Zähne betreffen – oder die Geschlechtsorgane.
Dabei können gerade letztere Probleme machen. Männer jeden Alters sollten daher ihre Genitalien einmal in der Woche nach möglichen Veränderungen abtasten, insbesondere die Hoden, so Dorfinger. „Werden Veränderungen festgestellt, ist es Zeit für einen Besuch beim Urologen.“ Ab dem Alter von 45 Jahren sollten Männer einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zum Urologen gehen. Wenn Bruder, Vater, Großvater oder Onkel Prostatakrebs hatten, ist der Check schon ab 40 angesagt. Ein Argument, das überzeugen wird: Werden Hodenkrebs oder Prostatakrebs vom Urologen früh erkannt, also solange sich die Erkrankung noch auf das Ursprungsorgan beschränkt, können neun von zehn Männern mit einer individuell abgestimmten Behandlung des Tumors geheilt werden.
Das hilft ja wirklich!
Aber nicht nur Veränderungen bzw. Schmerzen an den Geschlechtsorganen sollten zum Urologen führen, sondern auch Funktionsstörungen wie Erektionsstörungen oder vorzeitiger Samenerguss. Von diesen beiden Störungen sind rund ein Drittel aller Männer betroffen. Viele von ihnen leiden lange, ehe sie zum Arzt gehen. Dorfinger: „Diese Männer sind dann sehr erleichtert, wenn sie merken, dass die Untersuchungen nicht weh tun und dass es Medikamente und andere therapeutische Mittel gibt, die ihnen helfen und die sexuelle Funktionsfähigkeit wiederherstellen.“ Eine funktionierende Sexualität trage, wie der Experte weiß, sehr wesentlich zur allgemeinen Gesundheit des Mannes bei.
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Sein Vorsorgeplan
- 20 plus: Primärprävention betreiben, also einen gesunden Lebensstil führen: sich mit ausgewogener Mischkost ernähren, keinen Alkohol- und Nikotinmissbrauch betreiben, sich bewegen. Die Sekundärprävention beachten, das heißt: Zur Vorsorgeuntersuchung zum Beispiel beim Hausarzt gehen, um Risikofaktoren und Krankheiten früh zu erkennen.
- 40 plus: Wenn ein Verwandter bereits Prostatakrebs hatte, zusätzlich einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zum Urologen gehen. Bei nicht erblicher Vorbelastung ab 45 zur jährlichen Prostatavorsorgeuntersuchung.
- 50 plus: Zusätzlich einmal zur Darmspiegelung (Koloskopie) gehen.
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Jetzt geh´ ich zum Urologen:
Was muss ich zuvor beachten?
- Vor Prostata-Untersuchung und PSA-Test: Zwei bis drei Tage davor keinen Samenerguss haben und nicht mit dem Rad fahren – das reizt die Prostata, die Ergebnisse könnten verfälscht sein.
- Mit einer vollen Harnblase beim Arzt erscheinen – denn er benötigt eine Urinprobe. Damit können Harnwegsentzündungen oder Blutbeimengungen im Urin entdeckt werden – gegebenenfalls müssen weitere Untersuchungen folgen.
- Bestehen bereits urologische oder andere Vorerkrankungen: entsprechende Röntgenbilder und Befunde mitbringen.
- Ebenfalls empfehlenswert: sich Notizen machen. Etwa über den Beginn und den Verlauf der Beschwerden, regelmäßig eingenommene Medikamente oder auch zu den Fragen, die man dem Arzt stellen möchte.
Was passiert bei der Untersuchung?
- Zunächst werden Vorerkrankungen und aktuelle Beschwerden besprochen.
- Der Harnbefund bildet die Grundlage der urologischen Untersuchungen.
- Über den Mastdarm wird die Prostata abgetastet, was nicht schmerzhaft ist.Dann folgt eine Ultraschalluntersuchung, und mit einer Blutprobe wird der so genannte PSA-Wert gemessen.PSA heißt „prostataspezifisches Antigen“ und bezeichnet ein Eiweiß, das in der Prostata erzeugt wird. Dieser Wert kann Aufschluss über krankhafte Veränderungen in der Prostata geben.
- Werden wiederholt erhöhte PSA-Werte gemessen, besteht ein Verdacht auf Prostatakrebs. Den Beweis kann eine Gewebeprobe aus der Prostata bringen.
- Ebenfalls gecheckt werden bei der urologischen Untersuchung Hoden und Penis (Hodenkrebs: 300 Neuerkrankungen im Jahr, Peniskrebs: 35 Neuerkrankungen im Jahr).
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Der Mann in der Statistik
Wie alt wird der Mann?
- Die Lebenserwartung der Männer in Österreich beträgt nach Angaben der Statistik Austria derzeit durchschnittlich 77,7 Jahre.
- Bis zum Jahr 2050 soll sie auf 86,0 Jahre ansteigen.
Wie geht es ihm?
- 36 Prozent der Männer fühlen sich nach den Ergebnissen einer österreichischen Untersuchung „sehr gesund“.
Unter welchen Beschwerden leidet er?
- 21 Prozent leiden unter Rückenschmerzen,
- 9 Prozent unter Kopfschmerzen und Migräne,
- 9 Prozent haben Schlafstörungen,
- 7 Prozent leiden unter Kreislaufstörungen.
Welcher Krebs trifft besonders viele?
- Prostatakrebs (5100 Neuerkrankungen pro Jahr)
- Lungenkrebs (3800 Neuerkrankungen pro Jahr)
- Dick- und Enddarmkrebs (2500 Neuerkrankungen pro Jahr)
(Quellen: Statistik Austria, Österreichische Krebshilfe, Selbsthilfegruppe für Darmkrebs, Mikrozensus Österreich)
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Gewichtsprobleme?
Der Anteil der übergewichtigen Männer in Österreich hat sich laut Ernährungsbericht 2008 des Gesundheitsministeriums in fünf Jahren seit 2003 von sechs auf 13 Prozent mehr als verdoppelt. Die Ursachen dafür sind ein zu hoher Fleisch- und Wurstkonsum, ein zu hoher Alkoholkonsum sowie Bewegungsmangel.
Die Folge: Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist deutlich erhöht, und zwar bereits ab einem Bauchumfang von 102 Zentimetern.
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Ernährung für den Mann
- Männer, die mehr als zweimal pro Woche Tomaten und Tomatenprodukte essen, haben ein um 34 Prozent reduziertes Prostatakrebsrisiko.
- Da Männer in Ländern, wo viele Sojaprodukte konsumiert werden, seltener an Prostatakrebs erkranken, wird angenommen, dass auch Soja und Sojaprodukte der bösartigen Erkrankung vorbeugen.
- Nicht zu spät essen, um den Verdauungstrakt sowie das Herz- und Kreislaufsystem zu schonen.
- Mehr mit Kräutern als mit Salz und Zucker würzen und wenig Fett essen – um Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Bluthochdruck und die Blutgefäßverkalkung zu vermeiden.
- Eher hochwertige ungesättigte Pflanzenöle und wenig tierische, gesättigte Fette konsumieren sowie mehr Vollkornprodukte, Obst, Gemüse, Fisch und Knoblauch essen – das tut dem Herz gut.
- Bananen und Orangen enthalten viel Kalium – das senkt den Blutdruck und mindert das Risiko für Gefäßerkrankungen.
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INTERVIEW
Aggressionen, Alkohol, Risiko
Männerseelen leiden anders
Männer haben eine stärkere Neigung zu Wut- und Zornesausbrüchen als Frauen und die Gewohnheit, beim Auftreten von psychischen Problemen die Flucht in den Alkohol und in risikoreiche Situationen anzutreten. Ursachen dafür sind unter anderem die Genetik der Männer und die männlichen Hormone.
MEDIZIN POPULÄR befragte Univ. Prof. Dr. DDr. hc Siegfried Kasper, den Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien, zu leidenden Männerseelen.
MEDIZIN POPULÄR: Herr Prof. Kasper, verschiedenen Statistiken ist zu entnehmen, dass behandlungsbedürftige psychische Probleme bei Männern seltener auftreten als bei Frauen. Warum ist das so?
Siegfried Kasper: Es ist anzunehmen, dass in Österreich die behandlungsbedürftigen psychischen Probleme bei Männern in derselben Größenordnung ausgeprägt sind wie bei Frauen. Das heißt, man kann von einer Zahl von 15 bis 20 Prozent der Österreicher ausgehen, die irgendwann im Lauf ihres Lebens behandelt werden sollten. Tatsächlich zur Therapie kommen aber nur fünf Prozent der Behandlungsbedürftigen. Es ist leider so, dass sich Männer seltener als Frauen in Behandlung begeben und deswegen psychische Probleme bei Männern auch seltener diagnostiziert und in Statistiken erfasst werden.
Woran kann ein Mann selber erkennen, dass er ein psychisches Problem hat, das er am besten mit ärztlicher Hilfe löst?
Ein Mann kann das selber daran erkennen, dass Alltagstätigkeiten wie das Fahren zur Arbeit, die Arbeit, Einkaufen, die Kinder betreuen, Sport betreiben und andere für ihn immer belastender werden, er zunehmend den Ausweg in den Alkohol beziehungsweise in risikoreiche Situationen sucht, indem er zum Beispiel zu schnell mit dem Auto fährt oder riskante Bergtouren macht – und auch daran, dass er zunehmend isoliert ist.
Wie können Angehörige oder Freunde bei Männern Symptome von psychischen Problemen erkennen?
Unter anderem daran, dass der Betroffene zunehmend ein aggressives, zum Teil antisoziales Verhalten an den Tag legt, also parallel zum bereits erwähnten Fluchtverhalten in risikoreiche Situationen auch ein Kampfverhalten entwickelt. Oder daran, dass er in neue psychosoziale Situationen ausweicht. Das kann heißen, dass der Betroffene seine Familie verlässt, oder dass er sich bei Freunden nicht mehr meldet.
Welche psychischen Erkrankungen werden bei Männern am häufigsten diagnostiziert?
Das sind Depressionen und verschiedene Formen des Suchtverhaltens, wobei die Alkoholsucht an oberster Stelle steht.
Welche Ursachen stecken zumeist hinter den psychischen Problemen der Männer?
Die Ursachen seelischer Erkrankungen beim Mann sind multifaktoriell, das heißt, es steckt immer ein ganzes Bündel an Faktoren hinter der Krankheit, und dieses Bündel wird für die Betroffenen immer schwerer zu tragen. Sehr oft ist das der Fall, weil entweder eine ererbte oder durch vermehrten Alkoholkonsum erworbene Übersensibilität des Neurotransmittersystems besteht, also jenes Systems, das in unserem Gehirn über Signalstoffe und Nervenzellen für das Denken und Fühlen sorgt.
Wie sehen therapeutische Schritte aus, die auf die Männerseele zugeschnitzt sind?
Solche Schritte gibt es nicht, die Therapie erfolgt grundsätzlich nicht anders als bei Frauen. Wichtig ist, dass eine fachgerechte Hilfe gesucht und eine entsprechende Therapie eingeleitet wird, die idealerweise in einer Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung besteht. Erfahrungsgemäß ist dann bei 60 bis 80 Prozent der Patienten ein sehr guter Heilungserfolg gegeben.
Was können Männer vorbeugend tun, um sich ihre psychische Gesundheit zu erhalten?
Prinzipiell sind ein geregelter Tag-Nacht-Rhythmus sowie die Abstinenz von Alkohol in Problemsituationen empfehlenswert. Wenn Probleme auftauchen, sollten diese nicht einfach wie besprochen durch Wut- oder Zornesausbrüche, Aggressionen oder risikoreiches Verhalten beziehungsweise Suchtverhalten ausagiert werden, sondern es sollte mit dem Hausarzt gesprochen werden oder mit einem Neurologen beziehungsweise Psychiater.
Foto: iStock, Drazen Zigic