Verdauung, Magen & Darm

Kleine Verdauungskrise, großes Problem

Es muss nicht immer um Leben oder Tod gehen: Auch medizinisch harmlose Störungen des Verdauungstrakts, von Durchfall bis zur Übelkeit, können uns kräftig das Leben vermiesen.

von Wolfgang Kreuziger

Kippen Magen und Darm, die beiden Schwerarbeiter unter den Organen, in den Krisenmodus, dann schrillen rasch die Alarmglocken. Die häufigsten Störenfriede im Überblick:

Übelkeit

Sie ist das Alpha und das Omega aller Verdauungsbeschwerden: die Übelkeit. „Dabei ist sie ein extrem unspezifisches Symptom“, weiß Priv.-Doz.in Dr.in Christine Kapral, Fachärztin für Gastroenterologie und Hepatologie am Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern in Linz. Die Medizin definiert sie als unangenehmes ­Gefühl im Oberbauch, manchmal gepaart mit Schweißausbrüchen oder Fieber. „Zumeist ist sie die harmlose Folge einer verdorbenen Speise, von Stress oder zu viel Alkohol, sie kann aber auch Vorbote schwerer Erkrankungen wie eines Glaukomanfalls – einer plötzlichen Abflussstörung des Kammerwassers im Auge –, einer Hirnhautentzündung, eines Magengeschwürs oder der Ansteckung mit dem Bakterium Helicopacter Pylori sein“, so die Ärztin.

Wenn sich die Verdachtsmomente für erstere Probleme häufen, werden weiterführende Untersuchungen wie eine Darmspiegelung angeordnet, doch die überwiegende Mehrheit erweist sich als akute, vorübergehende Erkrankung. Kapral: „Dann klingen die Symptome auch ohne spezifische Behandlung nach ein paar Tagen ab. Wenn dies nicht reicht, können zur Ankurbelung des Heilungsverlaufs Infusionen den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt stabilisieren.“ Obacht auf die Ernährung: Betroffene sollten in der Gesundungsphase keinen Alkohol trinken und auf Schonkost wie Zwieback zurückgreifen.

Durchfall

Irgendwann erwischt es jeden: Das Schreckgespenst Durchfall ist neben der Übelkeit die vielleicht häufigste Verdauungsstörung von allen. „Die Medizin geht davon aus, dass jeder Mensch im Laufe eines Jahres irgendwann davon betroffen ist“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg, Gastroenterologe und Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin in Innsbruck.

Eine Diarrhö, so der Fachausdruck, liegt dann vor, wenn öfter als dreimal täglich ein sehr dünner, oft sogar wässriger Stuhl abgesondert wird. „Der häufigste Auslöser ist eine Infektion, die zumeist durch  Nahrungsmittel verursacht wird“, verrät der Arzt. Vor allem auch Noro- und Rotaviren können die Aufruhr im Gedärm verur­sachen, in selteneren Fällen sind es auch Bakterien wie Campylobakter, Medikamente oder Nahrungsunverträglichkeiten.

„Zeigt sich der Durchfall nur tagsüber, sind die Ursachen in der Regel nicht gefährlich“, sagt der Experte. Tritt er jedoch auch nachts auf, muss abgeklärt werden, ob es sich nicht um eine ernste Infektion oder gar eine chronische Erkrankung handelt. Entscheidend ist auch die Dauer der Symptome, akuter Durchfall sollte nach fünf Tagen ausgestanden sein.

Als erste Gegenmaßnahme sollte man viel trinken. „Die Betroffenen dehydrieren viel schneller als alle denken, ganz besonders im hohen Alter“, warnt der Arzt. „Befindet sich der Patient in schlechtem Zustand oder fiebert er, werden zusätzlich Antibiotika gegeben. Leider sind viele beliebte Hausmittelchen wie Kohletabletten, Cola oder Schwarztee nutzlos oder sogar kontraproduktiv.“

Gut wirken würde hingegen eine Glukosetrinklösung, die die Weltgesundheitsorganisa­tion WHO empfiehlt, berichtet Tilg. „Man mixt einen Liter Wasser mit einem dreiviertel Teelöffel Salz, vier Löffel Zucker und einem Becher Orangensaft und trinkt es. Damit ist man schnell wieder auf den Beinen.“

Verstopfung

„Wenn weniger als dreimal pro Woche ein Stuhlgang erfolgt und sich dieser auch noch in kleinen harten Mengen manifestiert, liegt eine Verstopfung vor“, präzisiert Christine Kapral. Sie schätzt, dass in Österreich rund jeder Fünfte hin und wieder davon betroffen ist. „Hintergrund dafür sind oft geänderte Essenszeiten oder der Verzehr ungewohnter Speisen, wie dies klassisch auf Reisen vorkommt. Fehlen solche klar erkennbaren Zusammenhänge, sind meist ein ungünstiger Lebensstil oder selten auch psychische Gründe schuld an den Beschwerden.“ Eine ballaststoffreiche, gesunde Ernährung, viel Sport und getrunkene Flüssigkeit bringen die gestörte Darmflora wieder ins rechte Lot.

„Kurzfristig können durchaus auch Abführmittel verordnet werden, die unbedenklich sind und zu Unrecht einen schlechten Ruf haben“, so die Expertin, diese können zusätzlich durch die Gabe von Laktulose-Sirup unterstützt werden, der den Stuhl weicher und voluminöser macht. Bei einer Bauchmassage werden Reizpunkte um den Bauchnabel im Uhrzeigersinn in kreisenden Bewegungen massiert. Verstopfungen sollten in jedem Fall rasch bekämpft werden, da eine chronische Erkrankung die Entstehung von Hämorrhoiden begünstigt.

Sodbrennen

Offenbart sich, insbesondere nach einem fetten Schweinsbraterl oder Schnitzerl, ein starkes Brennen in der Magengegend, dann ist oftmals Sodbrennen daran schuld. Dahinter steckt Magensäure, die in die Speiseröhre gelangt, dort die Schleimhaut reizt oder Entzündungen verursacht. „Das klassische Sodbrennen zeigt sich, indem entweder durch Fehlernährung oder eine Fehlfunktion im Magen zu viel Säure produziert wird oder aber der Schließmuskel zwischen Magen und Speiseröhre nicht ganz abdichtet und es zu Reflux kommt“, bringt es Tilg auf den Punkt.

Letzteres kommt ebenfalls häufig vor, bei etwa jedem dritten Menschen arbeitet dieser Muskel nicht einwandfrei, wodurch vor allem beim Schlafen Säure in die Speiseröhre aufsteigt. „Interessant ist, dass die Empfindlichkeit der Menschen individuell enorm unterschiedlich ist. Manche spüren nie etwas, andere bereits den leichtesten Säurereiz“, berichtet der Experte aus seinem Erfahrungsschatz.

Die Überproduktion der Magensäure ist oft genetisch bedingt, kann aber auch auf zu fette und saure Speisen, Alkohol, Rauchen oder koffeinhaltige Getränke zurückzuführen sein. Tilg: „Irreführenderweise sind die Symptome bei den drei Krankheiten Sodbrennen, galligem Reflux und Reizmagen völlig ident. Daher verschreibt der Arzt in der Regel anfangs einen Säureblocker. Wenn dieser die Beschwerden beseitigt, handelt es sich um klassisches Sodbrennen, wenn nicht, müssen die anderen Krankheitsbilder näher ins Auge gefasst werden.“ In ersterem Fall kann zusätzlich eine Lösung zum Schutz und zur Regeneration der Speiseröhrenschleimhaut verordnet werden. Auch Basenpulver kann hilfreich sein.

Reizdarm

„Etwa zehn Prozent der Menschen in unseren Breiten erleiden im Laufe ihres Lebens ein Reiz­darmsyndrom“, zählt Kapral dies zu den verbreitetsten Verdauungsproblemen. „Besonders häufig sind Frauen, aber auch sozial schlechter gestellte Menschen mit geringem Einkommen betroffen.“ Wobei die Grundbeschwerden, zumeist Bauchschmerzen gepaart mit Verstopfung oder Durchfall, drei bis sechs Monate anhalten müssen, um der Diagnose Reizdarm zugeordnet werden zu können. Die Mediziner unterscheiden eine durchfalldominierte und eine verstopfungsdominierte Unterart, einen Mix-Typus dieser beiden sowie den unspezifischen, schmerzdominanten Reizdarm.

„Sehr häufig kann die Ursache gar nicht genau bestimmt werden“, erklärt die Linzerin, „aber oft sind Infektionen, sehr häufig auch psychische Gründe wie Kindheitstraumata oder Missbrauchsfälle die Auslöser.“
Faktoren wie Unverträglichkeiten oder Stress können das Krankheitsbild noch zusätzlich verstärken. Als Therapie können je nach Typ heute sehr gute Medikamente etwa gegen Verstopfung oder Durchfall eingesetzt werden. Oft hilft es, in Absprache mit einem Diätologen eine sogenannte FODMAP-arme Diät ohne blähende Stoffe, Lactose und Gluten einzuhalten.

Hausmittel wie Pfefferminzöl oder Heilpflanzenextrakte der Melisse, Angelikawurzel oder Kümmel können ebenfalls eine positive Wirkung haben. „Hilfreich ist auch eine bauchgerichtete Hypnosetherapie oder bei psychischen Auslösern eine Psychotherapie“, ergänzt die Ärztin.

Gastritis

Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich die Gastritis zum beliebten Pauschalausdruck für jedwedes Verdauungsproblem gemausert. „Die meisten Menschen benennen damit fälschlicherweise jedes Unwohlseins von Gallensteinen bis zum Säureüberschuss“, meint Tilg. Dabei benennt die Krankheit im Grunde eine Entzündung der Magenschleimhaut.

Die sogenannte C-Gastritis kommt am häufigsten vor, sie wird entweder durch vom Dünndarm in den Magen zurückfließenden Gallensaft oder nicht selten auch durch Medikamente, meist Schmerzmittel, ausgelöst.
„Den Typ C bekämpft man mit denselben Säurehemmern, die auch gegen Sodbrennen verschrieben werden“, so Tilg, diese werden auch beim Typ B – ein durch das Bakterium Helicobacter Pylori ausgelöster Gastritistyp – im Verbund mit Antibiotika eingesetzt.

Zusätzlich können krampflösende Mittel oder solche gegen Brechreiz Linderung verschaffen, ebenso Tees und Pflanzenwirkstoffe der Kamille, Schafgarbe oder Süßholzwurzel. Eine strenge Diät ist heute nicht mehr zwingend notwendig, aber schonende Kost wie Haferschleim oder Zwieback empfohlen. „Generell ist es bei der Gastritis wie bei allen Magenproblemen angezeigt, Nikotin zu vermeiden, weil es Magen und Darm reizt und deren Schleimhaut schädigt“, resumiert Tilg. „Dasselbe gilt für Alkohol, der den Verdauungstrakt negativ beeinträchtigt.“

Foto: iStock, Halfpoint

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