Das Ende der Fruchtbarkeit geht an manchen Frauen sang- und klanglos vorüber, während es bei anderen das Leben völlig auf den Kopf stellt. Warum Frauen diese wechselhaften Zeiten so unterschiedlich erleben und wie es gelingen kann, sie für einen persönlichen Neustart zu nutzen.
Von Natascha Gazzari
Schweißgebadet und wie gerädert wacht Iris (48) auf. Nur mit Mühe schafft sie es, sich fürs Büro fertigzumachen und dort ihre To-do-Liste abzuarbeiten. Dann, mitten in einem Abteilungsmeeting, passiert es: Sie spürt diese unglaubliche Hitze, die wie aus dem Nichts ihr Gesicht und ihren Oberkörper zum Glühen bringt und ihr den Schweiß aus den Poren treibt. Eine ältere Kollegin beobachtet, wie Iris hektisch nach einem Taschentuch sucht und sich damit Wangen und Stirn abtupft. Mehr oder weniger mitfühlend flüstert sie Iris zu: „So hat’s bei mir auch angefangen. Willkommen im Wechsel!“
Eines vorweg: Die Wechseljahre und ihre teils sehr unangenehmen Begleiterscheinungen sind keine Krankheit, sondern der natürliche Lauf der Dinge. Sie läuten das Ende der reproduktiven Phase ein und sind in ihrem Verlauf so einzigartig wie die Frauen selbst. Beschwerden können, müssen jedoch nicht auftreten, wie Dr. Elisabeth Janschek, Erste Oberärztin der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am LKH Villach, berichtet: „Rund ein Drittel der Frauen hat keinerlei Beschwerden. Sie haben die letzte Regelblutung und das war‘s.“ Gehören Sie zu diesem Drittel? – Dann haben Sie den Jackpot geknackt. Doch wie ergeht es dem überwiegenden Teil der Frauen in dieser Phase des Umbruchs? „Ein weiteres Drittel kommt halbwegs gut durch die Wechseljahre und leidet beispielsweise an sporadischen Wallungen. Anders sieht es beim letzten Drittel aus: Diese Frauen haben massive Probleme, welche die Lebensqualität stark beeinträchtigen.“
Mama, wie war das bei dir?
Zu welcher Gruppe von Frauen man zählt und zu welchem Zeitpunkt die Achterbahn der Hormone startet, wird größtenteils von den Genen bestimmt. Ein Blick in die Geschichte der weiblichen Vorfahren lohnt sich also: Haben Mutter und Großmutter die Wechseljahre stürmisch erlebt, hat auch die Tochter ein höheres Risiko dafür. Ein offenes Gespräch mit der eigenen Mutter kann wertvolle Infos liefern und dabei helfen, sich auf die Wechseljahre einzustellen. Auch wenn die familiäre Veranlagung ein wichtiger Faktor ist, wenn es darum geht, sich Unterstützung zu suchen, darf man als Tochter gern neue Wege gehen. Sprüche wie „Da muss Frau durch!“ bitte am besten gleich vergessen. „Im Mittelpunkt steht immer die Lebensqualität der Frau“, so die Gynäkologin, die betont, dass es neben der Hormonumstellung auch andere Faktoren gibt, die diese Lebensphase zur Herausforderung machen. „Die Kinder werden älter, ziehen aus und eine wichtige Aufgabe fällt damit weg, auch wenn sie stressig war. Die Leere, die zurückbleibt, ist für viele Frauen eine seelische Belastung.“ Dies könnte laut Janschek eine Erklärung dafür sein, dass Frauen, die kinderlos geblieben sind, tendenziell weniger stark von depressiven Verstimmungen in den Wechseljahren betroffen sind.
Wenn der Hormonbonus wegfällt
Hormone sind eine tolle Sache, solange sie in ausreichender Menge produziert werden und ihren Job machen. Für den Körper sind die weiblichen Hormone richtige Bodyguards, wie die Frauenärztin erläutert: „Sie schützen unser Herz-Kreislauf-System, machen die Haut straff, die Haare füllig und die Nägel stark, fördern die Knochengesundheit und verhindern die vermehrte Einlagerung von ungesundem Bauchfett.“ Östrogene und das Gelbkörperhormon Progesteron wirken also weit über die Fortpflanzungsorgane hinaus. Kein Wunder also, dass sich ein hormonelles Ungleichgewicht an allen Ecken und Enden des Körpers bemerkbar macht. So sind die Wechseljahre für die Knochengesundheit eine besondere Herausforderung: Etwa ab dem 30. Lebensjahr wird langsam, aber stetig Knochenmasse abgebaut. Fällt dann noch der schützende Effekt der Östrogene weg, steigt das Osteoporose-Risiko und somit die Gefahr von Knochenbrüchen. Die Gene spielen bei der Knochengesundheit ebenfalls eine wichtige Rolle. Positive Wirkungen auf die Knochendichte haben regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und Nikotinverzicht.
Jetzt bin ICH dran!
Die Lieblingsjeans zwickt in der Taille, die Nächte sind alles andere als erholsam, die Stimmung ist auf dem Nullpunkt, die Haut ist fahl und trocken und an romantische Stunden ist gar nicht zu denken: Wenn sich Wechselbeschwerden in all ihren Facetten zeigen und die Lebensqualität massiv beeinträchtigen, möchten betroffene Frauen am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Gynäkologin Janschek möchte genau diesen Frauen Mut machen: „Man kann die Wechseljahre auch als Chance sehen und diese besondere Lebensphase dazu nutzen, um aktiv an der eigenen Gesundheit zu arbeiten.“ Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, sollten die bisherigen Ernährungsgewohnheiten überdacht und entsprechend angepasst werden. Eine gesunde Ernährung sollte viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, reichlich Eiweiß, hochwertige Pflanzenöle und kalorienarme Getränke umfassen. Regelmäßige Bewegungseinheiten in der Natur steigern nicht nur das körperliche und seelische Wohlbefinden, beugen Übergewicht vor und stärken die Knochen, sondern verbessern auch die Schlafqualität. Guter Schlaf ist besonders in den Wechseljahren ein wichtiger Faktor, denn chronischer Schlafmangel führt zu Kraftlosigkeit und Erschöpfung. Regelmäßige Schlafenszeiten, das Vermeiden unnötiger Stressoren vor dem Zubettgehen sowie eine ruhige und kühle Schlafumgebung fördern einen gesunden Schlaf. Bei Schlafstörungen können Mittel auf pflanzlicher Basis sanft unterstützen. Verschiedene Entspannungstechniken wie Atemübungen, Yoga, Meditation, Mentaltraining oder Hypnose können ebenfalls dabei helfen, mit den Herausforderungen der Wechseljahre besser umzugehen und zur Ruhe zu kommen.
Hilfe annehmen
Reicht die Änderung des Lebensstils nicht aus, um mit den Wechselbeschwerden klarzukommen, ist professionelle Unterstützung durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt gefragt. Anhand einer Blutuntersuchung (Hormonstatus) kann festgestellt werden, in welcher Phase der Wechseljahre sich die Frau befindet und ob eventuell Substitutionsbedarf besteht.
Pflanzliche Wirkstoffe können zur Linderung von Symptomen eingesetzt werden. Mönchspfeffer, Yamswurzel und Schafgarbe haben eine dem Gelbkörperhormon ähnliche Wirkung und werden häufig in Nahrungsergänzungsmitteln kombiniert. Hopfen, Rotklee und Rhapontik-Rhabarber enthalten sogenannte Phytoöstrogene, also sekundäre Pflanzenstoffe, die strukturell den weiblichen Östrogenen ähneln. Häufig werden diese pflanzlichen Helfer mit Vitaminen und Mineralstoffen kombiniert, was laut Janschek durchaus Sinn macht: „B-Vitamine sind wichtig für ein gesundes Nervenkorsett und guten Schlaf, die Vitamine D und C sowie Calcium fördern die Knochengesundheit.“ Pflanzliche Unterstützung ist zwar rezeptfrei erhältlich, sollte jedoch nur in Absprache mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt eingenommen werden, da sie Nebenwirkungen haben kann.
Keine Angst vor Hormonen
Eine amerikanische Studie, die vor mehr als 20 Jahren veröffentlicht wurde und auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei jenen Frauen hindeutete, die eine Hormonersatztherapie (HET) zur Behandlung der Wechselbeschwerden erhalten hatten, hat den Ruf von Hormonpräparaten nachhaltig geschädigt. Die Angst vor möglichen negativen Nebenwirkungen sitzt bis heute tief, wie Elisabeth Janschek in ihrer Praxis immer wieder erlebt. „Heute weiß man, dass krankhaftes Übergewicht das Brustkrebsrisiko stärker beeinflusst als eine zeitlich begrenzte, wohl dosierte Hormonersatztherapie, vorausgesetzt es liegt kein familiär bedingtes Brustkrebsrisiko vor.“ Ein regelmäßiges Brustkrebs-Screening wird allen Frauen empfohlen, unabhängig von einer möglichen Hormoneinnahme.
Entscheidet sich die Frau für eine Hormonbehandlung, müssen Nutzen und Risiken vor Therapiebeginn sorgfältig und individuell abgewogen werden. Bestimmte Erkrankungen schließen eine HET aus, wie eine tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie in der Vorgeschichte, bestimmte Blutgerinnungsstörungen, schwere Lebererkrankungen, Brustkrebs, schwer behandelbare Herzinsuffizienz, therapieresistenter Bluthochdruck und bestimmte Autoimmunerkrankungen. Die Medikamente, die in Tablettenform, als Creme, Pflaster oder Spray zur Verfügung stehen, werden heute sehr gezielt und nur bei tatsächlichem Bedarf verschrieben. „Alles was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben“, erklärt die Gynäkologin. Eine niedrig dosierte und kurze Behandlung reduziert das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen. Als positiver Nebeneffekt können die zugeführten Hormone das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und Gebärmutterkörperkrebs senken. Ergibt die jährliche Kontrolle bei der Gynäkologin bzw. beim Gynäkologen, dass die Hormoneinnahme nicht mehr notwendig ist, wird das Medikament langsam ausgeschlichen. Ein abruptes Absetzen der Hormone könnte das Wiederauftreten von Wallungen & Co befeuern.
Wo bleibt die Liebe?
Die Menopause verändert vieles im Leben der Frau, auch das Liebesleben. Dass die Lust auf Sex weniger wird, hat laut Janschek nicht ausschließlich mit den Hormonen zu tun: „Stress ist ein wichtiger Faktor, der die Libido der Frau beeinflusst. Steht man unter Dauerstress und fühlt sich chronisch erschöpft, hat man keine Lust auf Sex, unabhängig vom Alter.“ Durch den Hormonentzug wird die Haut im Genitalbereich dünner und verletzlicher. Hier kann eine lokale Östrogentherapie in Cremeform unterstützend wirken. Bei trockener Scheide rät die Ärztin zur Anwendung von Gleitmittel. Janschek ermutigt Frauen dazu, sich in Sachen Liebesleben nicht selbst unter Druck zu setzen: „Wir haben in unserer sexualisierten Gesellschaft vergessen, dass wir mit 50 plus nicht die gleiche Libido zu erwarten haben wie mit Anfang 20. Frauen sollten akzeptieren, dass sich die Intervalle des Geschlechtsverkehrs vergrößern und dennoch eine erfüllende Qualität möglich ist.“ Ein gesunder Lebensstil zahlt sich übrigens auch in Sachen Liebesleben aus. Wer sich in seiner Haut wohlfühlt, steht zu seinem Körper und kann sich mit den Veränderungen der Wechseljahre besser arrangieren.
Fotos: (c) Elisabeth-Janschek, istock: piolka